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 überzeugten Europäer sieht sich Marcel Fratzscher, der im Februar kommenden Jahres die Leitung des Deutschen Instituts für Wirtschaftforschung (DIW) übernimmt. Der 41-Jährige leitet derzeit die Abteilung für internationale wirtschaftspolitische Analysen bei der Europäischen Zentralbank. Und weil die EZB eine wichtige Rolle in der Schuldenkrise spielt, will er sich zu dem Thema zum jetzigen Zeitpunkt nur vage äußern.

© Georg Moritz

Eurokrise: „Die Bankenunion ist ein guter Schritt“

Marcel Fratzscher, der neue Chef des DIW, über die Schuldenkrise und den Streit der Ökonomen.

Herr Fratzscher, was wird aus Griechenland?

Als überzeugter Europäer wünsche ich mir, dass alle Länder in der Euro-Zone bleiben.

Wie soll das bei den enormen Unterschieden der nationalen Kulturen und Wettbewerbsfähigkeiten funktionieren?

Es gibt viel wirtschaftliche Heterogenität in der Euro-Zone. Aber die Idee von Europa und das Ziel der Euro-Zone war, mehr Konvergenz zu haben, die ärmeren Länder sollten zu den reicheren aufschließen. An dieser Idee hat sich nichts geändert.

Sind Sie da sicher?

Zum Teil hat die Idee zumindest am Anfang der Währungsunion funktioniert. Aufgrund verschiedener Einflüsse und Mechanismen sind nun aber die Divergenzen größer geworden. Trotzdem bin ich noch immer von einem gemeinsamen Europa überzeugt, in dem Länder unterschiedlich sind und sich doch mit der Zeit aufeinander zu entwickeln.

Warum sieht die schöne Idee derzeit in der Praxis so erbärmlich aus?

In den Rahmenbedingungen für die Währungsunion wurden einige wichtige Dinge weggelassen. Neben eine Währungsunion hätte eine fiskalische Union gehört, weitere wirtschaftspolitische Integration und eine Bankenunion. Es gab den Stabilitätspakt mit den Maastricht-Kriterien, gegen die aber, auch von Deutschland, verstoßen wurde. Die unzulänglichen Rahmenbedingungen der Währungsunion sind ein wichtiger Teil der Ursache der Krise.

Kommen wir mit den inzwischen beschlossenen Maßnahmen aus dem Schlamassel?

Es gibt erste gute Schritte. Dazu gehört die Banken- und Finanzmarktunion, wie sie auf dem EU-Gipfel Ende Juni beschlossen wurde.

Gegen diesen Punkt haben rund 250 deutsche Ökonomen protestiert.

Es gab auch einen Gegenappell von anderen Ökonomen. Es ist doch gut, dass es eine Debatte gibt, auch mit unterschiedlichen Meinungen unter Wissenschaftlern. Denn Diskurs führt am Ende hoffentlich zu guten Lösungen und einer besseren Politik.

Ihr Name stand unter keinem Appell.

Das wird auch bis zum 1. Februar, bis ich mein Amt hier beim DIW antrete, so bleiben.

Aber Sie haben mehr Verständnis für Peter Bofinger als für Hans-Werner Sinn, den Gegner einer Bankenunion?

Da würde ich mich nicht festlegen. Es gibt auf allen Seiten bestimmte Wahrheiten und Fakten, die man nicht ignorieren kann. Wir brauchen zum Beispiel ein striktes Regelwerk in Europa, an das sich alle Regierungen halten müssen. Konkret bei der Bankenunion bin ich davon überzeugt, dass eine einheitliche europäische Aufsicht und Regulierung ein ganz wichtiger Punkt ist. Zum einen, um die Verbindung zwischen Banken und Staaten auf nationaler Ebene aufzubrechen. Zum anderen, um zu berücksichtigen, dass Banken heute nicht mehr national operieren. Wenn eine spanische Bank Probleme hat, dann schlägt das auf uns durch.

Brauchen wir in der Währungsunion mehr gemeinschaftliche Haftung?

Wenn man eine sehr langfristige Vision hat. Wie es funktionieren kann, zeigen die USA. Es gibt einzelne Bundesstaaten, die einen Grad an fiskalischer Unabhängigkeit haben, aber dabei extrem strikten Richtlinien unterliegen. Das geht zurück auf das 18. Jahrhundert, als einzelne Staaten extrem verschuldet waren und die Regierung in Washington dagegen vorging.

Und das ist ein Vorbild für uns?

Die Amerikaner haben fast 200 Jahre dafür gebraucht. Wenn wir das in zehn oder 15 Jahren schaffen wollen, wäre das extrem ambitioniert. Eine Fiskalunion besteht aus zwei Teilen: erstens klare Regeln für die Länder, was sie fiskalisch machen dürfen und was nicht, also auch die Abgabe von Kompetenzen an europäische Institutionen. Und zweitens eine Art von Risikoteilung – wenn Länder durch eine schwierige Phase gehen, dann bekommen sie Unterstützung.

Und das machen die Deutschen mit?

Hier liegt die Betonung auf Rahmenbedingungen, also Fiskalunion mit Schuldenbremse, Sanktionen, wenn gegen Regeln verstoßen wird, und die Zentralisierung von Kompetenzen auf europäischer Ebene. Das wird vor allem in Deutschland diskutiert und betont. In anderen Ländern geht es eher um Hilfe und Absicherung. Am Ende gehören beide Seiten zusammen.

Die Deutschen tun sich schon schwer mit ihrem Länderfinanzausgleich. Wie soll das auf europäischer Ebene funktionieren?

Es ist extrem schwierig, keine Frage. Auch die demokratische Legitimität ist schwer herzustellen. Die Politik muss erklären, warum das langfristige Interesse an der Integration Europas auch kurzfristig Transfers rechtfertigt.

Sie waren zur Zeit der Asienkrise Ende der 90er Jahre in Indonesien. Haben Sie damals etwas gelernt für den Umgang mit unserer aktuellen Krise?

Jede Krise hat eine ähnliche Dynamik, die Länder werden oft in ihren Fundamenten erschüttert. Indonesien hatte keine Nachbarn die helfen konnten. Die Wirtschaftsleistung brach um eine Fünftel ein, die Preise stiegen rasant, viele verloren ihren Job. Die Krise zwang die Regierung, das politische System und das Bankensystem dramatisch zu ändern. Nach knapp zwei Jahren ging es dann wieder aufwärts und das Land steht heute besser da als je zuvor. Die Hoffnung ist, dass wir durch Reformen in einigen Jahren das gleiche in Europa werden sagen können.

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