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Dieselskandal: Volkswagen will den Abgasskandal hinter sich lassen.

© AFP

Update

Entscheidungshilfe für VW-Dieselkunden: Wer den VW-Vergleich annehmen sollte und wer nicht

Noch bis zum 20. April haben Kunden Zeit, sich zu entscheiden. Bei einigen ist die Sache klar.

Grit Schubert ist zufrieden. VW bietet der Brandenburgerin 2597 Euro Schadensersatz für ihren alten Diesel. Ihr Skoda Octavia Kombi, Modelljahr 2010, ist Teil des Vergleichsangebots, das VW derzeit 262.000 Kunden macht. Neu hatte das Auto als EU-Re-Import knapp 20.000 Euro gekostet.

Schubert, die als Ärztin arbeitet und mit ihrem echten Namen nicht in der Zeitung auftauchen möchte, freut sich über das Geld. Sie hatte sich im vergangenen Jahr der Musterfeststellungsklage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV) ohne allzu große Erwartungen angeschlossen.

Eine Einzelklage auf Schadensersatz wegen der Abgasmanipulation war für sie mangels Rechtsschutzversicherung keine Alternative gewesen. Den Vergleich findet sie gut. „Ich habe mich sofort registriert und alle Unterlagen eingeschickt“, erzählt sie. Nun wartet sie auf die Überweisung aus Wolfsburg. Ab dem 5. Mai soll Geld fließen, kündigt VW an.

231.000 von 262.000 Kunden zeigen Interesse

Wie Schubert reagieren viele. Mehr als 140.000 Menschen hatten dem Vergleichsangebot, das VW und der VZBV ausgehandelt haben, bereits in der ersten Woche zugestimmt. Weitere 60.000 Eigentümer eines VW-Diesel, der mit dem manipulierten EA-189-Motor ausgerüstet ist, hatten sich entweder im Internet oder beim Call-Center registrieren lassen. „Wir sehen dies als positives Zeichen, dass die Verbraucher und Verbraucherinnen das Angebot als fair empfinden und dem Vergleichsprozess vertrauen“, sagt Hiltrud Werner, die im VW-Vorstand für Recht zuständig ist. Inzwischen haben 250.000 Personen und damit 95 Prozent der Vergleichsberechtigten ihren Account aktiviert, über 210.000 Menschen haben ihre Dokumente hochgeladen, in über 130.000 Fällen ist die Überprüfung bereits abgeschlossen, sagte ein VW-Sprecher dem Tagesspiegel. Noch bis zum 20. April sind Anmeldungen möglich.

Alles sauber? Wer dem Softwareupdate nicht traut und sein Auto zurückgeben will, kann das nur über eine Einzelklage erreichen.
Alles sauber? Wer dem Softwareupdate nicht traut und sein Auto zurückgeben will, kann das nur über eine Einzelklage erreichen.

© picture alliance / Julian Strate

Glaubt man Christopher Rother, machen viele Dieselopfer aber einen Fehler, wenn sie vorschnell zustimmen. VW bietet den Kunden eine Entschädigung an, die zwischen 1350 und 6257 Euro liegt, je nach Modell und Modelljahr. Mit einer Einzelklage, glaubt Rother, könnten viele Kunden deutlich mehr für sich herausholen. Von „mehreren zehntausend Euro“ spricht der Anwalt, der einst für die Kanzlei Hausfeld die My-Right-Klage gegen VW betreut hat und jetzt als Geschäftsführer des Prozessfinanzierers Profin Dieselprozesse gegen VW finanziert.

Im Mai beschäftigt sich der Bundesgerichtshof mit Dieselgate

Rothers Hoffnungen richten sich auf den Bundesgerichtshof (BGH), der am 5. Mai erstmals mit einem VW-Dieselverfahren befasst ist. Sollte das höchste deutsche Zivilgericht den Dieselklägern den vollen Kaufpreis als Schadensersatz für die Abgasmanipulation zusprechen, ohne im Gegenzug eine Entschädigung für die Nutzung des Autos abzuziehen, wäre das in der Tat für viele Verbraucher lukrativer als das Vergleichsangebot von VW. Das Problem: Niemand weiß, wie der BGH entscheiden wird, und vielen ist der Spatz in der Hand näher als die Taube auf dem Dach.

Prozessfinanzierer Profin zahlt bis zu 5000 Euro vorab

Um Kunden dennoch dazu zu bewegen, das Vergleichsangebot von VW auszuschlagen, legt Rother seinerseits Geld auf den Tisch. Profin zahlt VW-Dieselbesitzern eine Sofortentschädigung von bis zu 5000 Euro, wenn sie sich - unterstützt vom Prozessfinanzierer - gegen den Vergleich und für eine Einzelklage entscheiden. Das Geld sollen die Kunden selbst dann behalten können, wenn die Klage später verloren gehen sollte. Sollte die Einzelklage Erfolg haben, wird die Summe angerechnet, und Profin erhält eine Provision von bis zu 30 Prozent.

