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Wirtschaft: Erstmals seit der Einheit wird weniger verdient

Löhne sind 2005 um ein halbes Prozent gesunken

Berlin/Frankfurt am Main - Erstmals seit der Wiedervereinigung haben die Beschäftigten in Deutschland weniger verdient als ein Jahr zuvor. Die Arbeitnehmerentgelte, also die Summe von Löhnen, Gehältern und Sozialbeiträgen der Arbeitgeber, fielen 2005 gegenüber dem Vorjahr um 0,5 Prozent auf 1129 Milliarden Euro, sagte am Donnerstag Johann Hahlen, Präsident des Statistischen Bundesamtes, in Frankfurt am Main. Die Gewinne von Unternehmern und Kapitalbesitzern stiegen dagegen um 6,1 Prozent auf 556 Milliarden Euro. Derweil stagnierte das Wirtschaftswachstum im vierten Quartal. Im gesamten Jahr 2005 gab es einer ersten Schätzung zufolge ein Plus von real 0,9 Prozent. Die Gesamtsumme der erwirtschafteten Güter und Dienstleistungen wuchs auf 2244 Milliarden Euro.

Da im vergangenen Jahr weiterhin reguläre Stellen abgebaut wurden und zahlreiche Menschen in Mini- oder Ein-Euro- Jobs arbeiteten, hatte sich ein Rückgang der Arbeitnehmerentgelte bereits abgezeichnet. In der Folge hielten sich die Bürger beim Konsum deutlich zurück – die Ausgaben stagnierten auf dem Niveau des Vorjahres, und die Sparquote erreichte mit 10,6 Prozent den höchsten Stand seit 1995. Dagegen profitierten die Unternehmen von der starken Nachfrage nach deutschen Produkten aus dem Ausland. Der Export wuchs um 6,2 Prozent und stand damit für rund 80 Prozent des deutschen Wohlstandsgewinns.

„Das Wirtschaftswachstum war moderat, aber nicht stabil“, urteilte Behördenchef Hahlen. Ein breit angelegtes und sich selbst tragendes Wachstum sei nicht zu beobachten gewesen. Zwar deuten derzeit viele Konjunkturindikatoren auf einen Aufschwung – im vierten Quartal dürfte die Wirtschaftsleistung aber nur „unter 0,4 Prozent“ im Vergleich zum Vorquartal gewachsen sein. Genaue Zahlen kann das Amt derzeit noch nicht nennen. Hahlen führt die Stagnation vor allem auf die hohen Energiepreise zurück.

2006 soll indes ein besseres Jahr für die Konjunktur werden. „Die Frühindikatoren verheißen eine kräftige Belebung, daran ändert auch das schwache vierte Quartal des letzten Jahres nichts“, sagte Ulrich Kater, Chefökonom der Deka-Bank, dieser Zeitung. Dafür sprächen die Belebung bei den Investitionen und die guten Zahlen zum Auftragseingang. Ab Mitte des Jahres werde dann auch die Binnennachfrage spürbar anziehen – vor allem wegen der Weltmeisterschaft und der 2007 steigenden Mehrwertsteuer. „Wir werden die Verbesserung vor allem auf dem Jobmarkt spüren, im Schnitt wird es 200 000 Arbeitslose weniger geben“, prognostizierte er. Von einem Wachstumsboom wie in den fünfziger oder in den siebziger Jahren könne aber voraussichtlich keine Rede sein.

Auch Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) äußerte sich optimistisch. „Jetzt kommt es darauf an, dass die Zuversicht wächst und der Funke endgültig auf die Binnenkonjunktur überspringt“, sagte er in Berlin. Die Zeichen hierfür stünden gut. C. Brönstrup/R. Obertreis

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