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Wirtschaft: EU schmettert die TV-Allianz ab

BRÜSSEL (pos/HB).Der Münchner Medienkonzern Kirch will nach dem Verbot der Pay-TV-Allianz mit Bertelsmann einen neuen Genehmigungsantrag stellen.

BRÜSSEL (pos/HB).Der Münchner Medienkonzern Kirch will nach dem Verbot der Pay-TV-Allianz mit Bertelsmann einen neuen Genehmigungsantrag stellen.Die Kirch-Gruppe sei bereit, mit ihren Partnern auf Basis der zuletzt verhandelten Kompromisse einen neuen Antrag einzureichen, erklärte Unternehmenssprecher Johannes Schmitz.Ob Bertelsmann dies auch wünsche, sei offen."Bislang ist die Gemeinsamkeit nicht erreicht." Die EU-Kommission hatte gestern den Antrag der beiden Unternehmen abgelehnt.

Die Fusion ist tot, es lebe die Fusion.Einstimmig hat die EU-Kommission den geplanten Zusammenschluß der deutschen Pay-TV-Sender Premiere und DF1 abgelehnt.Nun ist die Fusion erst einmal mausetot, und der Gewinner steht fest: Es ist die Bertelsmann AG, die zuletzt jegliche weitere Zugeständnisse abgelehnt hat.Denn der Weg ist jetzt frei für den zügigen Ausbau des Hamburger Senders Premiere, der von Bertelsmann dominiert wird.Gibt es keine überraschende Meinungsänderung bei dem Fusions-Verlierer Kirch in München, wird dessen Digital-Konkurrenz zu Premiere, DF1, eingestellt.

Trotzdem ist für Kirch die Digital-Zukunft aber noch nicht völlig verbaut.Über einen neuen Antrag könnte nach Auffassung von Kirch kurzfristig entschieden werden.Die Kommission habe erkennen lassen, daß sie mit breiter Mehrheit für eine Genehmigung gestimmt hätte, wenn alle Parteien die gefundene Lösung mitgetragen hätten.Bertelsmann hatte jedoch abgelehnt, den konkurrierenden Betreiberfirmen Zugang und Vermarktungsrechte zu einzelnen Bestandteilen des Programmpakets von Kirch/Bertelsmann einzuräumen.Dabei sei es jedoch nur noch um "winzige Zugeständnisse" gegangen, sagte Schmitz.Nach Ansicht der Kirch-Gruppe bietet der trotz aller Bedenken eine tragfähige Grundlage.

Der Münchner Konzern bekräftigte, er sehe keine Basis, DF1 alleine weiterzuführen.Im Interesse der Kunden und mit Blick auf einen möglichen neuen Fusionsantrag solle der Sendebetrieb jedoch vorerst noch weitergehen.Spekulationen über eine Panik bei Kirch wies Schmitz zurück: "Die Entwicklung hat keine negativen Auswirkungen auf die Liquidität."

Nach dem Verbot der Fusion - auch das Zusammengehen von Kirch, Bertelsmann und Telekom bei der D-Box-Firma Beta Research wurde untersagt - ist dieses Verkaufsverbot aber hinfällig, was wichtig für die weitere Entwicklung ist.Vor allem für Kirch, der bei Hersteller Nokia für die Abnahme von einer Mill.Dekoder geradestehen muß.Wichtig aber auch für Premiere, da die rund 160 000 Kunden von DF1 nun problemlos wechseln könnten.Das Brüsseler Nein wird das digitale Pay-TV in Deutschland vorerst in seiner Entwicklung zurückwerfen und die Kirch-Gruppe vor eine harte Bewährungsprobe stellen.Die Entwicklung des Digitalfernsehen schlechthin muß aber nicht darunter leiden.Eine Schlüsselrolle wird jetzt der Telekom zukommen.Sie hat nun wieder alle Freiheiten, Vereinbarungen mit Interessenten über den Zugang zu ihrem Kabelnetz zu treffen, das zudem bis zum Jahr 2000 regionalisiert werden wird.Somit bekommen alle, die Wettbewerb und Chancengleicheit gefordert haben, jetzt die Möglichkeit, ihre Pläne in milliardenschwere Taten umzusetzen.

Das digitale Fernsehen

Das digitale Fernsehen wird gerne als Fernsehen der Zukunft gepriesen, das den Zuschauern eine nie gekannte Vielzahl von Kanälen bietet: Während im gewöhnlichen, sogenannten analogen Fernsehen auf jedem Kanal nur ein Programm gesendet werden kann, erlaubt die digitale Technik die Übertragung von bis zu 16 Programmen auf jedem einzelnen Kanal.Möglich wird das durch eine starke Komprimierung, also Verdichtung der Daten.Bei der analogen Technik werden die Bild- und Tonsignale in eine elektrische Spannung übertragen und dann als Schwingungen übertragen.Hierzu ist ein breites Frequenzband nötig.Die digitale Technik hingegen wandelt alle Informationen in schnell übertragbare Zahlen um.

Die digitalen TV-Signale kommen beim Empfänger im Wohnzimmer erst einmal nur als Zahlenkolonne an: Um aus den Daten ein Fernsehbild zu formen, ist ein Entschlüsselungsgerät wie etwa die "d-Box" erforderlich.Bei der Umwandlung sind verschiedene Techniken möglich.Ähnlich wie einst bei der Einführung der Videorekorder könnte es auch hier zu einem Wettstreit verschiedener Systeme kommen.Die Wettbewerbshüter fordern indessen eine "neutrale technische Plattform": Alle Programmanbieter sollen die gleichen Zugangsmöglichkeiten zu der Verschlüsselungstechnik haben.Die neue Technik soll nach dem Willen der Anbieter ein neues Fernsehzeitalter einläuten.Vom Golf-Kanal über ein spezielles Western-Angebot bis hin zum Heimat-Kanal gibt es für jeden Geschmack den passenden Sender.Bei Großereignissen kann der Zuschauer zwischen verschiedenen Kamerapositionen hin- und herschalten, etwa bei Autorennen.Elektronische Programmzeitschriften führen den Zuschauer direkt auf dem Bildschirm durch das Angebot.Die neue Technik bietet aber nicht nur beim Angebot, sondern auch beim Kassieren völlig neue Dimensionen: Im "Pay-per-view"-Verfahren zahlt der Zuschauer einzeln für jede Sendung, die er gesehen hat.Während das private Digitalfernsehen nur gegen Bezahlung zu sehen ist, planen ARD und ZDF ein Angebot ohne Zusatzkosten.

Die Programmanbieter erwarten sich vom digitalen Fernsehen einen gewinnträchtigen Zukunftsmarkt, der allerdings auch Milliarden-Investitionen in die Technik erfordert.Nach einer Studie von 1997 sollen zur Jahrtausendwende drei bis fünf Prozent aller Privathaushalte (1,1 bis 1,9 Millionen) digital fernsehen.Ursachen für die bisherhigen Verzögerung sind u.a.technische Pannen bei der Einführung der Technik und die mangelnde Attraktivität der Programme.

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