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Ziemlich beste Freunde. Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici (rechts) hält große Stücke auf Jean-Claude Juncker.

© dapd

EU: Spiel mit verdeckten Karten

Frankreich hat Vorbehalte gegen Finanzminister Wolfgang Schäuble als neuen Chef der Euro-Gruppe. In Brüssel wird deshalb spekuliert, ob der Luxemburger Jean-Claude Juncker doch noch länger als geplant auf dem Posten bleibt.

Die neue Regierung in Frankreich hat weiter Vorbehalte gegen eine Berufung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum Chef der Euro-Gruppe. Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici bezeichnete den gegenwärtigen Amtsinhaber Jean-Claude Juncker zu Beginn dieser Woche in Brüssel als einen „exzellenten Vorsitzenden der Euro-Gruppe“. Diese Äußerung ist ein Indiz dafür, dass sich die neue Regierung in Paris für eine Verlängerung der Mitte Juli auslaufenden Amtszeit Junckers starkmachen könnte. Eine erneute Berufung des luxemburgischen Premierministers gelte neben der Nominierung Schäubles als eine von mehreren Optionen, hieß es am Mittwoch aus EU-Kreisen in Brüssel.

Der Vorsitz der Euro-Gruppe, den Juncker seit 2005 innehat, ist wegen der sich erneut zuspitzenden europäischen Schuldenkrise ein Schlüsselposten im europäischen Institutionengefüge. Juncker hatte zu Jahresbeginn signalisiert, das aufreibende Amt abgeben zu wollen. Ursprünglich hatte Schäuble als Favorit für die Nachfolge des luxemburgischen Regierungschefs gegolten. Seit dem Machtwechsel in Paris ist die Personalie allerdings zur Hängepartie geworden. Frankreichs Sozialisten sind offenbar mit der Vorstellung nicht glücklich, dass künftig ein Deutscher und damit ein Vertreter des harten Sparkurses die Euro-Gruppe führen könnte. So hatte der neue Regierungschef Jean-Marc Ayrault dem französischen Wochenmagazin „L’Express“ gesagt, die Bevölkerungen in der EU seien eines „Sparklimas ohne Perspektiven“ müde.

Ob Juncker sein eigener Nachfolger wird oder doch ein anderer Kandidat zum Zuge kommt, werde von den Staats- und Regierungschefs erst beim EU-Gipfel am 28. und 29. Juni oder unmittelbar davor entschieden, hieß es in diplomatischen Kreisen in Brüssel.

Unklar ist indes, inwieweit die Vorbehalte der Sozialisten in Frankreich gegen Schäuble taktisch motiviert sind. So könnte eine harte Linie gegen den deutschen Sparkurs die Erfolgsaussichten der Sozialisten bei den Parlamentswahlen am 10. und 17. Juni verbessern. Außerdem will die neue Regierung in Paris beim nächsten EU-Gipfel ein möglichst umfassendes Wachstumspaket schnüren. Dabei ist Staatschef François Hollande auf das Entgegenkommen der Bundesregierung angewiesen – bei diesem Poker will er offenbar eine vorschnelle Festlegung auf den künftigen Euro-Gruppenchef vermeiden.

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