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Wirtschaft: Entlohnung ist der wunde Punkt für Daimler-Chrysler

Ekkehard Wenger, ein kritischer deutscher Aktionär, warnt vor der Fusion von Daimler-Benz und Chrysler.Nach der Fusion sollten die Manager nach dem bescheideneren deutschen Standard entlohnt werden.

Ekkehard Wenger, ein kritischer deutscher Aktionär, warnt vor der Fusion von Daimler-Benz und Chrysler.Nach der Fusion sollten die Manager nach dem bescheideneren deutschen Standard entlohnt werden.Daimler-Vorstandschef Jürgen Schrempp hat im vergangenen Jahr um die 2,5 Mill.Dollar verdient.Hingegen machte Chrysler-Chef Robert Eaton eine Ausbeute von 16 Mill.DM.Eatons Einkommen sei unerhört, findet Aktionär Wenger.

Der 45jährige Professor für Finanzwirtschaft ist mehr als eine Einzelstimme.Im vergangenen Jahr strengte er eine Klage gegen die Deutsche Bank wegen deren Aktienoptions-Plan für Manager an.Er verlor zwar den Prozeß, gewann aber in der Sache.Die Bank hat kürzlich entschieden, ihr Entlohnungssystem zu modifizieren.Der deutsche Sofwaregigant SAP hat von vornherein sein Optionspaket anders gestaltet, um einen Streit mit dem Professor zu vermeiden.

Nun hat Wenger die Autohersteller Daimler und Chrysler im Visier.Auf der Hauptversammlung in Stuttgart wollte er von den Managern erfahren, wieviel sie verdienen.Nach der Fusion der beiden Autohersteller werde er die Frage wiederholen, kündigt er an."Wenn es jemals zu einer Abstimmung der Aktionäre über das Daimler-Chrysler-Lohnsystem kommt, werden wir es genauestens prüfen", sagt er.

Die Entlohnung ist eine der heikelsten Fragen dieser Fusion.Nach Ansicht amerikanischer Investoren haben erfolgreiche Manager ein Anrecht, an ihren Früchten teilzuhaben."Wir halten eine leistungsabhängige Bezahlung für sinnvoll", sagt Edwin Burton, Vorstandsvorsitzender des Virginia Retirement System, einem Pensionsfonds für öffentliche Angestellte.Was sei denn schlimm daran, wenn der Vorstandschef von Walt Disney, Michael Eisner, mehrere Millionen Dollar nach Hause trage, solange er die Bilanz um Milliarden Dollar erhöht, fragt Burton.Dagegen plädieren Deutsche dafür, daß der Lohn von Managern nicht zu stark von demjenigen eines durchschnittlichen Arbeiters abweichen sollte.

Die Kontroverse um die Bezahlung von Topmanagern gibt es natürlich nicht nur bei Daimler-Benz.Da europäische Unternehmen zunehmend Finanzmittel bei internationalen Investoren nachfragen, versuchen sie, ihr Lohnsystem dem amerikanischen Modell der leistungsabhängigen Bezahlung anzugleichen - weil dies von internationalen Investoren bevorzugt wird.Um ihre Position im härter werdenden globalen Wettbewerb zu stärken, sehen immer mehr europäische Unternehmen eine auf Aktien basierende Entlohnung als ein Mittel an, erfolgreiche Mitarbeiter zu belohnen oder von amerikanischen Rivalen wegzulocken.

Doch noch sind sowohl Investoren als auch die Öffentlichkeit in Europa der Meinung, daß Topmanager bescheidener entlohnt werden sollen.Auch die europäischen Manager sind skeptisch, bedeutet Leistungslohn doch ein Risiko.Viele ziehen noch ein konstantes Gehalt einer potentiell höheren Leistungsentlohnung vor.

Wie Daimler-Chrysler in der Frage der Entlohnung entscheidet, könnte darüber mitentscheiden, ob das neue Unternehmen Topkräfte rekrutieren und halten kann."Das ist eine schwierige Sache", sagt Jörg Pluta, Direktor eines deutschen Aktionärsschutzverbandes."Es stellt sich bei einer Übernahme des deutschen Systems die Frage, wie lange gute Leute gehalten werden können, wenn Ford dreimal soviel zahlt."

Die Entlohnungsfrage könnte auch den Aktienwert des Unternehmens tangieren, wie Daimler-Chef Schrempp bemerkt hat."Die erste Frage amerikanischer Investoren ist, ob es im Unternehmen Aktienoptionen gibt und ob ein Anreiz für die Manager besteht, den Aktienwert zu erhöhen", erklärte er im vergangenen Jahr auf die Kritik von Wenger hin.

Daimler verlautbart, daß die Frage der Entlohnung der Manager noch geklärt werden müsse.Chrysler-Sprecherin Rita McKay sagt lediglich: "Die Entlohnung war eine von vielen Fragen, die in den Fusionsverhandlungen erörtert wurde." Zu weiterer Auskunft ist sie nicht bereit.

