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Volkswagen ohne Räder. Im Zehlendorfer Keller von Herwig R. Friedag brummt ein Mini-Blockheizkraftwerk des Autoherstellers. Foto: Georg Moritz

© Georg Moritz

Wirtschaft: Energiewende im Keller

Mini-Kraftwerke für den privaten Einsatz werden beliebter – Lichtblick und Volkswagen starten in Berlin

Berlin - Herwig R. Friedag hat sich daran gewöhnt, dass sein Volkswagen keine Räder hat. Das grau lackierte Aggregat in seinem Keller hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit einem Auto aus Wolfsburg – nur das VW-Logo. Friedag ist einer der ersten Berliner, in deren Haus ein Blockheizkraftwerk installiert wurde, das von einem VW-Motor angetrieben wird. Die Anlage wandelt Gas in Strom um und nutzt die entstehende Wärme zum Heizen und für die Warmwasserversorgung.

„Eine Waschmaschine ist lauter“, berichtet der Unternehmensberater. Ein tiefes Brummen dringt aus dem Kellerraum des Zweifamilienhauses in Zehlendorf, minimale Vibrationen zeugen von der Arbeit des VW-Gasmotors im Inneren des mannshohen „Zuhausekraftwerks“. Unter diesem Namen vermarktet der Hamburger Ökostromanbieter Lichtblick das Heizkraftwerk im Miniaturformat seit einem knappen Jahr. 170 Anlagen, die im VW-Werk Salzgitter  gebaut werden, laufen bereits in Hamburg. In Berlin sollen es bis Ende des Jahres bis zu 50 sein.

Für Lichtblick ist das erst der Anfang: „Unser Ziel ist es, 100 000 Kellerkraftwerke zu Deutschlands größtem Gaskraftwerk zusammenzuschalten“, sagt Sprecher Ralph Kampwirth. Das virtuelle Großkraftwerk käme auf eine Leistung von zwei Atomkraftwerken. Lichtblick spricht von „Schwarmstrom“ – in Analogie zu intelligenten Fischschwärmen.

Noch ist der Schwarm recht klein. Das wollen die Partner Lichtblick und VW mit einem besonders einfachen Betreibermodell ändern. Während konventionelle Mini-Kraftwerke für den Hausgebrauch, die nach dem Prinzip der Kraft-Wärme- Kopplung (KWK) funktionieren, bis zu 50 000 Euro kosten, zahlen Lichtblick- Neukunden einmalig ab 5000 Euro. Dafür bleibt Lichtblick Eigentümer und Betreiber des Kraftwerks – der Kunde mietet die Anlage nur für zunächst zehn Jahre, muss sich aber um Ein- und Ausbauten, Wartung, Reparaturen und Versicherung nicht kümmern.

Der im Keller erzeugte Strom wandert aber nicht direkt in die Steckdose im Wohnzimmer. Lichtblick speist ihn ins öffentliche Netz ein, und zwar immer dann, wenn besonders viel gebraucht wird (und der Strom deshalb teuer ist). Gesteuert wird die Wärme- und Stromproduktion – je nach Bedarf und Nachfrage – per Mobilfunk von der Hamburger Zentrale aus. Mit der Einspeisung refinanziert Lichtblick nicht nur das Betreibermodell, sondern das Unternehmen sieht sich auch als Stromanbieter, der Energie liefern kann, wenn Wind und Sonne nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Der Haushalt bezieht den Strom aus dem Netz. Dafür muss er einen Extra-Vertrag abschließen – egal, ob mit Lichtblick oder einem anderen Anbieter. Herwig R. Friedag hat sich für ein Mischmodell entschieden: „Der konventionelle Strom kommt von Vattenfall, die Ökowärme von Lichtblick.“ Neben einem Grundpreis von 20 Euro im Monat fällt ein Wärmepreis an, der sich am Gaspreis orientiert. Für die Nutzung des Kellers zahlt Lichtblick monatlich fünf Euro Miete.

Akribisch hat Friedag Kosten und Nutzen gegenübergestellt und mit einer Öl- Zentralheizung verglichen. „Wir sparen rund 2000 Euro im Jahr“, sagt Friedag. In gut acht Jahren, so kalkuliert er, hat sich die Investition in ein Zuhausekraftwerk amortisiert. Dabei hat der Zweifamilienhaushalt sogar statt 5000 Euro 8500 Euro investiert. Im Gegenzug rabattiert Lichtblick in dieser Vertragsvariante den Wärmepreis höher – statt mit 0,5 Cent pro Kilowattstunde Strom mit 2,5 Cent. In den Speichern im Keller kann der Haushalt Wärme für eine Woche vorhalten.

Lichtblick und VW wollen bis Ende des Jahres bundesweit mindestens 400 Keller-Kraftwerke installieren. Neben Hamburg und Berlin beginnen die Installationen in den Regionen Bremen, Stuttgart, im Ruhrgebiet, in Leipzig sowie in Wolfsburg. „2012 kommen Hannover, Ostwestfalen, Rheinland, Rhein-Main und München hinzu“, sagt Ralph Kampwirth.

Rund 20 Anlagen werden pro Woche im VW-Motorenwerk in Salzgitter produziert. „Einschließlich der Komponentenfertigung in Hannover und Kassel wurden rund 300 Arbeitsplätze im Konzern gesichert“, sagt ein VW-Sprecher. Die Kapazität ist für die Produktion von 10 000 Zuhausekraftwerken pro Jahr ausgelegt.

Ob Lichtblick diese Stückzahlen verkaufen kann, hängt vom Wettbewerb ab. Die Energiewende hat die Aufmerksamkeit auf den Nischenmarkt gelenkt. So testet auch RWE Mikro-KWK. Senertec hat in den vergangenen Jahren mehrere tausend Mini-Kraftwerke verkauft, die von Einzylinder-Viertaktmotoren angetrieben werden. Auch Vaillant bietet ähnliche Kraftwerke an. In Berlin hat die Gasag über die Tochter DSE Direkt-Service Energie seit 2009 20 Anlagen installiert. Sie ist außerdem (neben dem Land Berlin, Vattenfall und der KfW) Gesellschafter der Berliner Energieagentur, die Blockheizkraftwerke ver- und betreibt. Lichtblick glaubt dennoch an den Erfolg. „Berlin ist extrem interessant“, sagt Sprecher Kampwirth. „Hier gibt es großen Sanierungsbedarf.“ Als Zielgruppe hat Lichtblick deshalb auch die Wohnungsgesellschaften im Blick.

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