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Wirtschaft: „Es ist schwer, in Berlin Geld zu verdienen“

Berlins IHK-Präsident Werner Gegenbauer über die Attraktivität der Stadt, die Bankgesellschaft und den rot-roten Senat

Herr Gegenbauer, wo stünde Berlin heute, wenn die Stadt nicht Hauptstadt geworden wäre?

Berlin stünde deutlich schlechter da – und deutlich besser, wenn der Hauptstadtbeschluss zügig umgesetzt worden wäre. Alles in allem können wir alle dankbar sein, dass es 1991 im Bundestag mit 337 zu 320 Stimmen für Berlin ausgegangen ist. Dabei hatte damals ja kaum jemand realisiert, wie existenziell das für die Stadt sein würde.

So viel gebracht hat es schließlich nicht, die Berliner Wirtschaft kommt seit zehn Jahren nicht von der Stelle.

Das stimmt nicht. Berlin ist eine große Stadt mit vielen Gesichtern und vielen Wahrheiten. Es ist ja richtig, dass wir bei Wachstum und Arbeitslosigkeit nicht gut aussehen. Das ändert aber nichts daran, dass Berlin in Deutschland die attraktivste Stadt ist.

Woran merken Sie das?

An den Besucherzahlen. Bei Reisenden aus dem In und Ausland ist Berlin unverändert beliebt. Wir sind das drittgrößte Reiseziel in Europa.

Aber wo ist die Aufbruchstimmung geblieben, die es vor zwei Jahren noch gab?

Das hat etwas mit der New Economy, mit dem Neuen Markt zu tun – und mit dem Platzen der Blase. Für viele Unternehmer der New Economy war Berlin der Tummelplatz, deshalb tut hier der Einbruch der Internetwirtschaft besonders weh.

DIW-Präsident Klaus Zimmermann vermisst in der Berliner Wirtschaft Profil und Perspektive und spricht von „Zweitklassigkeit“.

Das ist übertrieben. Ein konsequenteres Vermarkten und die Konzentration auf Schwerpunktbereiche würde uns das Leben sicher einfacher machen. Aber wir leben in einem faszinierenden Schmelztiegel mit einer hohen Anziehungskraft auf Kreative. Deshalb kommen ja Universal Music und MTV nach Berlin. Die Kritik von innen ist im Übrigen viel schärfer als von außen, wo man die Stadt mit größerer Wertschätzung sieht.

Trotz Bankendesaster und Haushaltsnotstand?

Ja. Wobei natürlich in anderen Bundesländern sehr genau beobachtet wird, wie die Berliner Finanzpolitik ihre Probleme zu lösen versucht. Die Finanzen zählen zu den Schwächen der Stadt, alles was mit Kultur und Wissenschaft zu tun hat, mit Tourismus und Messen, gehört zu den Stärken.

Und die Industrie?

In einer Stadt mit mehr als drei Millionen Einwohnern gehört die natürlich dazu. Die Industrie in Berlin ist deutlich geschrumpft, aber sie ist inzwischen wieder quicklebendig. Allein von Dienstleistungen kann niemand leben. Wir werden aber nennenswerte Ansiedlungen im industriellen Bereich nur mit Brandenburg gemeinsam erreichen. Auch deshalb brauchen wir die Länderfusion.

Und wann kommt die?

Wenn es nach mir ginge, am nächsten Wochenende. Ich bin sicher, dass der nächste Anlauf klappt, weil diesmal die PDS und ihre Klientel einbezogen sein wird. 1996 war das nicht der Fall, und gegen ein Drittel der Bevölkerung kann man das nicht durchziehen.

Wie relevant ist die Länderfusion für die Wirtschaftsentwicklung?

Natürlich wird dadurch vieles erleichtert, auch die Kostenersparnis durch die Zusammenlegung von zwei Parlamenten und Administrationen ist nicht zu vernachlässigen. Aber wir sollten das ebenso wenig überschätzen wie die Bedeutung von Politik insgesamt. Manchmal habe ich den Eindruck, als ob ein Teil der Unternehmerschaft die Politik sucht, damit die Politik ihr Geschäft betreibt. Das haut nicht hin.

Der Einfluss der Politik wird überschätzt?

Natürlich geht es um saubere Rahmenbedingungen und um Unterstützung. Jeder, der in Berlin etwas unternehmen will, sollte auch von der Politik signalisiert bekommen, dass er willkommen ist.

Ist das der Fall?

Zumeist ja, obwohl eine rot-rote Regierung außerhalb Berlins schwer zu vermitteln ist; das betrifft aber vor allem das Inland, Ausländer haben da kaum Probleme.

Wie bewerten Sie die Senatspolitik?

Es ist ja schon ein Wert für sich, wenn wir mal über einen längeren Zeitraum keinen Regierungswechsel haben. In wenigen Jahren gab es vier Wirtschaftssenatoren, das bedeutet wechselnde Positionen, Herangehensweisen, Ansprechpartner und Aufsichtsratsvorsitzende in diversen Unternehmen. Die Wirtschaft braucht aber Berechenbarkeit, man muss wissen, was einen erwartet.

Sind Sie zufrieden mit Rot-Rot?

Bedingt. Auf viele Fragen gibt es noch immer keine Antworten: Welche wirtschaftlichen Schwerpunkte sollen gesetzt werden, was passiert in der Kultur und der Wissenschaft? Ferner ist das permanente Infragestellen von Institutionen nicht hilfreich. Manchmal vermittelt der Senat den Eindruck, als glaube er, die Legislaturperiode sei doppelt so lang, als sie tatsächlich ist.

Es geht zu langsam voran?

Häufig wird versucht, eine Richtung noch zu verändern, auf die sich eigentlich alle geeinigt hatten. Das ist unsere Schwäche.

