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Bis 2015, so haben die Länder der EU versprochen, soll die Entwicklungshilfefinanzierung auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens steigen.

© dpa

Entwicklungshilfe: Europa macht schlapp

Die Schuldenkrise bedroht auch die Entwicklungshilfezusagen der EU-Länder. Deutschland gehörte aber auch schon vor der Krise wiederholt zu den Ländern, die stets hinter ihren Versprechen zurückblieben.

Hohe Arbeitslosigkeit in Spanien, gekürzte Renten in Griechenland, Steuererhöhungen in Portugal – die europäische Schuldenkrise belastet die Bürger der EU. Doch auch die Entwicklungsländer, die mehr als die Hälfte ihrer Hilfsgelder aus Europa erhalten, sind von der klammen Haushaltslage betroffen, wie ein Bericht der Nichtregierungsorganisation One zeigt. Demzufolge ist seitens der EU eine „beispiellose Erhöhung“ der Entwicklungsfinanzierung nötig, um die Zusagen für die ärmsten Länder der Welt zu erfüllen, beklagt die 2002 unter dem Namen Data von Popstar Bono gegründete Organisation.

Bis 2015, so haben die Länder der EU versprochen, soll die Entwicklungshilfefinanzierung auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens steigen, also nach heutigen Schätzungen auf insgesamt 93,78 Milliarden Euro. Um das zu erreichen, muss die EU die Mittel in den kommenden drei Jahren um 42,93 Milliarden Euro erhöhen, heißt es in dem Bericht, der dem Tagesspiegel vorliegt und der an diesem Montag offiziell vorgestellt wird. Allerdings, so gibt One zu bedenken, sorgt das sich abschwächende Wirtschaftswachstum in Europa dafür, dass das Gesamtvolumen der Hilfszahlungen sinkt. Dennoch, beklagt der Bericht, erhöhten 2011 nur fünf Staaten der Euro- Zone – darunter auch Deutschland – ihre Entwicklungsfinanzierung.

Bei der Erfüllung ihrer Ziele sind die Mitgliedstaaten dem Bericht zufolge unterschiedlich weit. Luxemburg, die Niederlande und Schweden haben ihr Ziel zu mehr als 75 Prozent erfüllt, Deutschland liegt zwischen 50 und 75 Prozent. Griechenland, Italien, Polen, Lettland und die Slowakei aber kommen auf weniger als 25 Prozent. Allerdings können die Kritiker von One keinem Land vorwerfen, es halte die Versprechen nicht ein. Denn ein offizielles Ziel gibt es nur für 2015, für die Jahre davor sind keine Werte festgelegt.

Bei den Berechnungen gibt es zudem noch weitere Besonderheiten. Als Grundlage für den Bericht nutzt One die Daten des Entwicklungshilfeausschusses der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Allerdings zählt One Schuldenerlasse seitens der EU-Staaten nicht mit in die Entwicklungsfinanzierung, die Länder selbst tun das aber schon. Zudem verwendet der Bericht ein konstantes Preisniveau aus dem Jahr 2011, während etwa die deutsche Bundesregierung von aktuellen Preisen ausgeht.

Deutschland müsste 2,35 Milliarden Euro mehr für Entwicklungshilfe ausgeben.

46,5 Millionen Kindern zusätzlich wurde in Afrika im vergangenen Jahrzehnt Zugang zur Grundschule ermöglicht.
46,5 Millionen Kindern zusätzlich wurde in Afrika im vergangenen Jahrzehnt Zugang zur Grundschule ermöglicht.

© REUTERS

Der Bericht konzentriert sich in diesem Jahr auf Europa, weil der Kontinent im Hinblick auf die für 2015 vereinbarten Millennium-Entwicklungsziele verbindliche Zusagen gemacht hat. In den vergangenen Jahren überprüfte One den Fortschritt der Verpflichtungen der G-7-Länder, die sich 2005 beim Gipfel in Gleneagles auf Zusagen bis 2010 geeinigt hatten. Seit dem Auslaufen dieser Verpflichtung hätten sich wichtige Geberländer wie die USA, Kanada und Japan aber keine neuen offiziellen Ziele mehr gesetzt, deren Einhaltung man überprüfen könne, kritisiert One. Auch die G 20 habe „trotz ihrer wachsenden Bedeutung auf der Weltbühne“ bisher keine Ziele für die Entwicklungsfinanzierung festgelegt.

One hofft nun darauf, dass sich der Europäische Rat auf seinem Gifpeltreffen am kommenden Donnerstag zumindest für die 51 Milliarden Euro starkmacht, die im Mehrjährigen Finanzrahmen der EU (2014 bis 2020) für Entwicklungsfinanzierung vorgesehen sind.

Der Data-Bericht hat auch die deutschen Hilfszusagen genau untersucht. „Nach unseren Berechnungen müsste Deutschland jedes Jahr 2,35 Milliarden Euro zusätzlich für Armutsbekämpfung ausgeben, um das Versprechen von 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung zu halten, das den ärmsten Ländern der Welt 2005 gegeben wurde“, sagt der Deutschlandchef von One, Tobias Kahler. Man erwarte aber bei der Entscheidung des Bundeskabinetts über den Haushalt für 2013 am kommenden Mittwoch nur leichte Erhöhungen für den Entwicklungsetat. Für 2013 sei lediglich eine Erhöhung um 152 Millionen Euro geplant, heißt es in dem Bericht. „Aus den gegenwärtigen Haushaltsbemühungen lässt sich schließen, dass diese Ziele nicht erreicht werden.“

Für 2011 kommt Deutschland One zufolge auf einen Anteil der Hilfszahlungen am Bruttonationaleinkommen von 0,39 Prozent und damit auf 10,13 Milliarden Euro – ein Plus von 3,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die OECD, die in ihren Berechnungen Schuldenerlasse mitberücksichtigt, kommt auf 10,45 Milliarden Euro und eine Quote von 0,4 Prozent. „Damit hat Deutschland sein Zwischenziel von 2010 verfehlt“, kritisiert der Bericht. Eigentlich sollte der Anteil der Entwicklungsfinanzierung am Bruttonationaleinkommen schon vor zwei Jahren bei 0,51 Prozent liegen.

Die Bundesregierung halte an ihrem Ziel von 0,7 Prozent 2015 fest, teilte eine Sprecherin des Bundesentwicklungsministeriums auf Anfrage mit. Allerdings bleibe die Erreichung „eine Herausforderung“. Neben allgemeinen Haushaltsmitteln müssten auch innovative Finanzierungsinstrumente beitragen, insbesondere solche, die „zur Finanzierung von Entwicklung private und Kapitalmarktmittel mobilisieren“.

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