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Wirtschaft: Europäische Luft- und Raumfahrtindustrie: "Die Amerikaner sitzen im Glashaus" - ein Interview Rainer Hertrich

Rainer Hertrich (50) ist seit März Vorstandsvorsitzender der DaimlerChrysler Aerospace AG (Dasa) in München und einer von zwei designierten Chief Executive Officer (CEO) des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS (European Aeronautic Defense and Space Company). Hertrich absolvierte eine Lehre als Industriekaufmann bei Siemens und studierte Betriebswirtschaft in Berlin und Nürnberg.

Rainer Hertrich (50) ist seit März Vorstandsvorsitzender der DaimlerChrysler Aerospace AG (Dasa) in München und einer von zwei designierten Chief Executive Officer (CEO) des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS (European Aeronautic Defense and Space Company). Hertrich absolvierte eine Lehre als Industriekaufmann bei Siemens und studierte Betriebswirtschaft in Berlin und Nürnberg. 1977 begann er als Sachbearbeiter im Controlling von Messerschmidt Bölkow Blohm (MBB) in München - ein Unternehmen, das 1989 in die Dasa integriert wurde. Zwischen 1987 und 1990 leitete er den MBB-Bereich Marine und Sondertechnik. 1991 wurde er Chef-Controller der Dasa und setzte das Kostensenkungsprogramm Dolores durch. 1996 wurde Hertrich Chef des Triebwerkherstellers MTU.

Herr Hertrich, welchen Stellenwert hat die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (Ila) für die Dasa und die EADS?

Die Ila verdeutlicht im Konzert mit den entsprechenden Messen im französischen Le Bourget und im britischen Farnborough das deutsche Gewicht in der Luft- und Raumfahrtindustrie. Die Rekordbeteiligung in diesem Jahr, die durch die zeitliche Nähe zur Flugzeugschau der Briten unter besonderem Konkurrenzdruck stattfindet, macht uns ein wenig stolz. Denn das zeigt auch das größere Gewicht, das dieser Messe und der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie beigemessen wird. Klar ist, dass es nicht besonders sinnvoll ist, auf Dauer zwei Ausstellungen in Europa unmittelbar aufeinander folgen zu lassen. Sinnvoller wäre ein Dreijahresturnus für Frankreich, Deutschland und Großbritannien.

Was bringen Sie nach Berlin mit?

Eine Premiere. Die Dasa wird zum ersten Mal mit den neuen Partnern Aérospatiale Matra und Casa unter einem Dach auftreten. Und wir hoffen, einige Entscheidungen zum Abschluss zu bringen.

Beispielsweise?

Wir erwarten die Bestellungen für den wichtigen Transporthubschrauber NH-90, der das größte Programm aller Zeiten in Europa sein und neuen Technologien zum Durchbruch verhelfen wird. Wichtig ist der NH-90 auch, weil er die Stellung von Eurocopter stärken wird. Wir rechnen mit einem Auftragsvolumen von sechs Milliarden Mark. Außerdem wollen wir die Gespräche über den Bau des Großraumjets A3XX zum Abschluss bringen.

Woran hakt es beim A3XX?

Wir wollten eigentlich bis zum 26. Mai alle offenen Fragen geklärt haben. Das ist nicht gelungen. Daher wurde die geplante Aufsichtsratssitzung verschoben. Ich hoffe, wir können in der zweiten Wochenhälfte auf der Ila eine Entscheidung herbeiführen.

Wie groß sind die Chancen, dass das neue Flugzeug tatsächlich gebaut wird?

Über 50 Prozent.

Wie viele Gesellschaften wollen den A3XX?

Bisher liegen uns von sechs Fluggesellschaften Absichtserklärungen vor; darunter von Air France, Emirates und Singapore Airlines.

Wie viel Bestellungen brauchen Sie, um an den Start gehen zu können?

Das lässt sich nicht mit einfachen Zahlen beantworten. Wir brauchen eine gute Auslastung. Es kommt auch darauf an, welche Kunden wir gewinnen können, welche Allianzen aus welchen Kontinenten.

Die Auftragslage von Airbus hat sich etwas normalisiert. Der Trend geht zu kleineren Maschinen. Käme der A3XX zur rechten Zeit?

Wir haben den Markt ausgiebig getestet. Die Ergebnisse sind eindeutig. Der beste Beweis ist die Antwort von Boeing. Die Amerikaner wollen eine gestreckte Version der 747 auf den Markt bringen. Wenn es keine Nachfrage gäbe, wäre das wohl kaum der Fall.

Bringt Boeing Ihre Pläne nicht durcheinander?

Nein. Wir haben mit dieser Reaktion von Boeing gerechnet. Tatsache ist, dass unser viel modernerer A3XX gegenüber einem gestreckten Jumbo erhebliche Betriebskostenvorteile haben wird. Wir bieten mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die Airlines.

Wie entscheidend ist die staatliche Hilfestellung für den A3XX?

Die Entwicklung kostet 10,6 Milliarden Euro. Wir erwarten, dass sich die Regierungen in Paris, Madrid und Berlin mit zinsgünstigen, rückzahlbaren Darlehen zu gut einem Drittel an diesen Kosten beteiligen werden. Das sind also keine Subventionen, sondern nur eine Art Vorfinanzierung. Auf die EADS kommen voraussichtlich Kosten in Höhe von vier bis fünf Milliarden Euro zu.

Der Bundeskanzler hat seine Unterstützung davon abhängig gemacht, dass Deutschland vom Bau des neuen Airbus profitiert. Das Großraumflugzeug muss demnach am Airbus-Standort Hamburg zusammengebaut werden. Wie realistisch ist das?

