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Wirtschaft: EU-Parlament lehnt Software-Patentierung ab

Überwältigende Mehrheit weist Kommissionsvorschlag zurück / Große Firmen enttäuscht, kleinere Softwareentwickler erleichtert

Strassburg - Das Europäische Parlament hat am Mittwoch mit 648 von 680 Stimmen den Richtlinienvorschlag zur Software-Patentierung zurückgewiesen. Das EU-Gesetz, auf das sich die 25 EU-Mitgliedsstaaten schon im März geeinigt hatten, ist damit endgültig gescheitert. „Wir haben der Softwarepatentierung ein Begräbnis dritter Klasse ohne Blumen und Leichenschmaus bereitet“, sagte die Grüne Evelin Lichtenberger am Mittwoch. Auch die Christdemokraten und Sozialisten zeigten sich nach dem unerwartet klaren Votum zufrieden: „Besser kein Gesetz als ein schlechtes Gesetz“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Klaus-Heiner Lehne. Während kleinere Softwarehäuser die Entscheidung begrüßten, äußerten sich die Branchengrößen enttäuscht.

Die EU-Kommission hatte 2002 eine Richtlinie über die „Patentierbarkeit computerimplementierbarer Erfindungen“ auf den Weg gebracht. Grund war die Sorge, dass das Fehlen EU-weit einheitlicher Rechtsvorschriften die Wettbewerbsfähigkeit der EU hemmen könnte.

Zu der selbst unter Fachleuten höchst umstrittenen EU-Richtlinie waren am Mittwoch 178 Änderungsanträge eingebracht worden. Selbst die Befürworter eines Patentschutzes fürchteten ein gesetzgeberisches Chaos. Der lachende Dritte, so befürchteten Parlamentarier, wäre der EU-Ministerrat mit seinem Gesetzestext gewesen, den viele Abgeordnete als zu vage und in den Folgen unberechenbar kritisierten. „Die Zurückweisung der Software-Patentierung ist ein Erfolg für das Europaparlament, weil es den Mut hatte, die Notbremse zu ziehen“, sagte die SPD-Europaabgeordnete Erika Mann.

Damit bleibt es bei der jetzigen Regelung, nach der Software nur in Verbindung mit einer technischen Lösung wie etwa einer Bremsanlage patentierbar ist.

Heftige Kritik am EU-Ministerrat und der Kommission übte der parlamentarische Berichterstatter Michel Rocard. Die EU-Regierungen hätten Änderungswünsche des Parlaments einfach ignoriert. „Das war skandalös. Die Ablehnung wird ihnen nun hoffentlich eine Lehre sein“, sagte er. Die politische Botschaft des Parlaments sei auch an die europäischen Patentämter gerichtet, die nach Ansicht von Softwareexperten in den vergangenen Jahren zu sorglos Patente erteilt hatten.

In der Wirtschaft wurde das Scheitern der Patentrichtlinie unterschiedlich beurteilt. SAP-Chef Henning Kagermann zeigte sich unzufrieden über die Entscheidung des Parlaments: „Computerimplementierte Erfindungen sind für Europa in einer globalen Wirtschaft ein Wettbewerbsvorteil und dieser benötigt des Schutzes durch Patente“, sagte er am Mittwoch. Die Industrieverbände ZVEI und BDI bedauerten zwar, dass damit die „Chance für einen einheitlichen Rechteschutz bei der Patentierung“ verpasst worden sei, begrüßten aber, dass zumindest keine Verschlechterung des Status quo eintrete, wie es in einer gemeinsamen Mitteilung hieß.

Kleinere Unternehmen zeigten sich dagegen erleichtert. „Es ist positiv zu bewerten, dass Software-Patente nicht kommen“, sagte ein Sprecher des Berliner Softwareentwicklers PSI. „Die Richtlinie hätte das Wachstum mittelständischer Firmen ausbremsen können.“ Stefan Heng, Software-Analyst bei der Deutschen Bank, lobte die Entscheidung. „Das ist sicherlich ein glücklicher Tag für Innovationen“. sagte er.

Nach Angaben der Deutschen Bank haben Software-Entwickler in Deutschland Ende 2004 insgesamt 15 Milliarden Euro umgesetzt, für das kommende Jahr erwartet die Bank eine deutliche Steigerung auf 17 Milliarden Euro.

T. Gack, M. Peters

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