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Erneuerbare Energien: Power der Mark

Kein Bundesland wirtschaftet so erfolgreich bei erneuerbaren Energien wie Brandenburg, kaum eines so schlecht wie Berlin. Große Hoffnungen liegen auf der Branche. Doch Finanzkrise und besorgte Bürger hemmen die Entwicklung.

In einem Spottlied von Rainald Grebe heißt es „Es ist nicht alles Lafayette, es ist meistens Lidl / kein Wunder das der Bogen nicht mehr fiedelt – in Brandenburg.“ In Berlin, singt er weiter, könne man so viel erleben, in Brandenburg soll es wieder Wölfe geben...

In dem Stück spiegelt sich das Selbstbild vieler Hauptstädter, die sich abgrenzen wollen von der vermeintlich rückständigen Provinz. Berlin gilt als flexibel, dynamisch und kreativ. Wenn es um die Bewältigung des Strukturwandels geht, müsste man diese Adjektive aber eher dem Umland zuschreiben. Denn im November veröffentlichten die Institute DIW und ZSW die bisher umfangreichste Vergleichsstudie aller 16 Bundesländer im Hinblick auf Nutzung und Potenzial der erneuerbaren Energien: Brandenburg erreichte dort den ersten Platz, vor dem traditionellen Sonnenland Baden-Württemberg und dem Windland Schleswig-Holstein. Berlin erreichte Platz 15.

Die Studie gewichtet durchaus die natürlichen Unterschiede beider Länder, etwa dass Berlin kaum Platz für Windräder hat (das einzige steht in einem Industriegebiet in Pankow). Auch gibt es in der Hauptstadt keine landwirtschaftlichen Betriebe, deren Tiere Mist für Biogasanlagen abwerfen. Grund für die Diskrepanz in den Ergebnissen ist die wirtschaftspolitische Ausrichtung. Die Forscher würdigten vor allem die „Energiestrategie 2020“ der Brandenburgischen Landesregierung, die sehr konkrete und ehrgeizige Ziele zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen benennt. Und Brandenburg baut zudem systematisch bürokratische Hemmnisse bei der Unternehmensansiedlung ab, weist über schnelle Raumordnungsverfahren geeignete Standorte aus. Berlin könnte das auch, und holt langsam auf – vor allem bei der Ansiedlung von Unternehmen aus der Photovoltaik-Branche.

Insgesamt zählt die Studie mit Verweis auf die Auskunftei Creditreform in Brandenburg 709 Unternehmen, die sich auf dem Gebiet der Erneuerbaren tummeln. Das entspricht 2,5 Prozent der Gesamtzahl aller Unternehmen. Längst totgesagte Standorte wie Frankfurt (Oder) erfahren durch Solarfirmen wie Conergy und First Solar neuen Aufschwung. In Berlin gibt es demnach 547 Unternehmen, was knapp einem Prozent aller Unternehmen entspricht (siehe Auswahl auf Karte).

Doch das Wachstum der Branche in der Region ist gefährdet durch die Finanzkrise, die den zum großen Teil fremdfinanzierten Projekten die Luft nimmt. Und durch Bürger: Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Forsa-Umfrage halten 91 Prozent der Deutschen den Ausbau erneuerbarer Energien für wichtig oder sehr wichtig – aber nicht vor der eigenen Haustür. In Brandenburg gibt es bereits Bürgerinitiativen, die sich gegen die Installation von Solarparks wehren, wie sie derzeit etwa auf stillgelegten Truppenübungsplätzen entstehen. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) kündigte unlängst bei einem Besuch des Windradherstellers Vestas an, mehr Überzeugungsarbeit zu leisten. „Die Debatten müssen wir offensiv führen, wir haben keine Alternativen“. Kevin P. Hoffmann

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