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Wirtschaft: Englisch und Flöte für Anfänger

Der Kindergarten Max und Moritz ist privat-gewerblich – die Betreiber fühlen sich gegenüber gemeinnützigen Kitas benachteiligt

Berlin - Piet Ludger Helene ist ziemlich abgewetzt. Man kann kaum noch erkennen, was für ein Tier das Plüschviech darstellen soll. „Na, einen Hund“, sagt die stolze Besitzerin Vera. „A dog“, bekräftigt sie auf Englisch. Vera ist erst vier Jahre alt. Aber ihre erste Fremdsprache spricht und versteht sie besser als die meisten Grundschulkinder. Das liegt an July von Scheibener, Britin und Betreuerin in Veras Gruppe im Europakindergarten Max und Moritz in Schöneberg. Hier gibt es für jede Kindergruppe zwei Erzieherinnen – eine spricht Englisch, die andere Deutsch.

Die zweisprachige Betreuung ist nur einer der vielen Punkte im Beschäftigungsprogramm der Kindertagesstätte. Außerdem werden zum Beispiel Musik, Französisch und Sport angeboten. Für Raffaela Nardi-Nowotnik und Bertram Nowotnik ist das besondere Programm eine Selbstverständlichkeit. Das Ehepaar betreibt den Kindergarten seit 30 Jahren als privat-gewerbliche Einrichtung. „Als wir damals anfingen, haben wir uns vorgenommen die Kinder auf vielfältigere Weise zu fördern, als es sonst in den Kitas üblich war“, sagt Raffaela Nardi-Nowotnik. Inzwischen hätten viele Einrichtungen ihre Ideen aufgegriffen – staatliche, aber auch andere private.

16 privat-gewerbliche Kindertagesstätten mit insgesamt rund 300 Plätzen gibt es in Berlin, vier von ihnen haben wie der Europakindergarten einen Rahmenvertrag mit dem jeweiligen Bezirksamt abgeschlossen: Das Jugendamt kann einen Teil der Plätze belegen. Wer sein Kind auf direktem Weg bei „Max und Moritz“ anmeldet, zahlt rund 500 Euro Grundgebühr – Französisch und Musik kosten extra. Das Jugendamt zahlt für einen Rahmenvertragsplatz aber nur knapp 400 Euro an die Kita und lässt sich einen Teil von den Eltern erstatten. Ein Platz in einer gemeinnützigen Einrichtung ist dem Jugendamt mehr wert: 600 bis 700 Euro.

„Das ist unfair, wir fühlen uns dadurch benachteiligt und in Berlin ungewollt“, sagt Betreiber Nowotnik. „Wir kommen zwar finanziell über die Runden, aber wir wären besser beraten, einen gemeinnützigen Verein zu gründen und dort als Geschäftsführer mit einem festen Gehalt zu arbeiten.“ Doch das wollen die beiden nicht – aus Prinzip, wie sie sagen, weil sie sich so unabhängiger fühlten. Die Hälfte ihrer Plätze stellen sie freiwillig als „billige“ Plätze fürs Jugendamt zur Verfügung: „Wir wollen, dass die soziale Mischung stimmt.“

Aber auch die anderen Kinder kommen nicht alle aus wohlhabenden Familien. „Einige Eltern sparen an anderer Stelle, um sich einen Kindergarten mit besonderem Angebot leisten zu können“, sagt Nowotnik. Eine Investition in die Zukunft: Wenn sie in die Schule kämen, seien die Max-und-Moritz-Kinder viel weiter entwickelt als ihre Altersgenossen, sagt Nowotnik. Der Erfolg spricht sich herum – alle 88 Plätze in den sechs Gruppen sind belegt – und es gibt eine Warteliste. „Nur so können wir überleben“, sagt Nowotnik.

Isabell wird nächste Woche drei Jahre alt und ist in New Orleans geboren. Inzwischen geht das schüchterne Mädchen in Veras Gruppe – die verschiedenen Altersgruppen werden absichtlich bunt gemischt. „Ein privater Kindergarten ist natürlich teuer, aber uns war es wichtig, dass sie früh Englisch lernt“, sagt Isabells Mutter, während sie die eineinhalbjährige kleine Schwester Sara aus dem Anorak schält. Die Kleine soll sich gerade an den Kindergarten gewöhnen – die Mutter will dabei sein. Sie sei sehr zufrieden mit der Europa-Kita, sagt sie. „Es wird viel geboten.“ Und auch die Öffnungszeiten von 7 bis 19 Uhr 30 nennt sie als Pluspunkt – bald will sich die Ärztin wieder einen Job suchen.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite quietscht es aus Ferdinands Blockflöte – die Musikräume sind in einem anderen Gebäude untergebracht. Susi mit der Ringelstrumpfhose hat inzwischen ihre Flöte quer in den Mund gesteckt. „Und jetzt spielt ihr das Stück noch mal beide zusammen“, sagt Musikpädagogin Karen Lüth. Aus dem Qietschen wird langsam ein melodischeres Tuten. Etwa die Hälfte der Kinder lernen bei ihr Flöte, alle haben einmal pro Woche musikalische Früherziehung. „Bei Kindern, die musikalisch gefördert werden, entwickelt sich das Sprachzentrum schneller“, sagt die Musikpädagogin.

Veras Sprachzentrum ist ziemlich weit entwickelt – obwohl sie kein Instrument spielt. Sie lernt lieber Französisch, zweimal in der Woche. Und seit sie das Wort „merci“ gelernt hat, bedankt sie sich meistens so – immer mit dem Hund Piet Ludger Helene im Arm.

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