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Bruchlandung oder Höhenflug? Ob die Geschäftsidee funktioniert, hängt stark von der Vorbereitung ab. Stiftung Warentest hat Existenzgründerseminare unter die Lupe genommen. Vor allem der Businessplan und eine persönliche Beratung sind wichtige Themen. Foto: ddp

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Wirtschaft: Es geht um die Existenz

Eine Gründung ist für viele ein Traum. Damit es gelingt, gibt es Kurse und Beratungen – man muss sie nur nutzen.

Es tut immer noch weh. Deshalb meidet Stefanie Weber das kleine Kreuzberger Ladengeschäft normalerweise. Die 30-Jährige, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, hat den schmalen Raum vor ein paar Jahren gemietet, hellblau angestrichen und mit Nierentischen und alten Sesseln möbliert. Das blau an den Wänden ist längst verschwunden, die Sessel haben schweren Holzmöbeln Platz gemacht. Stefanies Nachfolger verkauft Fast-Food. „Es ist alles schief gegangen, ich bin mit viel Leidenschaft, aber leider ahnungslos in die Gründung gerast.“ Als sie das Projekt zwei Jahre später wieder aufgibt, weiß sie mehr über Steuern, Konkurrenten und über die schwere Müdigkeit nach einem Arbeitstag, an dem kaum Kunden ihr Café betreten haben. Und darüber, wie schnell Ersparnisse schrumpfen – und Schulden wachsen.

Die 30-Jährige hat viele Chancen einfach ignoriert. Denn es gibt bundesweit ein riesiges Angebot für Menschen, die eine Existenzgründung planen. Im gerade von der Stiftung Warentest veröffentlichten Vergleich schneiden die Berliner Kurse unterschiedlich gut ab: Dem „Gründer-Unternehmer-Zentrum“ etwa bescheinigten die Tester eine sehr hohe Qualität in der Kursdurchführung, eine„starke Orientierung an den Teilnehmern und sehr hohe inhaltliche Qualität.“ Der Kurs der Harri-Reinert-VHS Spandau wird als „sehr strukturiert“ beschrieben, die Qualität der Durchführung insgesamt als „hoch“ bewertet. Abstriche gibt es jedoch bezüglich der organisatorischen Qualität und der schlechten Medientechnik.“

„Sehr niedrig“ lautet hingegen das Urteil zur Kursdurchführung an der VHS Friedrichshain-Kreuzberg. Viele Fragen seien offen geblieben, da der Dozent nicht ausreichend geantwortet habe. Und auch die Gründerpersönlichkeit und der Businessplan seinen zu knapp behandelt worden. Studienleiter Michael Cordes rät angehenden Gründern, sich zunächst im Internet über die Angebote zu informieren, zum Beispiel auf Gründerportalen.

Die wichtigsten Aspekte, die ein Existenzgründerkurs bieten sollte, hat die Stiftung Warentest in einem Leitfaden zusammengefasst: Ein Basiskurs sollte demnach mindestens 20 Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten dauern – und zwischen zehn und 15 Teilnehmer versammeln. Ein guter Dozent vermittelt, welche Voraussetzungen angehende Gründer mitbringen müssen, und wie sich ihr Leben durch diesen Schritt verändern wird. Am Ende sollte die Erkenntnis stehen, welche Schritte als nächstes zu tun sind, und wo es weitere Beratung gibt.

Cordes weist darauf hin, dass Existenzgründerkurse keine Einzeltrainigs sind – und dass es ein Problem sein kann, wenn der Informationsbedarf der Teilnehmer weit auseinander geht.

„Die Kurse helfen dabei, früh einen Überblick über alles zu bekommen“, sagt Cordes. Die Teilnehmer lernen, was ein Businessplan ist, wo sie Fördermittel beantragen können und welche kaufmännischen Kenntnisse sie brauchen.

