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Wirtschaft: EU will die Frauenquote

Bis zum Jahr 2020 sollen 40 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder weiblich sein.

Die schon lange angekündigte europaweite Einführung einer Frauenquote in Großunternehmen nimmt Gestalt an. Der Gesetzentwurf aus dem Hause der EU-Grundrechtekommissarin Viviane Reding, der dem Tagesspiegel vorliegt, ist am Montag den anderen Ressorts der Brüsseler Behörde zur Abstimmung übersandt worden. Mit großen Änderungen bis zur Vorstellung Ende Oktober ist nach Einschätzung von Beobachtern aber kaum zu rechnen, da der Text bereits weniger radikal ausfällt als von den Gegnern befürchtet und von den Befürwortern erhofft. „Frau Reding legt einen verhältnismäßigen Gesetzesvorschlag vor“, hieß es in Brüsseler EU-Kreisen. Mehrere weibliche Europaabgeordnete kündigten daher bereits an, im anschließend beginnenden Verhandlungsprozess mit den EU-Regierungen noch eine Verschärfung des Entwurfs erreichen zu wollen.

Grundlage von Viviane Redings Vorstoß ist Artikel 157 des EU-Vertrags, der europäische „Maßnahmen zur Gewährleistung der Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen“ erlaubt. Die Luxemburger Kommissarin schlägt nun für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen einen verpflichtenden Frauenanteil in Höhe von 40 Prozent vor. Bisher liegt der Frauenanteil nach Kommissionsangaben bei lediglich 13,7 Prozent. Um diesen Wert entsprechend zu steigern, hätten Konzerne und Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und weniger als 50 Millionen Euro Jahresumsatz noch acht Jahre Zeit. Einzig staatliche oder halbstaatliche Konzerne würden wegen ihrer Vorbildfunktion verpflichtet, die 40-Prozent-Marke nicht erst 2020, sondern bereits 2018 zu erreichen.

Unternehmen, die dann die entsprechenden Vorgaben nicht erfüllen, würden bestraft. Die EU-Staaten könnten dabei jedoch aus einem Angebot von vier Sanktionen wählen, die in Redings Vorschlag aufgelistet sind: Das kann ein bei der Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht festzulegendes Bußgeld sein. Zweitens könnte das Unternehmen in Zukunft nicht mehr berechtigt sein, staatliche Beihilfen zu bekommen. Drittens schlägt Redings Behörde einen Ausschluss von der öffentlichen Auftragsvergabe vor. Und viertens könnte die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds für null und nichtig erklärt werden, damit die Quote wieder erreicht wird. Allerdings bekämen die Unternehmen über eine „Flexibilitäts-Klausel“ auch die Möglichkeit, in begründeten Fällen die verlangte Quote nicht zu erfüllen. Dies kann laut dem Gesetzentwurf der Fall sein „in außergewöhnlichen Fällen, wenn eine ausreichende Zahl von gleichqualifizierten Kandidaten des unterrepräsentierten Geschlechts nicht gefunden werden konnte“. Besonders für Deutschland ist interessant, dass Ausnahmen auch dann möglich sein sollen, wenn Aufsichtsratsmitglieder vom Arbeitnehmerlager entsandt werden. Zudem wird den EU-Staaten in dem Entwurf die Möglichkeit eingeräumt, das Unterschreiten der Quote in solchen Betrieben für zulässig zu erklären, in denen „der Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts besonders klein ist und unter 20 Prozent der Mitarbeiterzahl liegt“.

Trotz dieser flexiblen Elemente kritisierte Familienministerin Kristina Schröder den Brüsseler Gesetzentwurf: „Normal arbeitende Frauen brauchen flexiblere Arbeitszeiten statt starrer Aufsichtsratsquoten.“ Weiter sagte die CDU-Politikerin, die in Sachen Frauenquote seit langem mit Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (ebenfalls CDU) über Kreuz liegt, Deutschland komme „auch ohne die Einmischung von Frau Reding gut voran – in den Dax-30-Aufsichtsräten sind allein in diesem Jahr 40 Prozent der freien Stellen mit Frauen nachbesetzt worden“. Von der Leyen lobte dagegen Redings Entwurf, der sich entgegen ersten Annahmen nur an die Aufsichtsräte und nicht an die Vorstände richtet. Man habe „nicht zu stark ins operative Geschäft eingreifen wollen“, hieß es am Montag in Brüsseler EU-Kreisen.

„Auch hier hätte ich mir mehr Mut gewünscht“, kritisierte die SPD-Europaabgeordnete Kerstin Westphal. In Deutschland seien nur drei Prozent aller Vorstandsposten mit Frauen besetzt. Zudem rügt die Sozialdemokratin die lange Übergangszeit bis 2020 und die Tatsache, dass die Auswahl der Sanktionen den Mitgliedsländern überlassen werden soll. Die Grünen-Fraktionschefin Rebecca Harms sprach im Tagesspiegel von einem „ersten Schritt“. Nun sei „das Europaparlament gefordert, mehr herauszuholen“.

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