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Schmutziges Geschäft. Bei der Verbrennung von Braunkohle wird aufgrund des hohen Wasseranteils besonders viel CO2 in die Luft geblasen.

© picture alliance / dpa

Energiewende: Industrie und Gewerkschaft gegen Gabriel

Ein Gutachten von BDI und IG BCE verwirft Pläne einer Klimaabgabe zulasten der Braunkohle - zu teuer und ineffizient.

Berlin - In der Not kommen die ungewöhnlichsten Bündnisse zustande. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kooperiert mit der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) gegen die Energiepolitik der Bundesregierung. Am Donnerstag legten die neuen Partner gemeinsam ein Gutachten vor, das die Vorschläge aus dem von Sigmar Gabriel geführten Bundeswirtschaftsministerium als zu teuer und für den Klimaschutz nicht hilfreich bewertet. Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake (Grüne), hatte im März ein Maßnahmenpaket vorgelegt, mit dem bis 2020 22 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich vermieden werden sollen. Das wird erreicht durch eine Klimaabgabe auf alte Kohlekraftwerke, die deren Betrieb unwirtschaftlich macht. Doch dann rechneten die Braunkohleländer (vor allem NRW und Brandenburg), die Braunkohlekonzerne (RWE und Vattenfall) und die Gewerkschaften genauer nach und kamen zu dem Schluss, dass die Braunkohle hierzulande überhaupt nicht mehr wirtschaftlich abzubauen und zu verstromen wäre. Die Gewerkschaft unterbreitete daraufhin ihrerseits Alternativmaßnahmen zur CO2-Einsparung, hinter die sich nun auch der BDI stellt. „Die Umsetzung der Vorschläge der IG BCE verhindert, anders als der Klimabeitrag, kostspielige Strukturbrüche und den Abbau von Arbeitsplätzen“, meint BDI-Präsident Ulrich Grillo und setzt noch einen drauf: „Der Klimabeitrag würde Investoren verunsichern und zum dauerhaften Störfaktor des Europäischen Emissionshandels.“

Es geht um 22 Millionen Tonnen CO2

Verband und Gewerkschaft hatten die Beratungsfirma Frontier Economics beauftragt, die Effekte der Klimaabgabe und der IG-BCE-Vorschläge durchzurechnen. Die Gewerkschaft will Kohlekraftwerke vom Markt nehmen und in eine Kraftwerksreserve stecken, die nur dann mobilisiert wird, wenn die erneuerbaren Energien nicht ausreichend Strom liefern. Ferner soll die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ausgebaut und mithilfe einer Abwrackprämie die Modernisierung von Heizungen beschleunigt werden. Die Gutachter von Frontier Economics klammern in ihrer Studie aber die auf sechs Milliarden Euro/Jahr veranschlagte Abwrackprämie aus.

Allein der Ausbau der KWK sowie die „Klimaschutzreserve“, wie BDI/IG BCE die Kapazitätsreserve nennen, würde die geforderten 22 Millionen Tonnen CO2 bringen – zu Kosten von 1,1 Milliarden Euro, die als Förderung für die KWK und als Vergütung für die Vorratshaltung der Kraftwerke anfielen. „Dagegen würde der Klimabeitrag des Ministeriums für die Verbraucher Mehrkosten von 4,3 Milliarden Euro 2020 bedeuten“, haben die Gutachter ausgerechnet und damit neue Zahlen in den Prozess der Entscheidungsfindung eingespeist. Seit Wochen führen Vertreter des Wirtschaftsministeriums Gespräche mit allen möglichen Beteiligten, um zu einer Lösung zu kommen. Am Mittwochabend trafen sich Gabriel und Staatssekretär Baake in der Berliner Vertretung der IG BCE mit den Wirtschaftsministern der Braunkohleländer. Vor der Tür demonstrierten ein paar Dutzend Greenpeace-Aktivisten: Umweltschützer und Grüne wollen so schnell wie möglich raus aus der schmutzigen Braunkohle. Industrie, Bundesländer und Gewerkschaften beharren dagegen auf dem Status einer Brückentechnologie, die noch mindestens 20 Jahre gebraucht werde, um Versorgungssicherheit und einigermaßen stabile Strompreise zu gewährleisten. Das Treffen am Mittwoch, bei dem es vor allem um die IG-BCE-Vorschläge ging, brachte Fortschritte, aber kein Ergebnis. Voraussichtlich in der kommenden Woche will Gabriel erneut einladen. Bis dahin wird weiter an den verschiedenen Varianten gerechnet.

Die IG BCE-Pläne haben größere Chancen

Das neue BDI/IG BCE-Gutachten stellt sogar den Klimaeffekt von Gabriels beziehungsweise Baakes Klimaabgabe infrage. Denn wenn hierzulande weniger CO2 emittiert würde, dann könne im Rahmen des EU-weiten Emissionshandels „im Ausland entsprechend mehr CO2 ausgestoßen werden“. Im Ergebnis würde also „durch eine verfügte Stilllegung oder Minderproduktion von deutschen Kohlekraftwerken durch den Klimabeitrag der CO2-Ausstoß insgesamt nicht verringert, sondern nur verlagert“, meinen die Gutachter und werfen der deutschen Klimapolitik „nationales Schönrechnen“ vor.

Das neue Gutachten, die Vorschläge der IG BCE sowie das jüngste Ministertreffen waren auch Gegenstand der Gespräche im Lübbenauer Kreis, eine Versammlung von Betriebsräten und Unternehmensvertretern aus der Lausitz, am Mittwochabend in Cottbus. Erstmals dabei war Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD). Dem Vernehmen nach wächst bei der Kohlelobby die Hoffnung, dass die IG-BCE-Pläne inzwischen eine größer Chance auf Umsetzung haben als das Baake-Papier.

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