Die starke Position des Aktionärsaktivisten Wenger rührt daher, daß die meisten Deutschen mit ihm übereinstimmen.Sie befürchten bei hohen Löhnen eine Gefahr für den sozialen Frieden.Indem die Kluft zwischen Armen und Reichen vergrößert wird, könnte die Demokratie gefährdet werden.Außerdem tendieren Deutsche dazu, eher kollektive als individuelle Erfolge zu belohnen."Das ist die europäische Mentalität", sagt Aktionärsvertreter Pluta."Es wird als Ausbeutung angesehen, wenn sich ein Individuum zu Lasten der Arbeiter bereichert." Ein anderer Grund für die Kritik hängt damit zusammen, daß es in Deutschland weniger Aktionäre gibt.Während 21 Prozent aller Amerikaner Aktien halten, sind es in Deutschland nur neun Prozent.

Wenger hat mit Daimler jahrelang über verschiedene Fragen gestritten.Als Daimler im vergangenen Jahr als eines der ersten deutschen Unternehmen einen Aktienoptionsplan vorlegte, ging Wenger vor Gericht.Er verlor den Prozeß, ist aber in die Berufung gegangen.Bevor das Urteil gesprochen ist, dürfen die Daimler-Manager ihre Optionen nicht ausüben.

Die Unterschiede zwischen deutschem und amerikanischem Entlohnungssystem sind im Fall von Daimler und Chrysler klar.Die fünf Topmanager von Chrysler haben im vergangenen Jahr 50 Mill.Dollar und damit im Durchschnitt zehn Mill.Dollar verdient.Dagegen trugen die zehn höchsten Daimler-Manager elf Mill.Dollar nach Hause.Das macht 1,1 Mill.Dollar pro Kopf.

Gehalt, Bonus und andere Barzahlungen summieren sich bei den Chrysler-Managern nur auf 13 Mill.Dollar.Der Großteil der Entlohnung erfolgt vielmehr in Form von Aktien und Optionen.Die 50 Mill.Dollar bedeuten also einen Rückgang der jährlichen Boni der Chrysler-Topmanager, auch Eaton bekam 33 Prozent weniger.Dies führte nach internen Unterlagen dazu, daß die Gehälter 20 Prozent unter denjenigen des Vorjahres lagen.Auch Daimler-Manager erhielten im vergangenen Jahr Aktienoptionen, allerdings in viel geringerem Umfang.Der Wert der Optionen wurde zwar nicht bekanntgegeben, doch halten Experten deutsche Aktienoptions-Programme für weit weniger lukrativ als amerikanische.

Wenger ist nicht generell gegen Lohnanreize.Aber er lehnt überhöhte Löhne und Anreizsysteme ab, die Manager lediglich dafür belohnen, daß der Aktienkurs steigt.Nur wenn das Kursplus den Marktdurchschnitt oder den Durchschnitt der Unternehmen der betreffenden Branche übersteigt, verdienen Manager einen Erfolgslohn, sagt er.

Seit 1987 nimmt Wenger an Hauptversammlungen teil, mittlerweile 15 Mal im Jahr.Er taucht jeweils mit einer Handvoll Studenten auf und hält dem Management am Mikrophon solange Strafpredigten, bis sie das Mikro abstellen.Einmal wurde er aus einer Versammlung rausgeworfen.Bei einer anderen Gelegenheit sagte er dem Daimler-Aufsichtsratvorsitzenden Hilmar Kopper, daß er aufgrund seiner schwachen Leistung verdiene, "zum Teufel" geschickt zu werden.Nach der Ansicht von Rüdiger von Rosen, Leiter des deutschen Aktieninstitutes, übt Wenger eine sinnvolle Funktion aus."Er stößt Diskussionen über wichtige Fragen an", sagt von Rosen."So etwa im Fall des leistungsabhängigen Entgeltes." Jeder Manager mit einem Gehalt von mehr als zehn Mill.Dollar im Jahr verdiene wahrscheinlich zu viel, sagt von Rosen, dessen Einrichtung Deutsche ermutigen will, in Aktien zu investieren."Amerika sollte bei diesem Thema nicht unser Maßstab sein", sagt er.

Wegen der Entlohnungskontroverse stellt Wenger die gesamte Daimler-Chrysler-Fusion in Frage.Er fragt sich, ob der entscheidende Antriebsfaktor für die Fusion nicht der Wunsch von Schrempp und anderen Daimler-Managern ist, ihren Lohn zu erhöhen."Das ist einer der Gründe, warum Daimler die Fusion wollte", sagt er.Daimler lehnte jeden Kommentar dazu ab.

Übersetzt und gekürzt von Kristina Greene (Korea), Paul Stoop (Hongkong, Warhol) und Karen Wientgen (Daimler).

GREG STEINMETZ, GREGORY L.WHITE

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