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Wirtschaft: Europäische Firmen trotzen der Asienkrise

Zum erwarteten Gewinneinbruch ist es bis jetzt nicht gekommen / Aber Wettbewerbsdruck durch Billigkonkurrenz wird zunehmenVON NICHOLAS BRAYWas doch ein paar Monate so alles ausmachen.Im letzten Quartal des vergangenen Jahres haben viele Investoren und Analysten noch gezittert, daß die Gewinne der europäischen Währungen wegen der Finanzschwierigkeiten in Asien unter Druck geraten könnten.

Zum erwarteten Gewinneinbruch ist es bis jetzt nicht gekommen / Aber Wettbewerbsdruck durch Billigkonkurrenz wird zunehmenVON NICHOLAS BRAYWas doch ein paar Monate so alles ausmachen.Im letzten Quartal des vergangenen Jahres haben viele Investoren und Analysten noch gezittert, daß die Gewinne der europäischen Währungen wegen der Finanzschwierigkeiten in Asien unter Druck geraten könnten.Jetzt, wo die Zahlen aus dem vierten Quartal langsam auf den Tisch kommen, zeigt sich, daß sich die Verluste bislang hauptsächlich auf einige wenige Branchen wie Banken und Luxusgüter beschränken.Andere Sektoren dagegen ernten die Früchte aus Restrukturierungsprogrammen und einem Aufschwung im Geschäftsverlauf, weil die kontinental-europäischen Volkswirtschaften aus der Flaute herauskommen. Das Ergebnis: Die Gewinne europäischer Unternehmen kletterten vergangenes Jahr um geschätzte 22 Prozent.Auch für das laufende Jahr wird ein starker Anstieg erwartet.Analysten gehen sogar davon aus, daß die vollen Auswirkungen der Asienkrise erst Ende diesen oder Anfang nächsten Jahres auf Europa durchschlagen werden."Auf den Bilanzpressekonferenzen werden zumeist Zahlen genannt, die über den Erwartungen liegen", sagt Brian Allworthy, Aktienanalyst bei Merrill Lynch in London.Für die Zukunft erwartet er einen weiterhin gesunden Anstieg des Gewinnwachstums, weil die Inlandsnachfrage den Export als Wachstumsmotor ablösen wird."Die Unternehmensgewinne werden uns über das gesamte Jahr überraschen", sagt Allworthy voraus. Das alles nützt den europäischen Banken, den Luxusgüterherstellern, Stahlfabrikanten und vielen anderen wenig.Für sie ist die asiatische Bedrohung nur allzu wahrhaftig.Großbanken wie die Deutsche Bank AG oder die französische Société Générale waren gezwungen, hohe Rückstellungen für Kredite im Asiengeschäft anzulegen.Weltweit agierende Getränkefirmen wie Diageo Plc., ein Zusammenschluß von Guinness Plc und Grand Metropolitain Plc., mußten eingestehen, daß der Absatz in Südkorea oder Thailand zurückgehen könnte.Freizügigen Einkäufen ausländischer Marken weicht in Asien die zwangsweise Sparsamkeit.Die europäischen Papierpreise sind aus Angst vor der Billigkonkurrenz aus Asien bereits gefallen.Stahl- und Chemieproduzenten blicken nervösen Auges auf ähnlichen Wettbewerbsdruck. Dennoch: Die meisten europäischen Firmen haben dem Sturm in Asien bislang getrotzt.Verkäufe in den aufstrebenden asiatischen Staaten sind nur ein kleiner Teil aller europäischen Exporte.Nach Ansicht von Daniel Beaumont, Analyst der Pariser Associes en Finance, wird die Asienkrise deshalb außerhalb von Banken und einigen wenigen Branchen nicht unbedingt zu fallenden Gewinnen führen. Die Prognosen von Associes en Finance erwarten, daß die europäischen Firmen ihre Gewinne im vergangenen Jahr um 22 Prozent gesteigert haben und 1998 wahrscheinlich um 14 Prozent zulegen."Asien hat einen Einfluß", gibt Beaumont zu, "denn das Wachstum in Europa wird in diesem Jahr schwächer ausfallen, als es die meisten Ökonomen vorhergesagt