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Wirtschaft: „Es darf keine geheimen Abmachungen geben“

Connex-Chef Hans Leister über den Wettbewerb auf der Schiene, die Liberalisierung des Netzes und die Deutsche Bahn AG

Herr Leister, was muss die neue Bundesregierung tun, damit mehr Leute auf die Eisenbahn umsteigen?

Der Bund muss weiterhin in die Modernisierung des Schienennetzes investieren. Hier gibt es noch großen Nachholbedarf. Außerdem müssen gleiche Bedingungen für Bahn, Straße und Luftverkehr gelten. Das heißt, dass beispielsweise beim Gütertransport die Trassengebühren auf der Schiene nicht ungerechtfertigt höher sein dürfen als die weitergereichten Infrastrukturkosten beim Lastwagen. Oder dass Eisenbahnen bei der Mineralölsteuer genauso behandelt werden müssen wie Flugzeuge und Binnenschiffe. Und schließlich muss es mehr Wettbewerb auf der Schiene geben. Bislang hat die Deutsche Bahn nahezu ein Monopol.

Hat die rot-grüne Regierung zu wenig für die Liberalisierung getan?

Der Wettbewerb auf der Schiene hat sich in den vergangenen Jahren nur sehr langsam entwickelt. Sie müssen sich nur die Zahlen ansehen. Im Schienen-Nahverkehr hat die Deutsche Bahn einen Marktanteil von 97 Prozent des Fahrgastaufkommens, im Schienen-Fernverkehr sind es fast hundert Prozent. Zudem beherrscht der Konzern die Infrastruktur. Das ist nach den Kategorien der Wettbewerbsrechtler absolute Marktbeherrschung und führt zu einem gravierenden Mangel an Kundenorientierung und Innovation und zur Fehlsteuerung des Systems Schiene. Mehr Wettbewerb wird mehr Verkehr auf die Schiene bringen und damit zugleich Verbrauchern und Umwelt nutzen.

Hat sich die alte Regierung zu sehr vom Management der Bahn vereinnahmen lassen?

Die Deutsche Bahn AG ist ein Staatsunternehmen, deshalb nimmt die Bundesregierung Rücksicht auf das Unternehmen und begünstigt es in vielen Bereichen.

Der Deutschen Bahn gehört das Gleisnetz. Behindert das die kleinen Anbieter?

Ja, hier muss sich wesentliches ändern.

Sollte die neue Regierung den Bahn-Konzern zerschlagen?

Die Herauslösung des Netzes aus der Bahn, wie sie in der Diskussion war, wäre keine gute Lösung. Aus meiner Sicht soll ein starkes, aber im Wettbewerb neutrales Unternehmen Deutsche Bahn AG erhalten bleiben, das die Schienen-Infrastruktur verwalten würde, ebenso wie Bahnhöfe, Werke und alle anderen Einrichtungen, die von allen Verkehrsunternehmen genutzt werden können. Ein solcher Dienstleister, der alle Verkehrsunternehmen fair und gleich behandelt, ob sie aus dem heutigen Konzern kommen oder ob es sich um andere Bahnen handelt, würde das Gesamtsystem für Investoren und Nutzer so attraktiv machen, dass mehr Verkehr auf die Schiene kommt. Der Großteil der heutigen Bahn-Beschäftigten könnte so als Dienstleister für alle Eisenbahn-Unternehmen tätig sein.

Und der Rest der Bahn wird privatisiert?

Das wäre vorstellbar, denn es nicht Aufgabe des Staates, auf Dauer Personen- und Güterverkehr zu betreiben. Nur die Infrastruktur sollte in einem Dienstleistungsunternehmen Deutsche Bahn AG beim Staat bleiben. Dass man die Schienenwege nicht an der Börse verkaufen darf, hat das Beispiel Großbritannien gezeigt.

Wird Connex von der Deutschen Bahn diskriminiert?

Im täglichen Betrieb funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Netzbetreiber und privaten Verkehrsunternehmen. Hin und wieder streiten wir uns über Detailprobleme, das ist normal. Hinzu kommen aber strukturelle Wettbewerbsprobleme: Die Bundesländer bestellen bei der Deutschen Bahn den größten Teil des Nahverkehrs auf der Schiene ein, und zugleich bestimmt die Deutsche Bahn, welche Schienenstrecken mit Milliarden Bundesmitteln modernisiert werden und welche Länder dabei Priorität erhalten. Beide Bereiche werden in den Verhandlungen verknüpft. Damit kann die Deutsche Bahn den Ländern Bedingungen stellen.

