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Foto: dpa, Montage: Peter Krause

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Erneuerbare Energie: Windige Geschäfte

Wie Anleger mit unseriösen Öko-Investments abgezockt werden: Der Ruf auf moralisch und ökologisch gutes Geld hat auch schwarze Schafe auf die grüne Wiese geholt.

Grün ist in. Seit die Banken in der Finanzkrise viel Vertrauen verspekuliert haben, spielen Begriffe wie Moral, soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit auch in der Geldanlage eine immer größere Rolle. Nach einer Studie des Berliner „Forum Nachhaltige Geldanlagen“ ist das Volumen nachhaltiger Anlagen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zwischen 2008 und Ende 2009 um 67 Prozent auf 38 Milliarden Euro angewachsen.

Doch der Run auf moralisch und ökologisch gutes Geld hat auch schwarze Schafe auf die grüne Wiese geholt. Unseriöse Angebote, enorme Zinsversprechen und Pleiten häufen sich. Auf den Graumarkt-Listen der Verbraucherschützer tauchen inzwischen auch Unternehmen aus der Ethik-Branche auf. „Der Öko-Schwindel nimmt zu“, sagt Finanzexperte Nils Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Auch Max Deml, Herausgeber des Börsenbriefes „Öko-Invest“, registriert im Boom nachhaltiger Anlagen vermehrt windige Angebote. 20 Firmen sind auf seiner grau-grünen Warnliste aufgeführt, darunter die Ethik Vermögensverwaltung AG von Hans Berner, die Green Planet AG, die mit „SmartTeak-Sparverträgen“ in Costa Rica eine jährliche Rendite von „13 Prozent plus x“ avisiert, ferner der Solaranlagen-Bauer NTI AG und die niederländische EcoInvest Holding N.V.

Auf der Warnliste der Stiftung Warentest finden sich derzeit unter anderem die Schweizer Life Forestry Group und der Itzehoer Windanlagen-Bauer Prokon. Die Schweizer preisen neue Tropenbäume in Ecuador als „krisensicheres, börsenunabhängiges Investment“, das überdies steuerfrei sei und das angelegte Geld pro Jahr um zwölf Prozent „natürlich wachsen“ lasse. Die Firma Prokon bewarb ihre Genussscheine als Papiere, die so sicher seien wie Festgeld und eine „garantierte“ Mindestverzinsung von sechs Prozent plus Überschussbeteiligung abwerfen würden. Das wurde zwar kürzlich gerichtlich verboten. Der Windanlagen-Bauer prognostiziert dennoch weiterhin acht Prozent Gewinn pro Jahr und wirbt mit einem „hohen Maß an Sicherheit“. Neuerdings spielt Prokon auch mit der wachsenden Inflationsangst: Steige die Inflation über zehn Prozent, verspricht das Unternehmen, erhalte der Anleger noch höhere Zinsen. Für 2010 will Prokon „bis spätestens Ende Januar“ insgesamt 30,9 Millionen Euro Genussrecht-Zinsen ausgeschüttet haben. Allerdings sind als Bilanz-Überschuss zur Ausschüttung bis Ende Oktober im Windbereich nur knapp 16 Millionen ausgewiesen, eine konsolidierte Bilanz aller Geschäftsbereiche liege „noch“ nicht vor.

Knapp 30 000 Anleger sollen dem Windpark-Investor derzeit Genussrechte im Umfang von knapp 488 Millionen Euro abgekauft haben, verrät der „Genussrechtsmeter“ auf der Prokon- Homepage. Dass Anleger nicht nur an Gewinnen, sondern auch an etwaigen Verlusten voll beteiligt werden, dass zudem Genussrecht- Gläubiger im Insolvenzfall erst nach allen anderen bedient werden, steht nur im Kleingedruckten.

„Finger weg“, rät Verbraucherschützer Nauhauser. Der Anleger könne als Laie solche Beteiligungsmodelle nicht durchschauen. Auch Spezialisten tun sich schwer, komplizierte Firmengeflechte und Projekte auf Seriosität zu prüfen, ob mit grünem Anstrich oder ohne. Ganz grundsätzlich gelte, „aber auch für grünes Geld uneingeschränkt, dass das Risiko mit der Rendite steigt“, sagt Nauhauser. Arbeite ein Anbieter mit Rendite-Versprechen von mehr als zehn Prozent, so müsse der Anleger die Möglichkeit eines Totalverlusts einkalkulieren. Öko-Experte Deml sieht vor allem Baum- und Edelholzprojekte in Übersee skeptisch: „80 Prozent der Angebote aus der Plantagenszene der letzten Jahre sind inzwischen wieder vom Markt verschwunden.“

Wie rasch Öko-Firmen in Schieflage geraten können, haben Anleger zuletzt im Spätsommer 2010 erlebt, als die Finanzaufsicht die alternative Noa-Bank wegen drohender Überschuldung schloss. Die Anleger werden zwar bis 50 000 Euro durch die gesetzliche Einlagensicherung entschädigt, ob höhere Beträge erstattet werden, kann aber erst das laufende Insolvenzverfahren klären. Auch das Firmengeflecht EECH, das bei Anlegern gut 60 Millionen Euro für Windkraft- und Solaranlagen einsammelte, die Gelder dann aber systematisch zweckentfremdete, ging 2008 bankrott. Pleite gingen auch der Biogasanlagen-Betreiber Schmack und die Waldfirma Primeforestry.

Manche Verkäufer von Öko-Beteiligungen hofften, dass Anleger mit grünem Gewissen weniger kritisch seien, sagt Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Management und Experte für nachhaltiges Investieren. Doch es gelte: „Grünes Geld ist nicht per se gut.“

Schützen könne sich der Anleger vor Verlusten und Betrügern kaum, glaubt Verbraucherschützer Nauhauser. Am sinnvollsten sei es für einen Privatanleger daher, auf undurchsichtige Beteiligungen mit vollmundigen Versprechen zu verzichten und stattdessen Aktien oder Fonds zu kaufen, die an viel strengere Publizitäts-Regeln gebunden und von der Finanzaufsicht kontrolliert werden. Der Beteiligungsmarkt, egal ob grau oder grün, ist dagegen bisher nicht reguliert. Allerdings ist derzeit ein neues „Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts“ in Arbeit, das die Vermittler von Beteiligungen stärker an die Kandare nehmen will. Weiterhin muss der Verkaufsprospekt von der Bafin aber nicht inhaltlich, sondern nur formal geprüft werden.

Wer auf Nummer sicher gehen wolle, sagt Faust, investiere besser über seriöse Ethikbanken wie die Umweltbank oder die GLS-Bank. Diese Institute würden einen Großteil der Spareinlagen an Kredite für geprüfte Öko-Projekte weiterreichen. Dass die Mehrheit in der Branche seriös und erfolgreich arbeite, beweise vor allem die Entwicklung der Öko-Aktien-Indizes: Der Ethik-Index NX-25 etwa sei von 2003 bis 2010 um 343 Prozent gewachsen, der Weltindex MSCI World dagegen nur um 55 Prozent, berichtet Max Deml. Der Kapitalbedarf der Branche und somit die Investitionsmöglichkeiten, schätzt Betriebswirtschaftler Faust, werde „mit vielen hundert Milliarden Euro gewaltig“ bleiben. Dies werde weiter auch Trittbrettfahrer und unseriöse Anbieter anziehen.

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