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Wirtschaft: EU-Gipfel: An den Subventionen liegt es nicht

Die BSE-Krise hat vielen den Kopf verdreht. Auf der Suche nach Schuldigen muss nun Europas Agrarpolitik herhalten.

Die BSE-Krise hat vielen den Kopf verdreht. Auf der Suche nach Schuldigen muss nun Europas Agrarpolitik herhalten. Dabei werden Zusammenhänge konstruiert, die völlig schlüssig scheinen: Europa verschleudert Steuergelder, um eine ausgeklügelt funktionierende Agrarindustrie zu alimentieren, die keine Wünsche offen lässt. Jeder kommt auf seine Kosten: die Landwirtschaftsminister, die Bauern und die Verbraucher. Viel und billig um jeden Preis, lautet das Motto - auf Kosten von Qualität und Gesundheit. Die Subvention des Chaos.

Allein, was logisch klingt, muss noch nicht im Detail stimmen. Von gezieltem Preisdumping und besonderer Begünstigung großer Betriebe jedenfalls kann keine Rede sein. Der pauschale Vorwurf, die Brüsseler Finanzspritzen hätten die inzwischen in Verruf geratenen so genannten Agrarfabriken erst möglich gemacht, niedrige Preise provoziert und damit eine Tierhaltung gefördert, die den Gesundheitsrisiken für den Verbraucher Tür und Tor öffnet, ist falsch. Die Subventionen erreichten alle - Große wie Kleine. Denn gegenüber der starken Bauernlobby hat sich noch nie eine Regierung so richtig durchsetzen können. In keinem Land der EU. Auch nicht in Deutschland. Aus Rücksichtnahme auf die heimischen Höfe, übrigens insbesondere gegenüber den bäuerlichen Familienbetrieben, werden bis heute hohe Unterstützungsgelder bezahlt, die den Bauern - bei steter Nachfrage und enormen Produktivitätsschüben - ein auskömmliches Einkommen sichern und Europas Landwirte vor unliebsamer ausländischer Konkurrenz schützen.

Das Normalmaß aber ist schon lange überschritten. Jahrelang flossen drei Viertel des EU-Haushaltes auf das Konto der Landwirtschaft. Das Anreizsystem erwies sich als kontraproduktiv. Durch Subventionen entstanden Milchseen und Butterberge; durch Subventionen verschwanden sie wieder. Mittlerweile hat sich die Situation etwas gebessert. Heute werden Europas Bauern nur noch 50 Prozent aus der Gemeinschaftskasse überwiesen. Vor allem dem wachsenden Druck internationaler Verhandlungen unter dem Dach der Welthandelsorganisation in Genf ist es zu verdanken, dass über Sinn und Unsinn dieser Geldverschwendung intensiver nachgedacht wurde und mittlerweile wettbewerbsneutrale Formen der Agrarpolitik zur Debatte stehen.

Außerdem wurde Anfang der 90er Jahre ein entscheidender Richtungswechsel festgeschrieben: Weg von den künstlichen Stützungsmaßnahmen, weg von Garantieabnahme und Garantiepreisen, hin zu mehr Direktbeihilfen für die Bauern. Macht man sich die Überzeugung der liberalen Ökonomie zu eigen, die davon ausgeht, dass ein nötiger Effizienzgewinn für alle Marktteilnehmer, also auch für die deutschen Verbraucher, nur durch größere Preistransparenz und radikale Öffnung der Märkte zu erreichen ist, erscheint das eine sinnvolle Übergangslösung für eine neue Agrarmarktordnung zu sein. Eine Ordnung, die nicht nur Drittländern mehr Geschäft ermöglicht, sondern auch Umwelt- und Verbraucherschutz stärker Rechnung tragen könnte.

Bei aller Kritik an den Subventionen aber bleibt festzuhalten: An den Billigpreisen im deutschen Lebensmitteleinzelhandel sind die Hilfsgelder für Europas Bauern nicht schuld. Dass sich der deutsche Verbraucher als Pfennigfuchser aufführt und Lebensmittel hier zu Lande teilweise so billig sind wie vor 40 Jahren, hat viele Gründe. Die Agrarsubventionen zählen nicht dazu. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Ohne die öffentlichen Gelder wären Butter-, Zucker- und Rindfleischpreise in Deutschland heute noch wesentlich niedriger. Auch die Verteufelung von größeren Betrieben macht keinen Sinn. Denn es gibt keinen Beweis dafür, dass Größe an sich zu einer höheren Umweltbelastung und zur Vernachlässigung der Produktqualität führt. Wer glaubt, allein mit ökologischer Landwirtschaft die Krise bewältigen zu können, irrt. Von heute auf morgen lässt sich kein Öko-Landbau flächendeckend einführen. Ganz abgesehen davon, dass die Preise auf Dauer auch bezahlbar bleiben müssen.

Zu lange hat die Politik den harten Kurs gescheut. Anstatt der wachsenden Skepsis in der Bevölkerung gegenüber bedenklichen Formen von Tierhaltung gerecht zu werden, wurde versäumt, klare Verbote bestimmter Produktionsweisen zu verhängen. Jetzt gibt es die Chance radikal umzusteuern. Denn im Moment bestimmen die Verbraucher und ihre Nachfragemacht. An ihnen liegt es, der Politik die Konditionen für Europas neue Landwirtschaft zu diktieren. Dass dabei Gesundheit und Umweltverträglichkeit oberste Priorität genießen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

Martina Ohm

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