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Euro-Krise: Vereint gegen die Leerverkäufe

Angela Merkel und Nicolas Sarkozy drängen EU zu Verbot von Börsenwetten. Ohne die Einigkeit zwischen Berlin und Paris geht wenig in Europa, das derzeit um die Lehren aus der Griechenland-Pleite debattiert.

Berlin - Als Polit-Profis wissen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, wie man sich selbst aus der Schusslinie der Öffentlichkeit nimmt: einfach jemand anderem die Schuld in die Schuhe schieben. Getroffen hat es nun EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Der Portugiese solle gefälligst seine Arbeit an strengeren Regeln für die Finanzmärkte „beschleunigen und intensivieren“, schreiben ihm die Kanzlerin und der französische Präsident in einem gemeinsamen Brief vom Mittwoch. Schließlich werfe die jüngste Berg- und Talfahrt der Märkte „einige legitime Fragen auf“. Man sei zuversichtlich, mit Barrosos „uneingeschränktem Engagement“ rechnen zu können, schließen sie – in eher ungeduldigem Ton.

Die Regierungschefs plädieren für ein EU-weites Verbot ungedeckter Leerverkäufe auf alle oder bestimmte Aktien und Staatsanleihen. Auch ungedeckte Kreditausfallversicherungen auf Staatsanleihen sollten verboten werden. Mit ungedeckten Leerverkäufen können Anleger auf sinkende Kurse von Wertpapieren spekulieren, ohne diese überhaupt zu besitzen. Bei ungedeckten Kreditausfallversicherungen können Investoren eine Versicherung auf den Zahlungsausfall eines Gläubigers abschließen, ohne im Besitz einer Forderung zu sein. Beide Instrumente stehen in dem Ruf, Kursstürze zu beschleunigen.

Der Druck aus Berlin und Paris wirkt: Schon im Sommer werde man nun Vorschläge zu dem Thema vorlegen, sagte eine Sprecherin Barrosos. Bislang war dafür der Oktober angepeilt, weitere Gesetze sollten erst Anfang 2011 kommen.

Doch die vorgebliche Harmonie, in der Merkel und Sarkozy vorgehen, überrascht. Tatsächlich machten Deutschland und Frankreich seit Beginn der Schuldenkrise eher mit Dissonanzen von sich reden. Den jüngsten Eklat gab es vergangenen Montag: Da war Sarkozy beinahe schon auf dem Weg zum Flughafen, er wollte mit Merkel bei einem Abendessen in Berlin den EU- Gipfel in der nächsten Woche vorbereiten. Da verschob die Kanzlerin den Termin plötzlich, wohl wegen der Debatte um das deutsche Sparpaket. Eine so kurzfristige Absage eines so wichtigen Termins hat es noch nie gegeben. Ein Sprecher Merkels sagte allerdings, das Treffen habe man einvernehmlich verlegt.

Der gemeinsame Brief ist da wohl nur eine Geste der Geschlossenheit. Ohne die Einigkeit zwischen Berlin und Paris geht wenig in Europa, das derzeit um die Lehren aus der Griechenland-Pleite debattiert. Angefangen hatte der Streit mit einer Stichelei von Frankreichs Wirtschaftsministerin Christine Lagarde, Deutschland solle seine Handelsüberschüsse reduzieren, um Europa stabiler zu machen. Das kam in Merkels Lager als Neid auf den deutschen Exporterfolg an.

Über Kreuz lagen Merkel und Sarkozy auch bei der Rettung Griechenlands. Der Präsident wollte Athen rasch helfen, die Kanzlerin forderte erst einmal Sparerfolge. Dieses Zaudern habe das Hilfspaket unnötig verteuert, meckerten die Franzosen daraufhin. Obendrein reklamierte Sarkozy die Aktion als seinen Erfolg – er habe sich mit „95 Prozent“ seiner Forderungen durchgesetzt, tönte er. Merkel war davon kaum begeistert – ebenso wenig wie von Sarkozys Bestrebungen nach einer europäischen Wirtschaftsregierung, bei der die Deutschen die Zahlmeister wären.

Auch die Haushaltspolitik beider Staaten steht nicht eben für Gleichklang: Während Merkel prahlt, ihr Sparprogramm sei ein „einmaliger Kraftakt“, sagte Konjunkturminister Patrick Devedjian am Mittwoch, das ohnehin schwache Wachstum dürfe nicht „abgewürgt“ werden. Und das, obwohl Frankreichs Haushaltsloch 2010 bei acht Prozent der Wirtschaftsleistung liegen wird.

Trotz aller Differenzen sind Berlin und Paris aber zur Zusammenarbeit verdammt – das mahnen auch Finanzexperten an. „Das deutsch-französische Verhältnis ist von zentraler Bedeutung für die Konsolidierung in Europa“, sagte Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise dieser Zeitung. „Wenn wir die Chance dieser Krise nutzen wollen, müssen beide Länder zusammenhalten.“ Meinung & Seite 20

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