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Wirtschaft: EU-Pläne gefährden Hartz-Konzept

Wettbewerbskommissar Monti will Staatsbeihilfen für den Arbeitsmarkt einschränken – ohne Ausnahmen

Brüssel (rut/HB). EUWettbewerbskommissar Mario Monti will erstmals staatliche Beihilfen auf dem Arbeitsmarkt regulieren. Gemeinsam mit EU-Sozialkommissarin Anna Diamantopoulou arbeitet Monti an einer neuen Gruppenfreistellungsverordnung für Beschäftigungsbeihilfen. Die Brüsseler Pläne könnten die Umsetzung der Arbeitsmarkt-Reformpläne von VW-Personalvorstand Peter Hartz in Deutschland gefährden.

Das EU-Regelwerk sieht eine Deckelung der Lohnkostenzuschüsse für schwer vermittelbare Arbeitslose vor. Staatliche Eingliederungsbeihilfen für benachteiligte Arbeitnehmer dürften die Schwelle von 50 Prozent der Lohnkosten nicht überschreiten, heißt es in dem Verordnungsentwurf. Über diesen Grenzwert hinausgehende Lohnsubventionen will Monti nicht zulassen, weil sie seiner Meinung nach den Wettbewerb verzerren.

Die EU-Kommission will die neue Verordnung am 30. Oktober beschließen. Sie würde damit sofort rechtskräftig, denn die Kommission benötigt für Verordnungen dieser Art weder die Zustimmung des Ministerrates noch des Europaparlaments.

Das Vorhaben Montis stößt in Deutschland und anderen Mitgliedsstaaten auf Widerstand. Die Bundesregierung hatte gefordert, den Grenzwert für die Lohnkostenzuschüsse bei 80 Prozent festzulegen. „Wir brauchen möglichst viel Spielraum, und zwar besonders für die Umsetzung der Hartz-Reform“, hieß es in diplomatischen Kreisen. Für Problemgruppen wie Langzeitarbeitslose und Schwerbehinderte erhalten Unternehmen in Deutschland bisher in Einzelfällen sogar mehr als 80 Prozent.

Im Bundesarbeitsministerium wird allerdings derzeit an Kürzungen gearbeitet, um der EU entgegenzukommen und die von Finanzminister Hans Eichel geplanten Einsparungen bei der Bundesanstalt für Arbeit von vier Milliarden Euro in 2003 zu erfüllen. Für Streit dürfte jedoch auch das Vorhaben der Hartz-Reform sorgen, Arbeitslose durch die Personal–Service-Agenturen der Arbeitsämter kostenlos an Firmen zu verleihen.

Deutschland, Frankreich und Belgien befürchten außerdem, dass Montis Verordnung die beschäftigungspolitischen Ziele der EU konterkarieren könnte. Die 15 EU-Staats- und Regierungschefs haben sich vorgenommen, die Beschäftigungsquote in der Staatengemeinschaft bis 2005 auf 67 Prozent und bis 2010 auf 70 Prozent zu steigern. Zurzeit beträgt die Quote nur rund 63 Prozent.

Für bestimmte Arbeitnehmergruppen setzten sich die Regierungschefs gesonderte Ziele: Die Beschäftigungsquote von Frauen soll von derzeit 54 Prozent bis 2005 auf 57 Prozent steigen. Bei den besonders schwer vermittelbaren älteren Arbeitslosen ab 55 Jahre peilen die Regierungschefs eine Quote von 50 Prozent im Jahr 2010 an. Derzeit sind nur 37,7 Prozent der über 55-jährigen Erwerbspersonen in der EU in Arbeit, in Deutschland beträgt die Quote 37,4 Prozent. Ältere Menschen könnten nur mit massiver staatlicher Hilfe in den Arbeitsmarkt integriert werden, hieß es in deutschen Regierungskreisen. „Deutschland hat ein großes Problem mit älteren Langzeitarbeitslosen“, bestätigte ein Mitarbeiter von EU-Sozialkommissarin Diamantopoulou. Deutschland müsse „Hindernisse“ für die Erwerbstätigkeit von „älteren Arbeitnehmern und anderen Risikogruppen“ beseitigen, heißt es in beschäftigungspolitischen Empfehlungen der Kommission vom Herbst 2001.

Die Hartz-Kommission hat dazu eine janusköpfige Strategie vorgeschlagen. Einerseits sollen die Möglichkeiten der befristeten Beschäftigung von Personen ab 50 Jahren erweitert werden. Andererseits sollen Arbeitslose ab 55 Jahren aus der Vermittlung durch die Arbeitsämter ausscheiden und damit praktisch in Frührente gehen dürfen.

Dass ein Verbot hoher Lohnkostenzuschüsse den ehrgeizigen Beschäftigungszielen der EU widersprechen könnte, hat Diamantopoulou erkannt. Einen Freibrief für hohe Lohnsubventionen will sie Deutschland aber nicht erteilen. „Wir sind mit einem Grenzwert von 50 Prozent sehr zufrieden", hieß es in der Umgebung der Kommissarin.

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