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Eine Raffinerie von Shell gehört zu den wenigen Anlagen der deutschen Schwerindustrie, die bis 2020 überhaupt Kohlendioxid-Zertifikate ersteigern muss. Die meisten energieintensiven Industrieunternehmen haben mehr Zertifikate zugewiesen bekommen, als sie verbrauchen können.

© pircture-alliance/dpa

Europäische Klimapolitik: Schwerindustrie profitiert vom Emissionshandel

Das Öko-Institut hat ausgerechnet, dass die energieintensive Industrie in Deutschland eine Milliarde CO2-Zertifikate kostenlos zugeteilt bekommen hat, die die Unternehmen gar nicht gebraucht hätten. Manche haben ein Geschäftsmodell daraus gemacht. Und alle haben ihre Bilanzen geschönt.

Am kommenden Donnerstag wird der EU-Gipfel sich nicht nur mit der Krim-Krise beschäftigen. Ein Thema wird auch das mittelfristige Klimaschutzziel der Europäischen Union bis 2030 sein. Teil dieser Debatte ist der europäische Emissionshandel, der die Verbrennung von Kohlendioxid (CO2) verteuern und so die Investitionsbedingungen für saubere Energie und Produktionsverfahren verbessern soll. Doch angesichts eines gewaltigen Überangebots an CO2-Zertifikaten findet eine solche Lenkungswirkung schon jahrelang nicht mehr statt.

Die Bundesregierung lehnt Mindestpreise für Kohlendioxid ab

Deshalb hat die EU-Kommission vorgeschlagen, von 2020 an eine sogenannte Mindestreserve einzuführen, um bei Preisabstürzen zeitweise Zertifikate vom Markt nehmen zu können, die dann in Hochpreisphasen wieder zurückgegeben werden könnten. Die Bundesregierung hält diesen Vorschlag prinzipiell für gut, teilte sie der grünen Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock auf eine Kleine Anfrage mit. Auf die Frage, ob eine Reparatur des Emissionshandels schon vor 2020 stattfinden, oder generell wie in Großbritannien ein Mindestpreis für CO2 eingeführt werden sollte, antwortete die Parlamentarische Staatssekretärin des Umweltministeriums Rita Schwarzelühr-Sutter: „Die Bundesregierung ist der Meinung, dass nationale CO2-Mindestpreise keinen Beitrag zur Revitalisierung des EU-Emissionshandels leisten.“

"Ein Förderprogramm für die Industrie"

Annalena Baerbock ist damit sehr unzufrieden. Denn aktuell sei der Emissionshandel geradezu ein „Förderprogramm“ für die Schwerindustrie. Mit dieser Einschätzung bezieht sie sich auf eine aktuelle Studie des Öko-Instituts im Auftrag der Umweltstiftung WWF. Demnach verfügen allein neun in Deutschland tätige Raffinerien, Chemiefabriken, sowie Unternehmen aus der Eisen- und Stahl-, sowie der Zementindustrie über eine Milliarde ungenutzter CO2-Zertifikate, die sie kostenlos zugeteilt bekommen haben. Im europäischen Emissionshandelssystem gibt es aktuell nach Einschätzung der EU-Kommission rund zwei Milliarden CO2-Zertifikate mehr, als sie die in der EU tätigen Unternehmen verbrauchen können. Annalena Baerbock weist deshalb darauf hin, dass etwa das Stahlunternehmen Arcelor Mittal zwei Prozent mehr Zertifikate zugewiesen bekommen habe, als es verbraucht hat. Arcelor Mittal hat seine Bilanz mit dem Verkauf überschüssiger Zertifikate im vergangenen Jahr sogar deutlich verbessern können.

Die WWF-Klimaexpertin Juliette de Grandpré nennt den Emissionshandel deshalb einen „Goldesel für die Industrie“. Nach den Berechnungen des Öko-Instituts müssen nur drei Unternehmen – Shell, BP/Rosneft und BASF – bis 2020 überhaupt CO2-Zertifikate zukaufen, obwohl die Zuteilungsregeln 2013 geändert worden sind. Seither werden den Anlagen nur noch so viele CO2-Zertifikate kostenlos zugewiesen, wie sie die technisch beste Anlage benötigt, um zu produzieren. Die anderen Firmen, allen voran Thyssen-Krupp, bekommen weiterhin mehr Zertifikate kostenlos zugewiesen, als sie verbrauchen können.

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