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Wirtschaft: EU: Deutschland Schlusslicht beim Wachstum

Düstere Prognose für die Bundesregierung: Die deutsche Wirtschaft mit ihren mehr als fünf Millionen Arbeitslosen wird 2005 in der EU das Schlusslicht beim Wachstum sein. Das geht aus dem Frühjahrsgutachten der EU-Kommission hervor. Zudem wird Deutschland wahrscheinlich wieder den Stabilitätspakt verletzen.

Brüssel/Brüssel (04.04.2005, 15:08 Uhr) - Es wäre das vierte Mal in Folge. Die Bundesregierung hält es dennoch für möglich, das Haushaltsdefizit 2005 auf die erlaubten 3 Prozent zu drücken, auch wenn die Kommission 3,3 Prozent prognostiziert.

Der anhaltend hohe Ölpreis und der starke Euro machen aber nicht nur der deutschen Wirtschaft, die nach Berechnungen der Regierung in Berlin 2005 um 1,6 Prozent wachsen soll, zu schaffen. Die EU- Kommission halbierte dagegen für Deutschland nahezu ihre Wachstumsprognose auf 0,8 Prozent. Für die Eurozone senkte die Behörde ihre im vergangenen Herbst abgebene Prognose von 2 auf 1,6 Prozent Wachstum für dieses Jahr. Almunia zeigte sich skeptisch, dass sich das Blatt in noch zum Guten wenden könne. «Es gibt mehr Risiken als Chancen.»

Neben dem Ölpreis könne der starke Euro und das noch immer vergleichsweise schwache Vertrauen der Verbraucher die Wirtschaft belasten. Die Kommission geht für 2005 von einem durchschnittlichen Ölpreis in Höhe von 50,90 Dollar je Barrel (159 Liter) aus. Für 2006 schätzt die Kommission einen Preis von 48 Dollar je Barrel.

Zwar erkennt die Brüsseler Behörde die Berliner Reformen an, sieht aber noch keine unmittelbare Erholung vor allem auf dem Arbeitsmarkt. Frühestens zur Mitte dieses Jahres sei damit zu rechnen, dass die Zahl der Arbeitslosen zurückgehe. Auch der deutsche Export - zeitweise kraftvoller Motor der Wirtschaft - werde 2005 die Spitzenwerte des Vorjahres nicht mehr erreichen, da die weltweite Nachfrage nach Investitionsgütern nachlassen werde. Ein möglicher Lichtblick sei der Konsum, der leicht anziehe.

Etwas besser sieht es nach Einschätzung der Kommission 2006 aus. Während die Volkswirtschaft der Eurozone im Durchschnitt um 2,1 Prozent zulegen könnten, bleibe das Wachstum für Deutschland mit 1,6 Prozent voraussichtlich aber erneut zurück. Unterstellt, die Politik ändere sich nicht, müsse auch im kommenden Jahr mit dem schwächsten Plus aller 25 EU-Staaten gerechnet werden.

Entspannung sieht die Kommission an der deutschen Defizit-Front. Sie erwartet, dass das Etatloch 2006 mit 2,8 Prozent erstmals wieder unter der im Stabilitätspakt erlaubten Drei-Prozent-Marke liegen könnte. Almunia machte klar, dass er der deutschen Schulden- Problematik nicht tatenlos zusehen werde. «Beschlüsse dazu sind möglich, wenn auch nicht in den nächsten Wochen», sagte er.

Nach dem Beschluss beim EU-Gipfel vor zwei Wochen, den Stabilitätspakt zu lockern, muss die Bundesregierung aber keine unmittelbaren Strafen befürchten. Künftig gelten beispielsweise die Kosten der deutschen Einheit sowie die milliardenschweren Zahlungen aus Berlin in die EU-Kasse als mildernde Umstände, sollte das Haushaltsdefizit ausufern.

Bundesfinanzminister Hans Eichel zeigte sich von der Botschaft aus Brüssel zunächst wenig beeindruckt. Die Regierung werde trotz der verringerten Wachstumsprognose alles daransetzen, 2005 das Defizitkriterium von unter drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes einzuhalten. Eichel betonte in Berlin, die Regierung werde «unter Umständen einer deutlich schwächeren Konjunktur nicht noch hinterhersparen».

Entscheidend für die Einhaltung der Defizitmarke dürfte sein, ob und in welchem Umfang die Hartz-IV-Arbeitsmarktreform zu geringeren Ausgaben führt. Die Bundesregierung will ihre nächsten Wachstumserwartungen Ende April veröffentlichen. Mitte Mai lägen dann die Ergebnisse der Steuerschätzung vor. «Erst dann haben wir einen konkreten, für uns verlässlichen Überblick über die Ausgaben- und Einnahmesituation in diesem Jahr», hieß es vom Finanzministerium.

Das Frühjahrsgutachten der EU-Kommission nahm die Union zum Anlass für scharfe Kritik an Rot-Grün. Der Chef der CSU-Bundestagsgruppe, Michael Glos, sieht Deutschland bei einer Wachstumsrate von nur noch 0,8 Prozent weiterhin als «große Wachstumsbremse innerhalb der EU.» Es bestehe keinerlei Anlass für Optimismus. Dies gelte auch für die öffentlichen Haushalte. Für den Vorsitzenden des Bundestags- Europaausschusses, Matthias Wissmann (CDU), «entlarvt» das EU- Gutachten erneut die Schuldenpolitik der Bundesregierung. (tso)

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