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EU-Parlament: Chemikalienverordnung unter Dach und Fach

Nach sechsjährigen kontroversen Debatten hat das Europaparlament die EU-Verordnung zur Chemikalienpolitik (REACH) unter Dach und Fach gebracht.

Straßburg - Die Bürger der EU sollen künftig besser vor potenziell gefährlichen chemischen Substanzen in Duschvorhängen, Polstermöbeln, Elektrogeräten und anderen Konsumgütern geschützt werden. Darauf zielt eine neue EU-Verordnung zur Chemikalienpolitik an, die nach mehrjährigem Tauziehen vom Europaparlament abschließend verabschiedet wurde. Die Vorschriften zur Registrierung, Bewertung und Zulassung von chemischen Substanzen (Reach) können damit im Juni 2007 in Kraft treten. Insgesamt sollen rund 30.000 chemische Stoffen erstmals auf ihre Auswirkung für Umwelt und Gesundheit hin überprüft werden. Ein Verbot besonders gefährlicher Stoffe, das Umweltschützer gefordert hatten, ist jedoch zunächst nicht vorgesehen.

Dem nach zähem Ringen mit den EU-Staaten ausgehandelten Kompromiss zufolge benötigen hochriskante Stoffe, die etwa Krebs erregen, das Erbgut verändern oder die Fortpflanzungsfähigkeit mindern können, zusätzlich zur Registrierung eine EU-weite Zulassung. Davon betroffen könnten bis zu 3000 Substanzen sein. Die Hersteller sollen jedoch nicht in jedem Fall gezwungen werden, hochriskante Stoffe durch weniger bedenkliche Alternativen zu ersetzen - selbst wenn es diese bereits gibt. Sie werden lediglich verpflichtet, einen Plan zur Substituierung dieser Stoffe vorzulegen. Außerdem müssen sie eine "angemessene Kontrolle" zusichern.

Grüne: "Fauler Kompromiss"

Vor allem wegen dieser Einschränkung übten die Grünen im Europaparlament heftige Kritik an der Neuregelung. Sie sei ein "fauler Kompromiss", der "ganz klar die Handschrift der deutschen Chemieunternehmen" trage, sagte die deutsche Grüne Hiltrud Breyer. Das Parlament sei vor der Lobby eingeknickt. Enttäuscht äußerte sich auch der europäische Verbraucherschutzverband BEUC. Die Bürger blieben auch weiterhin gefährlichen Substanzen ausgesetzt. Das System der "angemessenen Kontrolle" sei weder wirksam noch ausreichend. Unzureichend seien auch die geplanten Vorschriften zur Verbraucherinformation, die sich auf eine kleine Zahl besonders gefährlicher Chemikalien beschränkten.

Die Verbraucherschutzexpertin der sozialistischen Fraktion, Dagmar Roth-Behrend, wies die Kritik zurück: "Erstmals wird die chemische Industrie verpflichtet offenzulegen, was sie tut". Auch wenn manche Altstoffe sowie Importprodukte vermutlich nicht lückenlos überprüft werden könnten, sei Reach ein großer Fortschritt. Die EU-Regierungen müssten jedoch der in Helsinki geplanten EU-Chemieagentur, die für Registrierung und Zulassung zuständig sein wird, die notwendigen Mittel bereitstellen. Der Vorsitzende des Umweltausschusses im Europaparlament, Karl-Heinz Florenz (CDU), sprach von einem "revolutionären Großprojekt". Es werde einen "Systemwechsel hin zur Herstellerverantwortung" bringen.

Verheugen lobt Reach

EU-Industriekommissar Günter Verheugen lobte Reach als ein Vorhaben, das "weltweit Standards" setzen werde. Es werde den Belangen von Umweltschutz und Gesundheit gerecht, ohne der Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie in Europa zu schaden. Der Kompromiss schütze auch die "Hunderten von kleinen und mittleren Unternehmen" vor zu großen Belastungen.

Der Verband der deutschen Industrie (VCI) begrüßte zwar "Verbesserungen" gegenüber den ursprünglichen Plänen der EU-Kommission. Zugleich warnte er jedoch vor Wettbewerbsnachteilen der europäischen Hersteller. Das neue EU-Chemikalienrecht bedeute für Unternehmen "zusätzliche Kosten und einen erheblichen bürokratischen Aufwand", sagte VCI-Chef Werner Wenning. Vor allem für den Mittelstand sei dies ein "harter Brocken". Der VCI hatte sich besonders vehement gegen Reach zur Wehr gesetzt. (tso/AFP)

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