haben." Doch der Rückgang wird nicht so schlimm ausfallen, daß die Erholung in Europa gestoppt werde, so Beaumont. Peter Sutherland, Chef von Goldman Sachs International in London, stimmt ihm zu."Asien wird Auswirkungen auf das Wachstum der Weltwirtschaft haben", sagt Sutherland, "aber es wird die europäische Konjunkturlokomotive nicht zum entgleisen bringen." Eine ähnliche Botschaft sendet der englisch-holländische Konsumgüter-Riese Unilever aus.Nach den Worten von Vize-Vorstand Niall FitzGerald haben die Schwierigkeiten in Asien "keinen negativen Einfluß" auf das Ergebnis des vierten Quartals.FitzGerald erwartet zwar ein langsameres Wachstum in den aufstrebenden Märkten.Die verbesserten Rahmenbedingungen in Europa würden das aber mehr als wettmachen. Sicher, solche Diagnosen können immer zu optimistisch ausfallen.Europäische Firmen könnten in Zukunft durch niedrigere Preise für asiatische Waren auf den einheimischen und internationalen Märkten unter Druck geraten."Das ist eine Frage der Grenzpreis-Setzung", sagt Nicholas Ferguson, Vorsitzender von Schroders Venture.Billige Importe asiatischer Güter würden die europäischen Hersteller dazu zwingen, ihre Preise für ähnliche Waren herabzusetzen.Und dadurch würden auch die Gewinnspannen und die Profite fallen. Die Londoner Beratungsfirma Independent Strategy ist ebenfalls pessimistisch.Das Unternehmen warnt vor den deflationären Auswirkungen, die die billigen Importe haben könnten - mit Einfluß auf die Gewinnmargen in Europa.Das alles könnte letztlich zu einer unbefriedigenden Gewinnentwicklung im Verlauf des Jahres führen. "Die Exporte aus Asien werden zu Tiefstpreisen nach Europa kommen.Dadurch wird der Markt überschwemmt und die Firmen haben weniger Macht, ihre Preise durchzusetzen", so Independent.Die geplante europäische Einheitswährung könnte diesen Trend noch verstärken, glauben einige Analysten.Wenn die Währung wie erwartet eine höhere Preistransparenz für die Verbraucher mit sich bringt, wird das noch zusätzlichen Wettbewerbsdruck auf die europäischen Firmen ergeben. Selbst das muß den Interessen der europäischen Multis aber nicht unbedingt zuwiderlaufen.Nehmen wir nur den niederländischen Elektronikfabrikanten Philips Electronics NV, der Firmen in Indonesien, Korea, Malaysia, Thailand und anderen asiatischen Ländern besitzt.Analysten gehen davon aus, daß das Unternehmen als Netto-Exporteur aus der Region sogar Vorteile aus den niedrigeren asiatischen Wechselkursen schlagen und die Verkäufe in Europa erhöhen kann. Die europäischen Firmen ernten unterdessen die Früchte ihrer oft schmerzhaften Restrukturierung.So der französische Versorger Cie.Générale des Eaux.In einer zweijährigen Schlankheitskur hat das Unternehmen viele nicht zum Kerngeschäft gehörende Firmenteile abgestoßen.Jetzt nützt Générale des Eaux die europäische Deregulierung aus und expandiert in der Telekommunikation.Der Vorstandsvorsitzende Jean-Marie Messier hat einen Rekordgewinn für das abgelaufene Jahr von etwas über fünf Mrd.Franc angekündigt.Im Jahr 1996 waren es nur zwei Mrd.gewesen."Unsere Produktivitätsfortschritte zahlen sich jetzt aus", sagt Messier und fügt hinzu, daß es 1998 noch besser laufen soll als im Vorjahr.Die Asienkrise werde jedenfalls keinen "zu großen Einfluß" auf die europäischen Volkswirtschaften haben. Übersetzt und gekürzt von Daniel Wetzel (Turbinen), Joachim Hofer (Profite), Paul Stoop (Irak-Konflikt) und Markus Hesselmann (Indonesien).

NICHOLAS BRAY

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