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Wirtschaft: Es läuft noch wie geschmiert 1990 23,68 $ 1998 12,76 $ 1992 19,31 $ 1994 15,82 $ 1996 20,66 $ 2000 28,41 $

Öl wird täglich teurer – doch bisher lässt das Privathaushalte und Wirtschaft kalt

50 Dollar für 159 Liter Öl? Selbst als im Frühjahr 2003 der Irakkrieg kurz bevor stand, hielten nur wenige Experten das für realistisch. Sie rechneten mit allenfalls 40 Dollar pro Barrel – und das auch nicht für einen längeren Zeitraum. Anderthalb Jahre später sieht die Lage ganz anders aus. Seit Wochen hält sich der Preis an der New Yorker Börse über der Marke von 50 Dollar. Und schaut man auf die Preise, die dort für längerfristige Kontrakte zurzeit gezahlt werden, dann kostet Öl bis in den kommenden Frühsommer hinein mehr als 50 Dollar. Erst Ende 2008 wären wieder Preise von rund 40 Dollar zu sehen, sagen manche Experten. Deren Prognosen, wie sich die Notierungen tatsächlich entwickeln werden, liegen weit auseinander – zwischen 20 Dollar und höheren Preisen als heute.

Wird die Marke von 50 Dollar tatsächlich in den nächsten Jahren nicht unterschritten, dann müssen alle – Wirtschaft, Börsen, die Verbraucher oder die Energieerzeuger – ihre Pläne für die Zukunft überdenken (siehe die Einzelbeiträge). Veränderungen würden sich – im wahrscheinlichsten Fall – aber nur langsam durchsetzen, sagt Zukunftsforscher Pero Micic. Horst Geschka, Professor von der TU Darmstadt, der zurzeit zusammen mit dem Institut für Mobilitätsforschung die Auswirkungen von teurem Öl untersucht, sieht das genauso: „Selbst bei 60 Dollar für Rohöl würde sich nichts sofort dramatisch ändern.“

Trotzdem: Durch höhere Ölpreise werde jede regenerative (Sonne, Wind, Wasser, Biosprit) oder alternative (Flüssigas) Energie lohnender und das Verhalten der Menschen etwas nachhaltiger, sind sich Micic und Geschka einig. Bloß bis der Sinneswandel breite Wirkung entfaltet, dauere es seine Zeit, sagt Micic. In den nächsten zwei Jahrzehnten sei zum Beispiel eine starke Zunahme des Individualverkehrs – insbesondere per Auto – zu erwarten, und das nicht nur in Schwellenländern wie China, sondern auch in Deutschland. „Die Menschen sind sehr leidensfähig, vielleicht sogar ignorant. Schauen Sie nur auf den gestiegenen Benzinpreis“, sagt Micic. Einen großen Aufschrei werde es nur geben, wenn psychologische Schmerzgrenzen überschritten würden – etwa zwei Euro für Benzin.

Darauf bereitet sich die Automobilindustrie vor. Auf überschaubare Zeit sei nicht mit einem deutlich niedrigeren Ölpreis zu rechnen, sagt Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Seit Jahrzehnten forscht die Industrie etwa an der Brennstoffzelle. Irgendwann sollen Wasserstoff, verflüssigte Biomasse oder flüssiges Naturgas die Treibstoffe Benzin und Diesel ablösen. „In all diesen Bereichen ist die deutsche Automobilindustrie mit Hochdruck dabei, neue Wege zu finden, um auch künftig die Mobilität sicherzustellen“, sagt Gottschalk.

Führend ist auf dem Feld zurzeit Daimler-Chrysler. Von dem gesamten Forschungsbudget des Konzerns von sechs Milliarden Euro jährlich würde bereits heute ein großer Teil in die Entwicklung alternativer Antriebe fließen, heißt es. Für die Brennstoffzelle allein seien schon insgesamt eine Milliarde Euro aufgewendet worden. Trotz der hohen Ölpreise sei aber nicht geplant, das Budget noch zu erhöhen. Und die Erfolge benötigen viel Zeit. „Bis 2010 wird es vielleicht 40000 Brennstoffzellen-Autos auf deutschen Straßen geben“, sagt Mobilitätsforscher Geschka. Im Jahr 2020 sei ein Anteil von zehn bis 15 Prozent bei den zugelassenen Fahrzeugen denkbar. Die Akzeptanz des neuen Antriebs bei den Autofahrern werde kein Problem sein. „Dann ist ein Auto ein Auto.“

Doch nicht nur die Ölverbraucher überdenken zurzeit ihren Kurs, sondern auch die Produzenten. Denn für die aktuelle Ölpreissteigerung wird vor allem die Angst vor einer Versorgungskrise verantwortlich gemacht. Die Ausgaben für die Entdeckung neuer Ölfelder steigen wieder, nachdem sie seit Ende der 90er – als Öl teilweise nur zehn Dollar kostete – kontinuierlich zurückgefahren worden waren. Doch so richtig trauen die Konzerne der aktuellen Situation nicht. Shell hat vor kurzem angegeben, man rechne für die kommenden Jahren mit einem Durchschnittspreis von 25 Dollar.

Und wenn es doch bei 50 Dollar bleibt? „Ein hoher Ölpreis würde die gesamte Ölindustrie signifikant verändern“, sagt Robert Plummer, Analyst bei der britischen Energieberatungsgesellschaft Wood Mackenzie. Investitionen in die Entdeckung neuer Vorkommen – insbesondere in Tiefseeregionen – würden sich stärker lohnen. Auch die Erschließung alternativer Quellen wie die kanadischen Ölsände oder Flüssiggas, deren Ausbeutung relativ teuer ist, würde vorangetrieben werden, sagt Plummer. In den Bereichen passiere schon heute viel. Aber einen schnellen Boom erwartet Plummer nicht. „Die Konzerne können die Budgets nicht einfach verdoppeln, sondern müssen auf ihre Finanzen achten.“ Außerdem könne die Zahl der Bohrtürme nicht vervielfacht werden, abgesehen von dem qualifizierten Personal zu deren Bedienung.

Und es dauere, bis Öl aus neu entdeckten Feldern tatsächlich auf dem Markt sei. Etwa bei 2003 entdeckten Vorkommen werde das Öl den Verbraucher nicht vor 2010 zur Verfügung stehen, sagt Plummer. Immerhin: Nach Schätzung der Wood-Mackenzie-Analysten reicht die laufende Erschließung neuer Felder dafür, die Produktion der großen Konzerne in den kommenden Jahren im Schnitt um 3,5 Prozent steigen zu lassen. Die Welt erhält also noch ein bisschen zusätzliche Zeit, nach Alternativen zu suchen.

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