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Google steigt ins Smart-Home-Geschäft ein. Datenschützer besorgt das.

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Europäischer Datenschutztag: "Am Ende kennen uns andere besser als wir selbst"

Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar spricht im Interview über die Gefahren des vernetzten Haushalts, Mega-Profile bei Google und fordert endlich angemessene Gesetze fürs Internetzeitalter.

Herr Caspar, als Google den Rauchmelderhersteller „Nest“ kaufte, haben Sie gewarnt, nun sei der Konzern in der Lage, einen Blick ins Wohnzimmer zu werfen. Müssen wir künftig Angst haben, von Haushaltsgeräten beobachtet zu werden?

Die Entwicklung geht nicht nur dahin, einen Blick ins Wohnzimmer zu ermöglichen, sondern auch hinter all die anderen verschlossenen Türen des Hauses. Mit der Vernetzung der Dinge in unserem Haushalt werden Daten für ein Abbild unseres gesamten Alltags generiert. Das ist problematisch, gerade wenn die Daten an ein Unternehmen gehen, das die Nutzer und ihre Gewohnheiten so gut kennt wie Google. Zu den Daten aus der  virtuellen Welt kommen nun auch alle Informationen darüber hinzu, was in unseren Wohnungen, dem Kern unserer Privatsphäre, geschieht.

Johannes Caspar ist der Hamburger Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit
Johannes Caspar ist der Hamburger Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit

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 Was sind das genau für sensible Daten?

Das Internet der Dinge kennt hier keine Beschränkungen. Grundsätzlich wird damit ein digitales Echo unserer täglichen Lebensführung  produzierbar: ob wir in den Trinknapf des Hundes genug Wasser gegeben haben, wie lange der Fernseher läuft und welches Programm wir dabei schauen, ob die Toilettenspülung betätigt wird und wie oft, welche Temperatur zu welcher Zeit in den Räumen herrscht, ob Raucher anwesend sind oder sich verderbliche Waren im Kühlschrank befinden. Die Analyse der Daten kann ergeben, wie viele Personen sich im Haushalt befinden, wann die Bewohner Ruhephasen einlegen, oder ob sie gerade hungrig sind. Letztlich lässt sich das gesamte Leben im Haushalt rekonstruieren.

 Und was ist daran so schlimm?

Die Daten könnten zu Werbezwecken kursieren oder staatliche Instanzen greifen darauf zu. Die Mega-Profile der einzelnen Nutzer werden noch detaillierter. Am Ende dieser Entwicklung kennen andere uns besser als wir selbst. Sie wissen schon vor uns, was wir wollen und tun werden – wie etwa Amazon, das plant, in Zukunft Waren bereits auszuliefern, bevor sie bestellt werden. Big Data soll es möglich machen.

Zudem stehen Internetdienste wie Google natürlich auf der Watchlist der amerikanischen Geheimdienste. Die Erfahrung geht dahin, dass Daten, die erst einmal für ganz konkrete Zwecke in der Welt sind, auch Begehrlichkeiten für andere Zwecke hervorrufen.

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Google steigt ins Smart-Home-Geschäft ein. Datenschützer besorgt das.
Google steigt ins Smart-Home-Geschäft ein. Datenschützer besorgt das.

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"Wir werden effizienter - aber auch abhängig"

 Auch Deutschland und die EU wollen mit den "Smart-Metern" Stromzähler einführen, die automatisch Daten versenden. Wo ist der Unterschied?

Gerade beim Smart-Meter gab es einen langen Vorlauf, in dem auch Datenschutzfragen erörtert wurden. Ergebnis der intensiven Diskussion, an der die Datenschutzbehörden beteiligt wurden,  war, dass die Datensouveränität der Betroffenen gewahrt werden soll. Neben einer transparenten Datenverarbeitung sollen hier die Grundsätze der Datenvermeidung, Datensparsamkeit und  der Verhältnismäßigkeit durch den Erlass von speziellen Rechtsnormen abgebildet werden.  Inwieweit das im Ergebnis ausreicht und umgesetzt wird, muss sich zeigen. Jedenfalls gilt es, sich über das Internet der Dinge konkret Gedanken zu machen.  Die allgemeinen Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes bieten keinen hinreichenden Schutz: Sie stammen größtenteils noch aus der Vor-Internet-Zeit und werden den Herausforderungen im Zeitalter der Ökonomisierung personenbezogener Daten in keiner Hinsicht gerecht

 Das heißt wir brauchen andere rechtliche Regelungen.

Ja. Grundsätzlich gilt dies für den gesamten Bereich des Datenschutzes im Internet schon lange. Weder auf Bundes-, noch auf europäischer Ebene ist es gelungen, in den letzten Jahren auch nur ansatzweise moderne Regelungsstrukturen einzuführen. Im Gegenteil: Das datenschutzrechtliche Schutzdefizit ist immer größer geworden. Die technische und ökonomische Entwicklung ist bereits vorbeigezogen.  Gerade Informations-, Auskunfts-, Löschungs- und Entscheidungsrechte der Betroffenen müssen gestärkt werden, damit wir überhaupt in die Lage versetzt werden, selbstbestimmt  zu entscheiden, ob und in welcher Weise eine komplexe Datenerhebung im Bereich unserer Privatsphäre für uns noch akzeptabel ist.

 Gibt es denn auch sinnvolle Anwendungsgebiete für die Smart-Home-Technik?

Selbstverständlich kann es bequem und angenehm sein, die Steuerung komplexer Vorgänge im Haushalt letztlich von außen erledigen zu können. Dadurch werden wir effizienter – keine Frage. Aber wir werden auch abhängiger und verletzbar durch die Technologie und die damit einhergehenden Risiken. Insoweit bedarf  es einer gut informierten Abwägung, ob der Einzelne die neuen Möglichkeiten nutzen möchte. Die Bedingungen hierfür muss der Gesetzgeber schaffen.

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