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Wirtschaft: Euro-Countdown: noch 26 Wochen: Aus einem Geldschein werden 800 Schnipsel

"Der Countdown läuft - der Euro kommt." Bis zum Jahreswechsel werden wir in einer Serie jeweils am Sonnabend mit Berichten, Reportagen, Interviews und Standpunkten verschiedene Aspekte der Euro-Bargeldeinführung beleuchten.

"Der Countdown läuft - der Euro kommt." Bis zum Jahreswechsel werden wir in einer Serie jeweils am Sonnabend mit Berichten, Reportagen, Interviews und Standpunkten verschiedene Aspekte der Euro-Bargeldeinführung beleuchten.

Was bloß tun mit Hunderten von Milliarden Mark? Während das Land Berlin schon über den Bruchteil einer solchen Summe glücklich wäre, zerbrechen sich unzählige Leute in den Landeszentralbanken den Kopf, wie man das Geld los wird. Und zwar schnell, ökologisch verträglich und - kostengünstig. Schließlich sind die 2,8 Milliarden Scheine und die nach sehr vorsichtigen Schätzungen 28,5 Milliarden Münzen, die die Bundesbürger gegen Euros eintauschen werden, für die Notenbanken nichts anderes als Abfall.

Ein Berg - hoch wie 30 Mount Everests

Keine geringe Menge: allein die Banknoten ergäben übereinandergestapelt einen Turm, der dreißig Mal so hoch wäre wie der Mount Everest. Da fallen die etwa 100 000 Tonnen Münzen, die sich momentan noch in Portemonnaies, Sparschweinen, Ladenkassen und Sofaritzen befinden, gar nicht mehr so sehr ins Gewicht. Die Deutsche Bundesbank beauftragte die Landeszentralbank im Freistaat Bayern, in Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Instituten Recyclingmöglichkeiten für das bunt bedruckte Papier ausfindig zu machen. Das Ergebnis von zwei Jahren sieht verschiedene Alternativen vor: "Wir empfehlen, das Geld der energetischen Verwertung zuzuführen", sagt Werner Dietel, Leiter der Abteilung Organisation, Controlling und Zahlungsverkehr in der Landeszentralbank. Das heißt: 34 000 Kubikmeter Banknoten werden verbrannt.

Kein Grund zur Sentimentalität. Schon jetzt ist die Lebensdauer eines Geldscheins nicht unendlich. In jeder der neun Landeszentralbanken und deren 120 Filialen steht eine große Maschine, die stapelweise Geldscheine "frisst"; die noch brauchbaren Banknoten werden wieder ausgespuckt und jeder unbrauchbare Schein wird sekundenschnell in 800 Schnipsel zerschreddert - "unmöglich, die wieder zusammenzusetzen", sagt Dietel. Die Schnipsel werden zu Briketts gepresst und normalerweise im Rahmen des Hausmülls entsorgt. So fallen schon jetzt etwa 800 Tonnen Geld-Müll pro Jahr an.

Für Anfang des nächsten Jahres werden nun auf einmal 2800 Tonnen erwartet, die die Maschinen zerschreddern werden. Und das soll alles in den Ofen? "Alle anderen Möglichkeiten, die wir geprüft haben, sind ungünstiger", sagt Dietel. Weil sie technisch nicht machbar, ökologisch fragwürdig oder unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten Unsinn sind. So wurde überlegt, die Geldscheine zu kompostieren. Schließlich handelt es sich um ein Naturprodukt, das größtenteils aus Baumwolle besteht. Leider sind die Farben weniger natürlich und würden giftige Rückstände im Boden hinterlassen.

Für die Papierherstellung sind Banknoten auch nicht geeignet, denn die extrem hohe Reißfestigkeit und Nässebeständigkeit macht die Verwertung schwierig. Vielleicht als Replik darauf kam der Vorschlag, das Geld zu Toilettenpapier zu recyclen. "Ich bin mir nicht sicher, ob dies nicht eher ein Gag war", sagt Werner Dietel. Einer Notenbank sei diese Form subtiler Kapitalismuskritik jedenfalls nicht ganz angemessen. In die gleiche Kategorie fiel auch die Idee, das Geld zu Konfetti für etliche Jahre Karnevalsfrohsinn zu verarbeiten. Andere Möglichkeiten der Verwertung wurden zwar ernsthaft geprüft, mussten dann aber doch verworfen werden: so kann man die Geldbriketts theoretisch als Beimischung in der Ziegelherstellung verwenden. Doch ein Test ergab, dass dadurch Hohlräume im Ziegel entstehen.

Andere Verwendungsmöglichkeiten führten zu durchaus schönen Prototypen: Dämmwolle aus Geld, Hartfaserplatten für den Trockenbau oder als Trägermaterial für Sporthallen- oder Laminatböden, ja sogar ein paar stabile "Geldkoffer" existieren, in denen kein Geld ist, sondern die aus Geld bestehen. Doch in Serie gehen wird das alles nicht: "Das Problem ist immer das gleiche", sagt Dietel, "schwierig ist die Logistik der Entsorgung." Die Notenschnipsel fallen dezentral an, und es sei einfach zu teuer, alles an einen bestimmten Punkt zu transportieren. Unökologisch ist es außerdem. Also werden die Banknoten doch in Heizkraftwerken oder als zusätzliches Brennmaterial bei die Zementherstellung verwertet. "Abfallverwertungsanlagen gibt es flächendeckend, das ist einfach zu organisieren." Schnell geht es auch: Das einzige Zementwerk, das von der Bayerischen Landeszentralbank beliefert wird, braucht im Jahr 60 000 Tonnen Brennmaterial. Die Mark-Scheine sind da nur eine Beimischung.

Rohstoff für die Baustahlproduktion

Die stoffliche Verwertung der Münzen wird besser klappen. Das Geld soll eingeschmolzen und dann nach Möglichkeit verkauft werden, erklärt das Bundesfinanzministerium. Die Kupfer-Nickel-Münzen, das sind alle ab 50 Pfennig aufwärts, können für die Edelstahlherstellung verwendet werden (Vgl. Kasten). Die minderwertigen Ein-, Zwei- und Zehn-Pfennigstücke sind dagegen Stahlmünzen mit einer Kupferauflage und können immerhin noch als Zusatzstoff in die Baustahlherstellung einfließen. Eine Verwertungsfirma ist mit der Suche nach Interessenten beauftragt.

Es gibt aber noch ganz andere Möglichkeiten, was man mit Geld machen kann. Das Künstlerduo Hartmann & Babl ließ sich von der Landeszentralbank geschredderte 100 Millionen Mark schenken und flutete damit unlängst den kleinen Wasserspeicher am Prenzlauer Berg. Das Motto der Performance: "Der Schein trügt." Warum dann nicht gleich die Verwirklichung eines höchst materiellen Traums: ein Speicher voller Geld, nur zum Hineinspringen wie ein Delfin, drin rumwühlen wie ein Maulwurf und es in die Luft schmeißen, dass es einem auf die Glatze prasselt. Ein Vergnügen, das bislang Dagobert Duck vorbehalten war.

Sonja Niemann

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