Der Bund hat jüngst eine Verordnung verabschiedet, die die Bahn vor Wettbewerb schützt. Sollte die neue Bundesregierung diese Maßnahme wieder kassieren und den Wettbewerb schneller öffnen?

Bei der Vergabe von Nahverkehrs-Leistungen gilt nun grundsätzlich das Wettbewerbsrecht, allerdings können die Länder Aufträge noch bis zum Jahr 2014 freihändig ohne Ausschreibung vergeben. Sie müssen nur Teilnetze schrittweise in den Wettbewerb bringen. Diese Liberalisierung dauert zu lange, man sollte den Wettbewerb schneller einführen. Die neue Verordnung ist zwar eine Grundlage. Ich hoffe aber, dass der Bundesrat noch wichtige Änderungen erreicht

Wird nur die Deutsche Bahn profitieren, oder wird Connex auch etwas davon haben?

Das hängt von den Ländern ab – wenn sie die neue Verordnung nur als Mittel begreift, um langfristige Verträge mit der Deutschen Bahn abschließen zu können, wäre das schade. Wir hoffen, dass die Verkehrsminister der Länder die Möglichkeiten und Chancen des Wettbewerbs erkennen. In jedem Fall ist uns wichtig, dass die Verkehrsverträge transparent machen, wann Wettbewerb auf einzelnen Teilnetzen eingeführt wird. Es darf keine Geheim-Abmachungen im stillen Kämmerchen geben. Darauf werden wir genau achten.

Wie wird der Bahn-Markt hier zu Lande in fünf Jahren aussehen – Bleibt es weiterhin bei der Vormachtstellung der Deutschen Bahn, oder können sich die Privaten etablierem?

Wir haben im Moment erst drei Prozent Marktanteil beim Nahverkehr auf der Schiene, der Rest ist in der Hand von kleinen Staatsbahnen und vor allem dem Bahn-Konzern. Doch ich vermute, dass bald mehrere große Anbieter nach Deutschland kommen werden, die derzeit noch einen Bogen um das Land machen, und sich vielleicht auch neue deutsche Anbieter bilden. In zehn Jahren wird es hoffentlich in ganz Europa zum einen staatliche Netzgesellschaften, zum anderen transnationale Verkehrsunternehmen geben, die im Wettbewerb stehen, genauso wie heute Fluggesellschaften.

Sie versuchen seit März, der Bahn mit dem Interconnex im Fernverkehr zwischen Gera, Berlin und Rostock Konkurrenz zu machen. Klappt das?

Wir sind nicht angetreten um der Deutschen Bahn AG Konkurrenz zu machen. Unser Ziel ist es, neue Kunden auf die Schiene zu bekommen. Und das klappt. Im August hat uns zwar das Elbe-Hochwasser für kurze Zeit gezwungen, auf Busse umzusteigen. Aber jetzt läuft der Verkehr wieder gut. Der Zug ist mit mehr als 60 Prozent ausgelastet und somit rentabel. Im Juli mussten viele Fahrgäste sogar stehen, so groß war der Andrang. An Spitzentagen haben wir nun drei statt zwei Triebwagen im Einsatz, und vier von zehn unserer Kunden wären ohne Interconnex mit dem Auto gefahren.

Planen Sie weitere neue Strecken?

Wir überlegen, ab Frühjahr einen Interconnex von Rostock über Bitterfeld und Kassel nach Köln fahren zu lassen. Die Planungen laufen noch. Für weitere Verbindungen fehlen uns derzeit die Fahrzeuge, erst im übernächsten Fahrplan ab Dezember 2003 können wir voraussichtlich neue Angebote machen.

Im Dezember führt die Bahn ein neues Preissystem ein. Fürchten Sie, dass die Bahn Connex unterbieten wird und Sie aus dem Markt drängt?

Nein, ein Preiskampf macht wenig Sinn. Wir haben unterschiedliche Preis- und Vertriebssysteme und ergänzen uns gut. Die Bahn ist ja nicht unser einziger Wettbewerber, wir konkurrieren ja auch mit dem Auto. Dort gibt es noch Tausende potenzielle Connex-Kunden.

Und wenn die Bahn doch einen Preiskampf beginnt? Sie hat vor kurzem mit einem „flexiblen Pricing“ gedroht, falls Wettbewerber ihr zu sehr auf die Pelle rücken sollten.

Marktbeherrschenden Unternehmen ist in unserer Wirtschaftsordnung nicht alles erlaubt. Daher würden wir uns in einem Fall von Dumping auf Strecken, auf denen wir Wettbewerb aufbauen, beim Bundeskartellamt melden. Übrigens: Die Lufthansa hat in einem ähnlichen Fall schon einmal üble Erfahrungen gesammelt.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup.

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