Einen Existenzgründerkurs hat Timo Krüger nie besucht. Er hat auf die Einzelberatung gesetzt, und auf Menschen, die in ihrem Tätigkeitsfeld„alte Hasen“ sind. Sein Unternehmen, die Fiagon GmbH, hat ein Navigationssystem entwickelt, das Chirurgen während der Operation die Arbeit erleichtern soll. Das „Körper-Navi“ zeigt den Chirurgen die genaue Lage von Blutgefäßen, Nerven und Adern an. Die Daten dazu kommen von Röntgenbildern oder Computertomographien des Patienten.

Mitte November hat der Business Angels Club Berlin-Brandenburg (BACB)Timo Krüger mit dem Unternehmerpreis 2012 ausgezeichnet und damit die „hervorragende Leistung bei Gründung und Aufbau“ seines Unternehmens gewürdigt. Krüger hat seit dem Markteintritt auf die Unterstützung von Business Angels gesetzt. Als er Kontakt zu dem Club suchte, war sein Unternehmen bereits gegründet, und Krüger hatte ein Jahr an der technischen Umsetzung gefeilt. Er mache das immer so, löse ein Problem nach dem anderen. „Dann habe ich nach Finanzierungsquellen gesucht, und nach Leuten, die mir weiterhelfen können.“

Auf Veranstaltungen des BACB sprach er die Mitglieder an. Krüger fand insgesamt sechs verschiedene Berater, die ihn in unterschiedlichen Bereichen unterstützten. Die wirtschaftlich erfahrenen Engel haben auch in sein Unternehmen investiert – und Krüger nicht nur von ihrer Lebenserfahrung, sondern auch von ihren Kontakten profitieren lassen. „Bei einer solchen Zusammenarbeit muss natürlich die Chemie stimmen, ich muss den Beratern vertrauen können“, sagt der 36-Jährige. „Durch die Business Angels ist mein Unternehmen sicherlich schneller gewachsen.“

Besonders viele Unternehmen werden von Migranten gegründet. Laut einer Studie des Bundeswirtschaftsministeriums wurden 2009 rund 130 000 Gewerbebetriebe von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft angemeldet. Damit war diese Gruppe 2009 dreimal so gründungsfreudig wie Menschen mit einem deutschen Pass. Allerdings scheitern Migranten in diesem Prozess fast dreimal so häufig wie Deutsche. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim (IFM):

Anbieter wie das Bildungswerk Kreuzberg (BWK) versuchen, durch Existenzgründerkurse diese Bruchlandungen zu reduzieren. Dabei arbeitet das BWK mit verschiedenen Vereinen zusammen (siehe Kasten). „Das senkt die Hemmungen der Teilnehmer, sich Unterstützung zu holen“, sagt Jan Slingerland, der beim BWK die Existenzgründerkurse für Migranten betreut. Denn viele Menschen würden sich wegen geringer Sprachkenntnisse nicht trauen, diese Angebote zu nutzen. In den Kursen bekommen die angehenden Gründer zum Beispiel Informationen zum Umgang mit Behörden, Banken und Versicherungen. „Wir holen auch Bankberater in die Kurse“, sagt Slingerland. Denn bei Migranten laufe die Finanzierung oft über die Familie. Wenn dann Geld nachgeschossen werden müsse, drohe schnell die Insolvenz. Ein wichtiger Aspekt ist für Slingerland auch die Frage, ob die Teilnehmer überhaupt „eine Gründerpersönlichkeit“ haben, ob ihnen diese Aufgabe also tatsächlich liegt. Er empfiehlt den angehenden Gründern auch, auf jeden Fall einen Businessplan zu schreiben - weil man sich dabei noch einmal kritisch mit der eigenen Geschäftsidee auseinandersetzt.

Das hat auch Stefanie Weber versäumt. Die 30-Jährige arbeitet inzwischen wieder in einer Festanstellung im Einzelhandel. Vom „Chefin-Sein“ träume sie aber immer noch. „Beim nächsten Versuch würde ich mich aber besser vorbereiten – und mir eine Mitstreiterin suchen.“ Bis dahin muss sie aber erst einmal ihre Schulden abbezahlen.

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