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Wirtschaft: Es wird weiter geredet und gewartet

BONN .Nach einer guten halben Stunde wurde Bodo Hombach persönlich.

BONN .Nach einer guten halben Stunde wurde Bodo Hombach persönlich.Er hob kurz den Kopf und schaute auf die Arbeitgebervertreter vor ihm im Saal.In seinen Augen lag wieder dieser versöhnliche Blick, und seine getragene Stimme war auf besonders präsidial eingestellt.Es ging um das Verhältnis zwischen Kanzleramtsminister und Arbeitsminister Walter Riester.Das Tuscheln im Saal erstickte, die Wirtschaftsvertreter lauschten.Man solle nicht alles glauben, was die Bonner Journaille da schreibe, sagte Hombach: "Die brauchen einfach ihr Kasperletheater." Überhaupt sei das Verhältnis zwischen Kanzleramt und Arbeitsministerium sehr gut.Riester habe doch einen "wirklich guten Vorschlag" für den Niedriglohnsektor vorgestellt.Bereits früher habe "der Walter dazu ein extrem interessantes Papier geschrieben".

So einfach ist das also.Der Streit in der Regierung - ein Medienphänomen.Hombach war nicht der einzige, der an diesem Abend die Harmoniesoße dick anrührte.Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) hatte Vertreter der ihr angeschlossenen Wirtschaftsverbände zur Geschäftsführerkonferenz nach Hamburg geladen.Dort sollte Hombach mit BDA-Präsident Dieter Hundt, DGB-Chef Dieter Schulte und dem Gesellschaftswissenschaftler Wolfgang Streeck über die Zukunft des Bündnisses für Arbeit diskutieren.Doch statt zu streiten ging man auf Schmusekurs.

Alle wollten an den Gesprächen festhalten."Ihr könnt doch gar nicht austreten", sagte DGB-Chef Schulte und drehte sich zu BDA-Präsident Hundt."Wir sind doch in dem Bündnis zum Erfolg verdammt." Der Arbeitgeberchef nickte.

Später sprach Hundt von der Blockade hierzulande, die das Bündnis aufbrechen sollte.Grundsätzlich argumentierte auch der Gesellschaftswissenschaftler Streeck, der in der "Benchmarking-Gruppe" des Bündnisses sitzt und die umstrittenen Vorschläge für den Niedriglohnsektor mitentwickelte.Deutschland sei anders als die USA oder Großbritannien, es gebe Tarifautonomie und über den Föderalismus regierten die Länder mit: "Der britische Premier hat die Macht, seine Pläne durchzudrücken, bei uns geht das nicht."

Viel Neues hörte das Publikum nicht an diesem Abend.Hundt und Schulte wärmten ihre Kritik an den Plänen zur Subventionierung von Niedriglöhnen auf."Ich habe keine Lust, als Steuerzahler Jobs beim Einzelhändler Lidl zu finanzieren", sagte der DGB-Chef.Streeck verteidigte sein Modell: "Das sind keine exotischen Pläne, das machen andere Länder auch." Nur Hombach ging auf Distanz: "Der Niedriglohnbereich ist nicht mehr das dominante Thema in den Bündnisrunden." Es waren solche Zwischentöne, die aufhorchen ließen.Etwa als Hombach von den Erfahrungen aus den Niederlanden berichtete.Wie der niederländische Ministerpräsident Wim Kok dem Kanzler Gerhard Schröder Tips für das Bündnis gegeben hat."Legt viele Themen auf den Tisch", hatte Kok gemahnt."Dann können sich viele Gruppen bei einem Ergebnis wiederfinden."

Sichtbar wurde so vor allem das Bemühen der Regierung.Man will den Faden zur Wirtschaft nicht abreißen lassen und vertröstet auf die Zukunft.Auf kommende Gesprächsrunden und die Unternehmensteuerreform.Den Tonfall hatte bereits der parteilose Wirtschaftsminister Werner Müller angeschlagen, als er in seiner vorangegangenen Rede nur sanft die Wirtschaft kritisierte und von den Verbänden "ein bißchen Selbstkritik" einforderte.Dabei hatte ihn BDA-Hauptgeschäftsführer Reinhard Göhner zuvor heftig angegangen.Der ehemalige Jusititiar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zählte die Versäumnisse auf.Die ausgesetzte Rentenreform.Die Gesundheitsreform.Die Steuerreform.Die Ökosteuer.Das Gesetz zur Scheinselbstständigkeit und natürlich der "630-Mark-Murks": "Das ist das größte Arbeitsplatzvernichtungsprogramm, das es je gegeben hat." Doch Müller ging auf die Vorhaltungen kaum ein.Am Pult gab er wieder seine Lieblingsrolle - die Pose des großen Gelassenen, der am liebsten den Begründer der Sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhard zitiert.Er sprach von dem perfekten Wohlfahrtsstaat, den die Deutschen schaffen wollten, der aber leider nicht mehr bezahlbar sei.Davon, daß die Regierung Subventionen abbauen, die Staatsquote verringern und die Steuern für Unternehmen senken will - auch wenn die Reform erst Mitte nächsten Jahres in Kraft treten wird.Sorgfältig soll gearbeitet werden, damit die Gesetze "nicht als voreiliger Pfusch kritisiert werden".Ansonsten sollten die Unternehmen abwarten, was die Regierung als Eckpunkte ihres Finanzkonzepts Ende Juni präsentiert und versprach: "Deutschland soll wieder ein attraktiver Standort werden."

Es wird also weiter gewartet.Bis Ende Juni.Bis zum Ende des Regierungsumzugs, wenn die Gesetzesmaschinerie im Herbst in Berlin in Gang kommt.Es wird weiter geredet im Bündnis und anderswo und die Arbeitgeber wollen bis zum Frühjahr kommenden Jahres warten, ehe sie Bilanz ziehen."Das Bündnis für Arbeit ist eine Baustelle", sagte einer der Teilnehmer.Mal sehen, ob irgendwann mal mehr als Ausschachtungsarbeiten zu sehen sind.

ANDREAS HOFFMANN

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