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Ein Angebot von Profin bekommt jedoch nicht jeder. Fahrzeuge, die man vor Jahren günstig gekauft hat und die inzwischen einiges auf dem Tacho haben, sind für den Prozessfinanzierer nicht interessant. Im Gegenzug heißt das: Solche Kunden sollten das Vergleichsangebot auf jeden Fall annehmen.
Doch wie findet man heraus, was man tun soll?

Für wen sich der Vergleich lohnt

Dieselanwalt Ralph Sauer, dessen Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Teil des VZBV-Anwaltsteams im Musterfeststellungsverfahren war, gibt Hilfestellung. „Das Vergleichsangebot lohnt sich für Dieselkunden, die das Auto als Gebrauchtwagen günstig gekauft haben“, sagt der Anwalt.

Auch Eigentümer, die mit dem Auto viel unterwegs waren, könnten von dem Massenvergleich profitieren. „Wenn mehr als 150.000 Kilometer auf dem Tacho stehen, macht eine Einzelklage weniger Sinn“, meint Sauer.

Und für wen nicht

Wer dagegen ein teures Auto gekauft hat und wenig gefahren ist, könnte mit der Einzelklage besser bedient sein. „VW bietet etwa für einen Polo Modelljahr 2008, der neu 30.000 Euro gekostet hat, 1350 Euro. Wenn das Auto nur 70.000 Kilometer gefahren ist, ist das ein Witz“, sagt der Dieselanwalt.

Endlich Klarheit: Im Mai beschäftigt sich der Bundesgerichtshof mit Dieselgate.
Endlich Klarheit: Im Mai beschäftigt sich der Bundesgerichtshof mit Dieselgate.

© dpa

Generell gilt: Jeder, der von VW angeschrieben wird, sollte sich ein Angebot geben lassen. Ist die angebotene Summe niedriger als zehn Prozent des ursprünglichen Kaufpreises, sollte man die Finger vom Vergleich lassen, meint Sauer. Bewegt sich die Offerte in der Spanne zwischen zehn und 20 Prozent, sollte man darüber nachdenken. „Liegt das Angebot bei 20 Prozent oder mehr des Kaufpreises, sollten Sie zuschlagen, falls Sie das Auto behalten möchten“, sagt Sauer.

Wollen Sie Ihr Auto behalten oder nicht?

Anders sieht die Sache aus, wenn man den Software-Updates nicht traut und das Fahrzeug deshalb lieber loswerden will. Bei einer Einzelklage gibt es den Schadensersatz nämlich üblicherweise Zug um Zug gegen Rückgabe des Autos. Und auch die Kunden, die ihren Diesel kreditfinanziert haben, haben seit der jüngsten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs die Möglichkeit, über einen Widerruf des Vertrags ihren Kaufpreis zurückzuholen, sofern der Kreditvertrag noch läuft.

Anspruch abgetreten?

Einige VW-Dieseleigentümer bekommen kein Angebot von VW: Käufer, die beim Kauf ihren Wohnsitz im Ausland hatten, und Menschen, die ihren Diesel nach dem 31.Dezember 2015 erworben haben.

Auch wer seinen Anspruch abgetreten hat, etwa an den Prozessfinanzierer My Right, ist nicht dabei. Allerdings können diese Kläger jetzt auf den letzten Metern noch umschalten. Sie können sich ihren Anspruch von My Right rückübertragen lassen, wenn sie das VW-Vergleichsangebot attraktiv finden. Allerdings müssten sie dazu ein Erfolgshonorar von 25 Prozent an den Prozessfinanzierer zahlen, betont Sprecher Jan-Eike Andresen, der einen solchen Schritt mit Blick auf die Chancen eines positiven Urteils des Bundesgerichtshofs unsinnig findet.

Riskant wäre ein Wechsel in den Fällen, in denen der Kläger das Auto verkauft hat und nicht weiß, ob sich der spätere Erwerber an der Musterfeststellungsklage beteiligt hat, geben Verbraucherschützer zu denken. Denn Geld gibt es aus dem VW-Vergleich nur einmal pro Auto. Bei mehreren Anmeldungen bekommt der Käufer das Geld, der als letzter vor dem 1. Januar 2016 gekauft hat.

Kunden sollten sich beraten lassen

Kunden sollten sich anwaltlich beraten lassen, wenn sie unsicher sind. VW zahlt für einen Anwalt bis zu 190 Euro Beratungskosten, falls man den Vergleich später annimmt. Rother bietet Anwälten sogar 250 Euro für die Beratung von VW-Dieselkunden an. Für Grit Schubert ist die Sache erledigt. Sie bekommt zwölf Prozent vom Kaufpreis, das reicht ihr. „Dafür, dass ich mich nur einmal für die Musterfeststellungsklage angemeldet habe, ist das viel Geld“, sagt sie.

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