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Wirtschaft: Erst durchleuchtet, dann gegrillt

Nicht ein einziger Burger entkommt den strengen Sicherheitskontrollen für die Olympia-Sportler

Von Roger Thurow Die Krabben und Lachse bewegen sich im Schutze der Dunkelheit. Es ist weit nach Mitternacht, als sie ihre Reise von den Kühlhäusern zu den Büfetts der Olympischen Spiele antreten. Ihren ersten Stopp müssen sie an einer Röntgenmaschine einlegen, wo sie durchleuchtet werden wie Fluggepäck. Dann werden sie auf einen Lkw geladen, der mit einem starken Plastikband versiegelt wird. Der Code des Siegels enthält Informationen über die geplante Ankunftszeit an den Veranstaltungsorten.

Es folgt eine schnelle Fahrt zu dem jeweiligen olympischen Veranstaltungsort und einen weiteren Stopp, wo bewaffnete Sicherheitsmänner Spiegel unter den Lastwagen halten, die Seiten nach biologischer oder chemischer Verseuchung untersuchen sowie Führerhaus und Fahrer inspizieren. Schließlich wird das Siegel gebrochen und das Essen in einen anderen Kühlraum gebracht.

Bei Tagesanbruch werden die Krabben und Lachse bereit sein für die Athleten und die VIPs der Welt. Gleich Odysseus, dem sich auf seiner abenteuerlichen Heimreise vom Trojanischen Krieg viele Hindernisse in den Weg stellten, müssen auch alle Speiselieferanten auf ihrer Odyssee, die 80 offiziellen Veranstaltungsorte mit Essen zu versorgen, ihre Skylla und Charybdis überwinden. Unter dem Sicherheitsmantel, der jeden Aspekt der Spiele umgibt, entgeht kein Krümel Essen den Augen der Wachmänner. Weder der Pizzateig für die Cafeteria im Olympischen Dorf, noch das Steak und die Langusten, noch die Frikadellen und Sesambrötchen in den McDonalds-Restaurants.

Wenn Aufklärungsflugzeuge in der Luft, Raketenabwehrsysteme auf der Erde und Froschmänner im Wasser für Sicherheit sorgen, sollten Terroristen nicht Bomben unter Tomaten oder Schafskäse verstecken können.

Makis Fokas, der für die Organisation des leiblichen Wohls bei den Spielen verantwortlich ist, klingt, als hätte er eine massive Militäraktion durchzuführen. Er wedelt mit einem Stapel Strategiepapieren und zeigt, dass bei den Spielen Millionen Mahlzeiten serviert werden.

Bis jetzt, sagt er stolz, sei es zu keinem Zwischenfall gekommen, schon gar nicht mit seinem Essen. „Das ist die größte Herausforderung, die wir in Griechenland im Catering je hatten“, sagt er. Die Routen der Lkw und die Ankunftszeiten müssen 24 Stunden im voraus registriert sein. Das Führerhaus, in dem die Fahrer sitzen, muss während der Fahrt verschlossen sein, damit niemand unterwegs einsteigen kann. Fast alle Lieferungen werden zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens durchgeführt, wenn weniger Verkehr ist und die Bewegungen der Lkws besser verfolgt werden können. „Sonst würden die Lkws immer im Verkehr stecken bleiben“, sagt Fokas.

Die Köche des amerikanischen Catering-Unternehmens Aramark bereiten 102058 Kilo Meeresfrüchte, 83461 Kilo Huhn, 12496 Kilo Nudeln, 4082 Kilo Tofu und 3628 Kilo Kimchi, ein scharfes koreanisches Kohlgericht, zu. Außerdem versorgt es die Athleten aus 200 Ländern mit Sportlernahrung. „Die japanischen Athleten haben während der Spiele 100 Reiskuchen pro Nacht bestellt“, sagt Mike Crane von Aramark. „Sie haben uns gesagt, sie brächten Glück.“ In jeder Nacht hat Aramark acht bis 15 Lkw im Einsatz.

Die Fahrer müssen erst zu einem Depot fahren, wo die Lebensmittel verteilt werden. Dort hat man extra für die Olympischen Spiele einen gigantischen Durchleuchtungsapparat installiert. Nach dem Beladen muss der ganze Lkw das Gerät passieren und wird dann von Sicherheitskräften verschlossen. Das Gerät ist so programmiert, dass die Durchleuchtung vor dem Sitz des Fahrers endet. „Das Röntgen hat keine Auswirkung auf die Lebensmittel, nur auf das Budget“, sagt Herr Malamas von McDonalds. McDonalds hat etwa 100000 Euro für seinen eigenen Durchleuchtungsapparat ausgegeben, der in einem Lagerhaus außerhalb der Stadt installiert ist, um nicht durch das Anfahren einer anderen Station Zeit zu verlieren. Dennoch dauert der Ladevorgang dreimal so lange wie sonst.

Im Olympischen Dorf und in den Sponsorenzelten reihen sich die Hungrigen dagegen unbekümmert in die Schlange bei der Essensausgabe. Der amerikanische Schwimmer Michael Phelps, der sechs Goldmedaillen gewann, sagt, er habe am Tag nachdem seine Wettkämpfe vorbei waren, morgens, mittags und abends bei McDonalds gegessen. Und am nächsten Tag werde er wahrscheinlich wieder hingehen.Während er schlief, begann die Odyssee seiner Burger und Fritten.

Texte übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (Grasso), Svenja Weidenfeld (Olympia), Tina Specht (US–Recht), Matthias Petermann (Venezuela), Christian Frobenius (China).

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