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Wirtschaft: Es wird noch teurer

Nach dem Öl steigen auch die Preise für Gas und Strom / Grüne wollen gegen die Spekulation vorgehen

Berlin - Erst das Öl, dann Gas, schließlich Strom. Weil die Energiepreise in dieser Reihenfolge steigen, können sich die Verbraucher eine Vorstellung davon machen, was in den kommenden Monaten kommt. „Beim Ölpreis haben wir schon wieder eine Steigerung um 20 Prozent, im Herbst wird der Gaspreis dann auch um 20 Prozent steigen“, erwartet Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Und der Strom? „Wir werden deutlich höhere Preise bekommen“, meint Kemfert. Weil es zunehmend Engpässe gebe, also zu geringe Kraftwerkskapazitäten, und weil „die notwendigen Investitionen in die Netze und in erneuerbare Energien wir Verbraucher zahlen“. Alles in allem bleibe der Strommarkt auf absehbarer Zeit „schwierig“.

Für den Ölmarkt gilt das mindestens ebenso. Kemfert nennt es eine „große Hoffnung“, dass der Preis pro Fass in diesem Jahr nicht wesentlich über 120 Dollar steigt. Die Formulierung ist gut gewählt, denn am vergangenen Freitag ging der Preis schon auf 125 Dollar hoch. „Die Nachfrage aus China und Indien ist enorm und wird noch immer massiv unterschätzt“, sagte Kemfert dem Tagesspiegel. Das ist für die DIW-Frau die Hauptursache der steigenden Preise. Hinzu kämen Ausfälle auf der Angebotsseite, also in den Förderländern Venezuela, Nigeria und Iran. In Kuwait und Russland seien erhebliche Investitionen zur Modernisierung der Förderung notwendig.

Den Anteil der Spekulanten, die auf steigende Ölpreise setzen und damit den Preis weiter nach oben schieben, veranschlagt Kemfert auf maximal 20 Prozent. Bärbel Höhn von Bündnis 90/Die Grünen sieht das anders. „Mittlerweile werden bis zu 45 Prozent der Ölvorkaufsrechte von Spekulanten gehalten, das treibt den Preis kräftig.“ Die frühere Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen, die inzwischen im Bundestag sitzt, führt Experten an, denen zufolge die Spekulationen den Ölpreis um 20 bis 40 Dollar pro Fass nach oben getrieben haben.

Für den Autofahrer bedeute das: „Über den Daumen kostet der Liter Sprit deswegen zehn bis 20 Cent mehr an den Tankstellen“, sagte Höhn dem Tagesspiegel am Sonntag und forderte Gegenmaßnahmen. Erst mal mehr Transparenz darüber, „wer welche Kaufrechte erworben hat“. Und falls das nicht reiche, „muss man über rote Karten für Spekulanten nachdenken, die überhaupt nichts mit dem Ölmarkt zu tun haben“. Der Bundesregierung empfiehlt Höhn entsprechende Aktivitäten in der EU und auf dem nächsten G-8-Gipfel, damit „mit den unseriösen Geschäften von Hedgefonds und Investmentbanken Schluss gemacht wird“. Das wird dauern. In der eigenen Hand hat die Regierung die nationalen Steuern, deren Reduzierung jetzt wieder einmal die FDP und Autoclubs wie der ADAC fordern, um die Spritpreise zu reduzieren und die Autofahrer zu entlasten. Energieexpertin Kemfert hält davon nichts. „Die Unternehmen würden die Gunst der Stunde nutzen und ihre Margen erhöhen.“ Da die Gewinnmargen in Deutschland gering seien, würde also der durch eine Steuersenkung gewonnene Preisvorteil verschwinden, da die Mineralölkonzerne die Preise erhöhten. Am Ende gibt es keinen Trost für die Autofahrer. „Wir müssen mit den hohen Preisen leben“, sagt Kemfert. Und uns auf weitere Steigerungen einstellen.

„Heute wird pro Jahr viermal so viel Öl verbraucht wie neu gefunden“, sagt die Grünen-Politikerin Höhn. In den vergangenen zehn Jahren habe sich der Preis verzehnfacht. Wenn der Ölpreis auf dem aktuellen Niveau bleibe, was ja eine ziemlich optimistische Annahme ist, „dann werden die Menschen in Deutschland 2008 60 bis 70 Milliarden Euro für Ölimporte ausgeben statt 35 Milliarden wie im Jahr 2006“, hat Höhn ausgerechnet. Ihre Schlussfolgerung: „Wir müssen weg vom Öl, bevor es uns verlässt.“ Sie hofft vor allem auf effizientere Autos und mehr Elektrofahrzeuge.

Dafür allerdings wird mehr Strom gebraucht. Und der kommt nicht aus der Steckdose, sondern zum ganz überwiegenden Teil aus Kraftwerken, die keiner mehr will. Das letzte Atomkraftwerk wird 2022 abgestellt, und gegen Kohle wächst der Widerstand wegen der miesen CO2-Bilanz. „Deutschland ist das Land der Boykottierer“, sagt Claudia Kemfert vom DIW. „Wir boykottieren alles: Windparks, den Netzausbau, Kernkraftwerke und die Kohle. Am Ende bleibt nichts mehr übrig.“ Selbst der Anschluss des Offshore-Windparks bei Borkum ans Netz werde blockiert.

Kemfert würde die Restlaufzeiten der AKW verlängern, wenn sich im Gegenzug die Stromkonzerne zu höheren Investitionen etwa in erneuerbare Energien oder in die Netze verpflichteten. „Im Moment gibt es keine andere Lösung. Auf Erneuerbare zu setzen ist richtig, aber das braucht Zeit“, sagt Kemfert. Ärgerlich findet sie die Aufstellung der Politik. „Im Moment haben wir energiepolitisches Chaos. An jeder Ecke.“ Sie plädiert für ein Energieministerium, in dem „die Fäden zusammenlaufen, wo es eine Entscheidungsbefugnis gibt“. Fast alle Länder hätten das, nur in Deutschland seien alle möglichen Ministerien mit Energiethemen befasst. Mindestens bis Ende 2009 bleibt das so. Denn vor der Bundestagswahl tut sich nichts. Schon gar nicht bei der Laufzeit der Kernkraftwerke.

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