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Wirtschaft: EU-Finanzstreit trifft neue Länder hart

Brüsseler Förderprogramme für Ostdeutschland in Gefahr / Sachsen fordert schnellen Kompromiss

Berlin - Der Finanzstreit in der Europäischen Union könnte dazu führen, dass die neuen Bundesländer ihre EU-Fördermittel später und womöglich nur noch in geringerem Umfang bekommen. Diese Befürchtung äußerten Ost-Politiker im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) rief die EU-Länder dazu auf, eine Einigung noch vor dem Beginn der britischen Ratspräsidentschaft zu erzielen.

Die Förderung strukturschwacher Gebiete ist eines der wichtigsten Politikfelder in der EU. Die neuen Bundesländer bekommen aus den Brüsseler Töpfen in den Jahren 2000 bis 2006 rund 21 Milliarden Euro für Infrastruktur, Wirtschaftsförderung und Sozialprojekte. Ende kommenden Jahres laufen aber die meisten Programme aus, ab 2007 beginnt eine neue Förderperiode. Allerdings gibt es über die Höhe und die Verwendung der Mittel vorerst keinen Beschluss – am Wochenende hatten die Regierungschefs der 25 EU-Länder beim Gipfeltreffen in Brüssel über den neuen Finanzrahmen keine Einigung erzielt. Die Vorbereitung der Förderprogramme nimmt nach Angaben der EU-Kommission jedoch zwölf bis 18 Monate in Anspruch. Ob es unter der Präsidentschaft von Großbritannien ab Juli eine Einigung auf einen Finanzrahmen gibt, halten viele Experten für fraglich.

„Da kommen große Schwierigkeiten auf uns zu“, sagte Milbradt. Der schwelende Finanzstreit bringe Unsicherheit und Verzögerungen für die neuen Bundesländer. Ohne eine rechtzeitige Einigung könne die EU ab 2007 erst einmal keine Fördermittel ausgeben. Und es könne nicht mehr rechtzeitig entschieden werden, wohin das Geld fließen soll. „Das bedeutet eine Verzögerung von bis zu einem Jahr und trifft vor allem die Baubranche und die Wirtschaftsförderung“, warnte der CDU-Politiker. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer nannte den EU-Streit eine „Hiobsbotschaft“. Auch er fürchtet, dass der Zeitplan für die Förderperiode ab 2006 nun in Gefahr gerät. „Es steht zu befürchten, dass die Interessen der neuen Länder umso weniger berücksichtigt werden, je länger die Verhandlungen dauern“, sagte Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU). Allerdings wolle er lieber ein gutes Ergebnis später als ein schlechtes sofort.

Ohnehin rechnen die neuen Länder mit weniger Geld – denn die neuen osteuropäischen EU-Mitglieder weisen eine noch schwächere Wirtschaftsstruktur als sie auf und sind damit eher für eine Förderung durch Brüssel qualifiziert. Milbradt zufolge müssten die Regionen Halle, Leipzig und das südliche Brandenburg damit rechnen, aus der höchsten EU-Förderstufe herauszufallen. Zusätzlich gingen die Bundesmittel aus dem Solidarpakt zurück. „Dann müssen wir Jahr für Jahr mit weniger Geld auskommen – das wird sich bei den Investitionen und der Wirtschaftsförderung niederschlagen.“ Ob und wie weit dies durch Einsparungen an anderer Stelle abgemildert werden könne, werde man sehen – „ganz kompensieren können wir es aber nicht“, sagte Milbradt. Der Aufbau Ost könne „ins Stocken geraten“, warnte Thüringes Premier Althaus, sollte die EU die neuen Länder nicht auf einem Niveau wie bisher fördern.

Sein sachsen-anhaltinischer Amtskollege Böhmer sagte, der bisherige Verlauf der EU-Finanzgespräche sei für die neuen Länder „nicht ermutigend“. Es werde nicht nur sehr schwierig, eine Lösung zu finden, „es wird sie auch vermutlich nur geben, wenn Kürzungen auch bei der Strukturförderung beschlossen werden“. Wichtig sei für sein Land das Geld für die Infrastruktur und für die Förderung der Wirtschaftsstruktur, „weil wir dringend neue Arbeitsplätze brauchen“. Böhmer und Milbradt halten es für fraglich, dass unter der britischen EU-Präsidentschaft ein neuer Finanzrahmen gefunden wird. Milbradt zufolge „wäre es daher gut, wenn es doch noch unter der luxemburgischen Präsidentschaft in der kommenden Woche zu einer Einigung käme“.

Der Berliner Senat sieht das vorläufige Scheitern der Finanzgespräche derweil weniger dramatisch. Bereits zu Beginn der laufenden Förderperiode habe es ähnlich lange Verzögerungen bei der Entscheidung über die Mittel gegeben, sagte ein Sprecher von Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS). Berlin bekommt bis Ende 2006 rund 1,3 Milliarden Euro aus Brüssel. Man müsse „nicht in Panik geraten“, hieß es. Der Senat werde weiter über die Verwendung von Fördermitteln beraten und verschiedene Szenarien erstellen, je nach Höhe der Summe, mit der Berlin zwischen 2007 und 2013 rechnen könne. Auf jeden Fall rechne man mit weniger Geld, „eine deutlich dreistellige Millionensumme erhoffen wir uns aber schon für die kommenden Jahre“, sagte der Sprecher.

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