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Fossile Ansichten. Der BDI fordert eine Reform, mit der der Betrieb konventioneller Anlagen (hier das Kohlekraftwerk in Mehrum, Niedersachsen) wieder rentabler wird.

© dpa

Energiewende: Zu teuer

Die „Grenze der Belastbarkeit“ sei erreicht, sagt der BDI – und schlägt drastische Sofortmaßnahmen vor.

Bei den erneuerbaren Energien geht es um Cent-Beträge mit Nachkommastellen: 5,277 Cent pro Kilowattstunde zahlen normale Stromkunden mit ihrer Stromrechnung in den Fördertopf, aus dem Grünstromerzeuger bezahlt werden. Doch das summiert sich: Insgesamt dürften in diesem Jahr rund 20 Milliarden Euro für die Ökostromförderung über die EEG-Umlage umverteilt werden. Das wäre ein neuer Rekord und entspräche dem Gesamtvolumen aller aktuellen Sparprogramme der 30 Dax-Konzerne oder knapp sieben Prozent der Gesamtausgaben des Bundes in diesem Jahr.

Dieser Topf wird zur Hälfte, also mit rund zehn Milliarden Euro, von Unternehmen gefüttert, rechnete der Präsident des Bundesverbandes der Industrie (BDI), Ulrich Grillo, am Mittwoch in Berlin vor. Sieben Milliarden zahlen private Haushalte, drei Milliarden staatliche Stromverbraucher und die Landwirtschaft. Grillos Lehre aus dieser Rechnung: „Die Industrie ist an der Grenze ihrer Belastbarkeit“.

Auf die Frage was passiert, wenn diese angebliche Grenze überschritten wird, verwies der Industrie-Präsident auf den Wiesbadener Kohlefaserproduzenten SGL Carbon. Der habe ein Werk in den USA statt wie geplant in Bayern eröffnet. In den Staaten zahle er nur zwei statt zehn Cent je Kilowattstunde für Industriestrom, sagte Grillo.

Der norwegische Aluminiumproduzent Norsk Hydro, der in NRW das größte Walzwerk der Welt betreibt, bestätigt den Druck, bleibt aber in Deutschland. Seine Branche könne keine höheren Beiträge zur Finanzierung erneuerbarer Energien leisten, rechnete Geschäftsbereichsleiter Oliver Bell diese Woche bei einer Führung durch sein Werk in Neuss vor: Im Unternehmensverbund dreier Werke – einer Aluminiumschmelze samt Walzwerk in Neuss, sowie einem Walzwerk in Grevenbroich und dem Rheinwerk in Neuss, wo das Metall aus dem Vorprodukt Aluminium-Oxid gewonnen wird – habe die Gruppe 2012 einen Gewinn von 52 Millionen Euro gemacht. Würde der Strompreis um einen Cent steigen, etwa weil die EEG-Umlage steigt, „hätten wir keinen Gewinn mehr“, sagte Bell. Für das Rheinwerk in Neuss, das lediglich mit Kurzarbeit am Leben erhalten worden war und seit dem vergangenen August wieder hochgefahren wird, wäre das seiner Einschätzung nach das endgültige Aus.

Derartige Extrembeispiele haben den BDI veranlasst, nun fünf „Sofortmaßnahmen“ vorzuschlagen, in der Hoffnung, dass möglichst viele davon beim nächsten Energiegipfel von Bund und Ländern am kommenden Donnerstag im Kanzleramt umgesetzt werden. Erstens sollten Produzenten, die aktuell nicht benötigten Ökostrom produzieren, auch keine Vergütung mehr erhalten. Zweitens solle der Staat durch Strompreiserhöhung zusätzlich erzielte Strom- und Mehrwertsteuereinnahmen an die Verbraucher zurückgeben. Das lehnte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) umgehend ab. Er sprach von einer „Milchmädchenrechnung“ und mahnte den Verband, ein „Mindestmaß Seriosität“ walten zu lassen.

Drittens fordert der BDI Bund und Länder auf, jährlich mindestens 1,5 Milliarden Euro für die Gebäudesanierung bereitzustellen. Das könne Investitionen in Höhe von zwölf Milliarden auslösen. Viertens müsse das Fördersystem grundsätzlich reformiert werden, damit auch fossile Kraftwerke wieder wirtschaftlich betrieben werden können. Und fünftens solle das bestehende System der EU-Klimazertifikatehandels nicht verändert werden. Während viele Umweltpolitiker und selbst Energiekonzerne sagen, dass der aktuell niedrige Preis für CO2-Zertifikate Investitionen in Energiesparmaßnahmen unattraktiv macht, hält man den niedrigen Preis beim BDI für einen Beweis, „dass der Markt funktioniert“.

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