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Sonnige Aussichten? Mancher Anleger könnte sich da täuschen.

© AFP

Eurokrise: Zocken bis zum Schuldenschnitt

Griechenland ringt um einen Kompromiss mit seinen Gläubigern – und kleine Spekulanten rechnen sich einen großen Gewinn aus.

Wenn Boulevardzeitungen Geldanlage-Tipps geben, ist es meistens schon zu spät. Am Mittwoch dieser Woche war es so weit: „Bild“ berichtete über eine Staatsanleihe Griechenlands – das „irre Zockerpapier der Eurokrise“. Mit der Aussicht auf „unglaubliche“ Renditen werden mutigen Anlegern Hellas-Bonds schmackhaft gemacht. Die Rechnung: Griechen- Anleihen, die im März und Mai fällig werden, sind am Anleihemarkt derzeit zu Kaufkursen um 40 Prozent zu haben. 100 Prozent plus Zinsen muss Athen in wenigen Wochen zurückzahlen. Da locken fantastische Renditen und, gewiss, auch ein großes Risiko. „Bild“ selbst hat investiert: „Mögliche Gewinne werden gespendet.“

Dazu wird es wohl nicht kommen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Griechen ihre Anleihen bedienen können (und müssen), ist bis zu diesem Wochenende drastisch gesunken. „Wir sind einen Schritt vor dem Ende“, sagte der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos. Ungewollt zweideutig meinte er damit die seit Wochen laufenden Verhandlungen Athens mit dem Geschäftsführer des Internationalen Bankenverbandes IIF, Charles Dallara, und anderen Bankexperten über einen Schuldenschnitt. Die Gläubiger sollen auf die Hälfte des Nominalwerts ihrer griechischen Anleihen verzichten (100 Milliarden Euro) und den Rest in neue, 30 Jahre laufende Anleihen tauschen. Nach Informationen aus griechischen Banken war zuletzt ein Zinssatz für diese neuen Papiere von 3,8 Prozent im Gespräch. Noch vor wenigen Tagen hatte Dallara 4,0 Prozent vorgeschlagen, am Anfang der Verhandlungen gar acht Prozent. Je niedriger der Zins, den die Gläubiger akzeptieren, desto größer sind die Abschreibungen, die sie vornehmen müssen. Unter dem Strich läuft der sich abzeichnende Kompromiss auf einen Gesamtverzicht von gut 70 Prozent hinaus.

Doch ist Griechenland damit noch nicht gerettet. Der IIF repräsentiert nur 60 Prozent der Gläubiger Athens. Stimmen diese einem Schuldenschnitt zu, ist noch nicht gesagt, dass auch alle anderen freiwillig dabei sind. „Es gilt, so viele verschiedene Gläubiger zu überzeugen, da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll“, sagt Ulrich Rathfelder, Volkswirt bei der Helaba. Da fast alle Anleihen nach griechischem Recht emittiert wurden, kann die Mehrheit der Gläubiger auch nicht – wie im englischen Recht – die Umschuldungsregeln für alle übrigen vorgeben. Solche Klauseln (Collective Action Clauses) könnte Griechenland allerdings nachträglich einsetzen. Die restlichen Gläubiger würden so zum Kompromiss gezwungen. Dies wiederum würde ziemlich sicher ein „Kreditereignis“ auslösen und damit die Credit Default Swaps (CDS) – Kreditausfallversicherungen, von denen niemand genau weiß, wer wie viele davon hat und wer dann zahlen müsste.

Helaba-Experte Rathfelder hält dieses Szenario für wahrscheinlich, warnt aber vor Panikmache. „Ein Kreditereignis wird die Lage auch nicht mehr drastisch verschärfen“, meint er. Griechenland sei ohnehin am Boden. Und: „Der Schuldenschnitt ist nicht das letzte Wort.“ Früher oder später werde es auch die öffentlichen Gläubiger und womöglich sogar die Europäische Zentralbank (EZB), Athens größten Einzelgläubiger, treffen. „Ungeschoren kommt niemand davon.“

Auch die Kleinanleger nicht? Viele setzen offenbar darauf, dass der Anteil der zum Schuldenschnitt verpflichteten Gläubiger am Ende bei mehr als 90 Prozent liegt. Dann könnte nach Meinung einiger Experten der kleine Rest der privaten Gläubiger ungeschoren davonkommen und von den Griechen zu 100 Prozent bedient werden. Tatsächlich haben etliche private Spekulanten in den vergangenen Tagen wild mit den in Kürze fälligen Griechenland-Papieren spekuliert. An der Stuttgarter Börse entfielen 80 Prozent der Umsätze mit griechischen Anleihen auf die im März und Mai fälligen Papiere.

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