Wir brauchen ein Endmontagekonzept, das die Fähigkeiten und Kapazitäten der Partner wirtschaftlich optimal miteinander verbindet. Nur eine effiziente Endmontage kann einen Erfolg des A3XX leisten.

Ärgert es Sie, dass sich London und Paris stärker einsetzen?

Für mich zählt, dass wir am Ende die gleichen Wettbewerbsbedingungen haben wie in anderen Ländern. Und das hat uns die Regierung in Aussicht gestellt.

Haben Sie kein Problem damit, einerseits für Subventionsabbau einzutreten und andererseits beim Staat die Hand aufzuhalten?

Von mir aus können wir morgen damit aufhören. Nur wollen wir die gleichen Chancen wie die Amerikaner. In der US-Luft- und Raumfahrtindustrie wird vom Staat das Drei- und Vierfache dessen gezahlt, was in Europa an der Tagesordnung ist. Umfangreichen Aufträgen aus dem Pentagon ist es zu verdanken, dass die Amerikaner ihre Verkaufsschlager entwickeln konnten.

Dann müssen unsere Regierungen noch lange zahlen.

Wenn die bilateralen Bemühungen, sich im Rahmen der WTO zu einigen, fortgesetzt werden, sehe ich da gar nicht so schwarz. Das setzt freilich Transparenz voraus. Wer sagt, dass die staatlichen Airbus-Darlehen Wettbewerbsverzerrungen sind, muss sich selber in die Karten sehen lassen. Ich sage: Die Amerikaner sitzen im Glashaus.

Airbus war bislang ein eher loser Zusammenschluss. Das Firmenkonsortium ist auf dem Weg zu einer einheitlichen Gesellschaft. Beeinträchtigt die Bildung der EADS den Umbau?

Im Gegenteil. Unter dem EADS-Dach werden die Airbus-Partner Aérospatiale Matra, Casa und Dasa vereint. Das vereinfacht den Umbau. Künftig müssen statt vier nur noch zwei Parteien unter einen Hut gebracht werden: die EADS und die britische BAe.

Die Briten wollen ihren Airbus-Anteil von zurzeit 20 Prozent auf 30 Prozent erhöhen. Das wollen weder Dasa noch Aérospatiale Matra. Ist das kein Problem?

Wir befinden uns in intensiven Gesprächen, und es sollte im Grundsatz auch beim gegenwärtigen Anteilsverhältnis bleiben. Am Ende ist das eine Bewertungsfrage. Klar ist: Wir brauchen bei Airbus einstimmige Entscheidungen. Einer muss das Sagen haben.

Besteht nicht die Gefahr, dass am Ende zwei Blöcke die europäische Luft- und Raumfahrtindustrie bestimmen - die EADS und BAe in Verbindung mit der US-Konkurrenz?

Diese Überlegungen führen in die Irre. Man darf die Augen nicht vor den Tatsachen verschließen: Ob beim Airbus, beim Eurofighter oder beim Raumfahrtunternehmen Astrium - auf diesen und vielen anderen Gebieten kooperieren wir intensiv mit den Briten.

Hat London schon einen EADS-Aufnahmeantrag gestellt?

Nein, und damit rechne ich auch nicht.

Es gibt bereits viele europäisch-amerikanische Kooperationen. Was spricht gegen einen transatlantischen Luftfahrtkonzern?

Die Zeit ist noch nicht reif dafür. Die Einrichtung von EADS hat 30 Jahre gedauert. Ich will nicht sagen, dass wir 30 Jahre auf ein transatlantisches Bündnis warten müssen. Aber eine solche Zusammenarbeit entsteht nur durch gemeinsame Programme und Visionen. Ich glaube, wir haben eine Chance, gute Partner zu werden. Das setzt aber wie gesagt Gleichberechtigung und freien Technologiezugang voraus. Mit der Bildung der EADS hat die Industrie eine wichtige Voraussetzung für die transatlantische Kooperation geschaffen. Wir haben sozusagen jetzt die gleiche Augenhöhe wie die Amerikaner. Jetzt ist die Politik am Zug: Wir brauchen entsprechende politische Rahmenbedingungen bei Exportkontrollen und Technologieaustausch.

Offenbar gibt es bei der EADS-Bildung und beim A3XX Probleme mit den Partnern. Es geht dem französischen Anteilseigner Jean-Luc Lagardère nicht schnell genug. Stimmt das?

Nein. Es gibt keine vergleichbare Fusion, die schneller realisiert wurde. Innerhalb von sieben Monaten haben wir drei Nationen unter einen Hut gebracht und gehen im Juli an die Börse. Nebenbei kooperieren wir mit der italienischen Alenia und arbeiten am A3XX. Wie sollte das alles funktionieren, wenn wir uns nur streiten würden?

Warum wollen Sie inzwischen nur noch 28 Prozent an die Börse bringen?

Wir wollen über 34 Prozent an die Börse und damit in Streubesitz bringen. Aus verschiedenen Gründen werden wir aber zunächst nur knapp 30 Prozent platzieren.

Bei der Bewertung kommt es Analysten wie Börsianern auch auf die Rentabilität an. Müssen die Franzosen hier nicht gewaltig nacharbeiten?

Die Franzosen haben einiges abgearbeitet. Sie bauen ja bereits Stellen ab. Nur ohne so großes Getöse wie hierzulande.

Sie haben Dasa mit dem Dolores-Programm ein radikales Sanierungskonzept verordnet. Welche Renditeziele geben Sie der EADS vor?

Bis 2004 wollen wir eine Umsatzrendite von acht Prozent - das entspricht den Resulaten der Dasa. Dabei sind die Investitionen für den A3XX-Bau bereits enthalten.

Herr Hertrich[welchen Stellenwert hat die Interna]

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