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Wirtschaft: EU verlangt von Städten mehr Transparenz

Brüssel kritisiert undurchsichtige Auftragsvergabe der Kommunen – und droht in 50 Fällen mit Strafen

Brüssel Die intransparente Vergabepraxis der deutschen Kommunen gerät immer schärfer ins Visier der Europäischen Kommission. In den Dienststellen von EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy türmen sich derzeit 50 EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Verstöße gegen die Ausschreibungspflichten der Gemeinschaft. Das bestätigte ein Kommissionssprecher dem Handelsblatt.

Kein anderes Mitgliedsland gerät wegen des Wirtschaftsgebarens seiner Städte, Gemeinden und Kreise so oft mit den EU-Gesetzen in Konflikt wie Deutschland. Der Anlass: Ob Abfall- oder Wasserwirtschaft, Gasversorgung oder Elektrizität – zwischen Friesland und Freilassing werden langfristige, oft milliardenschwere Aufträge und Konzessionen vorzugsweise ohne Ausschreibung vergeben. Darüber beschweren sich mehr und mehr private Konkurrenten vor deutschen Gerichten oder direkt bei der EU-Kommission.

Die beliebte freihändige Vergabe geht nicht nur oft zu Lasten der Steuerzahler. Sie verstößt auch gegen das Transparenzprinzip und gegen die Forderung der Nichtdiskriminierung von ausländischen Mitbewerbern. „Die deutsche Kommunalwirtschaft ignoriert systematisch die EU- Verträge“, urteilt ein mit den Fällen vertrauter Kommissionsbeamter. Die Kommission sei jedoch entschlossen, die Transparenzregeln konsequent durchzusetzen.

Die Widerstände der Kommunen gegen EU-konforme Ausschreibungen sind so groß, dass sogar Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs gegen Deutschland ignoriert werden. Nur auf massiven Druck der niedersächsischen Staatskanzlei hat die Stadt Braunschweig Anfang Juli einen freihändig an Eon vergebenen Abfallentsorgungsvertrag rückabgewickelt. Dem Bund als Partner der EU drohte ein Zwangsgeld von 126700 Euro pro Tag. Das Bundesfinanzministerium hatte Niedersachsens Landesregierung angedroht, sich über den Finanzausgleich jeden Cent zurückzuholen. Erst da wurde die Staatskanzlei aktiv.

Der Streit zwischen Brüssel und den deutschen Kommunen dürfte sich bald verschärfen. Die Städte beharren darauf, mit ehemaligen Eigenbetrieben, die heute gemischtwirtschaftlich operieren, „hausinterne Geschäfte“ zu betreiben. Die Kommunalpolitiker vergeben ihre lukrativsten Konzessionen weiter ohne Ausschreibung. Dieses Vorgehen ist nach einem Grundsatzurteil des EuGH vom Januar rechtswidrig. Selbst bei kleinen Privatanteilen an kommunalen Unternehmen müssen die Transparenzregeln der EU beachtet werden.

Mit ihrem Spruch haben die Luxemburger Richter die Kommunen aufgeschreckt. Nun droht eine Flut von Vertragsauflösungen und Schadenersatzforderungen. Immerhin befinden sich von den rund 1000 Stadtwerken in Deutschland inzwischen 30 Prozent teilweise in privater Hand. Die Kommunen, die unter chronischer Geldnot leiden, nehmen private Partner mit offenen Armen auf. So wächst die Zahl der Beteiligungen von Jahr zu Jahr. Hamburg als Spitzenreiter hält 400 private Beteiligungen, Berlin 320, Mannheim 170.

Sogar die im Bundesverband der deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) organisierten privaten Anbieter beobachten den Liberalisierungsdruck, der auf den Kommunen lastet, kritisch. Man fürchtet, dass in den Rathäusern zur Abwehr der Transparenzforderungen aus Brüssel massiv re- kommunalisiert wird. „Die wünschenswerte Privatisierung darf nicht auf der Strecke bleiben“, warnt ein Sprecher. sce (HB)

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