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Wirtschaft: Erste Runde im Telekom-Prozess geht an die Kläger

Überraschender Prozessauftakt in Frankfurt: Richter rügt falsche Bewertungsmethoden für die Immobilien des Konzerns

Frankfurt am Main Die Deutsche Telekom hat nach einer ersten Einschätzung des Landgerichts Frankfurt bei der Bewertung ihrer Immobilien Fehler gemacht. In einer Erklärung zum Start des Prozesses tausender Aktionäre gegen den Konzern kritisierte der Vorsitzende Richter Meinrad Wösthoff das von der Telekom angewandte Verfahren, Grundstücke und Gebäude in Gruppen zu bewerten (Clusterverfahren). Er folgte dabei der Auffassung der klagenden Aktionäre, wonach die Telekom verpflichtet gewesen wäre, jede ihrer Immobilien im Vorfeld des Börsengangs einzeln zu bewerten. Aktionärsvertreter bewerteten den Auftakt positiv.

Damit ist der bisher größte Wirtschaftsprozess in der Geschichte der Bundesrepublik in Gang gekommen. Zwischen 15000 und 18000 Aktionäre werfen in mehr als 2200 Klagen dem Konzern vor, falsche und unvollständige Angaben im Börsenprospekt gemacht zu haben. Der Preis der T-Aktie lag bei der Emission der dritten Tranche im Sommer 2000 bei 66,50 Euro. Dann stürzte die Aktie ab. Die Kläger verlangen Schadensersatz für die erlittenen Kursverluste. Das Gericht schätzt die Gesamtsumme auf bis zu 200 Millionen Euro. Neben der Telekom werden auch der Bund und die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau als Großaktionäre der Telekom, sowie die Deutsche Bank, die den Börsengang federführend begleitet hatte, von den Aktionären beklagt.

Um der Klageflut Herr werden zu können, hatte Wösthoff, Vorsitzender Richter der siebten Kammer für Handelssachen, zunächst zehn Pilotverfahren ausgewählt, die mustergültig alle wesentlichen Aspekte der Klagen bündeln. Einer der wichtigsten: die Immobilienbewertung. „Ich habe große Schwierigkeiten mit dem Clusterverfahren“, sagte Wösthoff. Allerdings ist nach Ansicht des Richters damit noch offen, ob das Verfahren zu einer überhöhten Bewertung der Immobilien führte, die auch zum Börsengang im Jahr 2000 noch relevant war. Die Telekom hatte 1994 vor der Umwandlung zur Aktiengesellschaft in wenigen Monaten 35000 Immobilien zu bewerten. Dabei taxierte sie entgegen den Vorschriften des Handelsgesetzes die Immobilien in Gruppen und nicht jedes Grundstück einzeln. Die Methode führte praktisch über Nacht zu einer Höherbewertung der Immobilien von 23 Milliarden auf 36 Milliarden Mark. Ein Betrag von 2,8 Milliarden Euro wurde später wieder abgeschrieben.

„Die Position zum Clusterverfahren ist schon mal ein großes Plus“, sagte Anlegeranwalt Ralf Plück. Auch Anwalt Klaus Rotter meinte: Der Richter „ist uns in dem wesentlichsten Punkt gefolgt“. Dagegen bewertete der Chef der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), Klaus Schneider, die Erfolgschancen der Kläger zurückhaltend. Die Sachlage sei sehr verworren und es sei fraglich, wie diese Mammutaufgabe bewältigt werden könne.

Es zeichnete sich ab, dass auf die Kläger äußerst kostspielige Beweisgutachten zukommen. Der Nachweis, dass die Immobilien zu hoch bewertet worden seien, würde 17 Millionen bis 20 Millionen Euro teuer werden, schätzen die Kläger. Auch verlangte der Richter zusätzliche Beweise, dass die Kaufverhandlungen mit der US-Mobilfunkfirma Voicestream schon so weit gediehen waren, dass sie gefahrlos im Prospekt hätten erwähnt werden können. Die Aktionäre werfen der Telekom vor, sie hätte den bevorstehenden Kauf in Höhe von mehr als 50 Milliarden Dollar im Prospekt erwähnen müssen.

Die teuren Gutachten können sich die Kläger nur leisten, wenn die Kosten gleichmäßig auf alle verteilt werden. Doch die in der Zivilprozessordnung vorgesehene Möglichkeit, Verfahren zu verbinden, lehnte Wösthoff angesichts der vielen Fälle ab. „Das ist aus Praktikabilitätsgründen nicht machbar“, sagte er. Er setzt auf das von der Bundesregierung geplante Gesetz, das Musterverfahren erlaubt. Entsprechend setzte er den nächsten Verhandlungstermin auf den 21. Juni 2005 fest. hus/HB/Tsp

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