Macht die Wirtschaft genug Druck auf die Berliner Politik?

Es gibt Kernforderungen von unserer Seite, dazu gehört der Flughafen, der Bürokratieabbau oder Privatisierungen, die tragen wir gebetsmühlenartig vor. Zum Beispiel Privatisierung: Die Unternehmensberatung A.T. Kearny hat in Berlin ein Privatisierungsvolumen von zig Milliarden Euro errechnet. Dabei geht es überhaupt nicht um das Verscherbeln von Tafelsilber. Es geht schlicht darum, dass die Politik nicht über die Instrumente und Mechanismen verfügt, die für die Führung eines Unternehmens erforderlich sind. Ein Wohnungsunternehmen sollte nicht von Parteitagsbeschlüssen beeinflusst werden.

Glauben Sie noch an die Privatisierung der Bankgesellschaft?

Aus der Politik heraus eine Privatisierung vorzunehmen ist äußerst schwierig. Es gibt permanent Sperrfeuer, das verunsichert natürlich Investoren. Je länger ein Übernahme- oder Fusionsprozess dauert, desto unwahrscheinlicher wird es, dass es klappt.

Was passiert dann mit der Bank?

Wichtig ist, dass die Bankgesellschaft endlich aus den Schlagzeilen kommt und wieder ihren Geschäften nachgehen kann. Wenn nicht privatisiert wird, bekommt man niemals die Themen raus, die öffentlichen Bezug haben – und dann nimmt die Bank weiteren Schaden.

Gibt es weitere Privatisierungsobjekte?

Wäre es nicht besser für die Bürger, wenn der Müll in zwölf Bezirken von zwölf Unternehmen und nicht von einem Monopolisten entsorgt würde? Und muss jemand, der die Straße fegt, dem öffentlichen Dienst angehören? Kann man da nicht auch eine Ausschreibung machen, um ein bisschen Wettbewerb zu bekommen?

Und warum werden all diese Fragen nicht in Ihrem Sinne beantwortet?

Weil die Köpfe nicht frei sind. Viele meinen, Privatisierung bedeute Zwangsverkauf von Tafelsilber, um Geld in die Kasse zu bekommen. Es geht aber gar nicht darum. Privatisierung bedeutet Wettbewerb; dann haben wir Marktteilnehmer und das Aufbrechen von verkrusteten Lieferantenbeziehungen. Und eine Stadt die im Umbruch ist und privatisiert, zieht Unternehmertypen an.

Berlin ist im Umbruch, trotzdem gibt es nicht genügend Investoren.

Es ist schwer, in Berlin Geld zu verdienen, weil die Kaufkraft nicht sonderlich gut ist. Und weil wir kein Geld in der Landeskasse haben, müssen wir auf was anderes bauen. Vor allem günstige Büroflächen werden uns beim nächsten Aufschwung sehr helfen. Wettbewerbsfähig sind wir bei Gewerbemieten, Infrastruktur und Arbeitskräften.

Der nächste Aufschwung ist nicht in Sicht. Der IHK-Geschäftsklimaindex steht auf erbärmlichen Niveau.

Wirtschaft hat etwas mit Psychologie zu tun. Und was sich in den letzten Jahren in Berlin und in den letzten Monaten in der Bundesregierung getan hat, das verunsichert Unternehmer und Verbraucher. Und wenn in einer Stadt, deren Wirtschaftskraft bescheiden ist, auch noch die öffentliche Nachfrage stark rückläufig ist, dann ist das eine ganz schwierige Situation. Viele Firmen haben einen Auftragsanteil von einem Drittel aus dem öffentlichen Bereich. Auch Handel und Gastronomie haben ein schweres Jahr hinter sich. Aber die freuen sich jetzt über die Änderungen beim Ladenschluss und den Minijobs.

Sind das die lang erwarteten Aufbruchsignale der Bundesregierung?

Das kann sein, weil das wirklich dem kleinen Mittelständler was bringt. Denn bis der das Hartz-Modell versteht, sind zwei Jahre vergangen. Mit den Minijobs können dagegen sehr schnell neue Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden. Wer einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer einstellt, muss um die 64 Formulare ausfüllen. Das entfällt bei den Minijobs. Es ist im Übrigen der größte Fehler der Bundesregierung, dass sie die sozialversicherungspflichtige Arbeit immer teurer gemacht hat.

Herr Gegenbauer, zum 1. Januar bekommt die IHK eine neue Führung. Was erwartet sich der Präsident davon?

Wir brauchen eine Aufgabenkritik und eine Fokussierung auf bestimmte Bereiche. Mit einer schlanken Führungsmannschaft wollen wir den größtmöglichen Nutzen für unsere Unternehmen erreichen. Und da auch wir mit sinkenden Einnahmen leben müssen, haben wir dem mit unseren Strukturen und Kosten Rechnung zu tragen.

Bis Mitte 2004 sind Sie noch IHK-Präsident. In welcher Verfassung wird sich dann die Berliner Wirtschaft befinden?

Das hängt davon ab, ob national und international die Konjunktur anspringt. Zweitens müssen wir aufpassen, dass wir die Stärken der Stadt nicht zu Schwächen machen: Tourismus, Kultur, Wissenschaft. Tourismus ist ganz wichtig, weil wir so das Etikett einer internationalen Stadt behalten können. Wir müssen uns was ausdenken, um in der Weltöffentlichkeit zu bleiben. Dazu brauchen wir eine Politik, die verlässlich mit dem Geld umgeht und die nicht Sparen zum Selbstzweck erklärt. Denn ohne Investitionen in ihre Stärken wird diese Stadt nicht weiterkommen.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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