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Roter Teppich für die Filmbranche. Die Berlinale hat auch der Filmindustrie eine Menge zu bieten.

© REUTERS/Fabrizio Bensch

Europäischer Filmmarkt EFM: Hinter den Kulissen der Berlinale

Der European Film Market der Berlinale ist der erste internationale Branchentreff des Kinojahres. 2015 steht der EFM unter neuer Leitung. Matthijs Wouter Knol öffnet den Marktplatz für neue Formate.

Seine Berlin-Premiere hatte Matthijs Wouter Knol vor fast sieben Jahren. Seit 2008 lebt der Niederländer in der Stadt. An diesem Donnerstag kommt ein roter Teppich in seiner Biografie hinzu: Knol eröffnet zum ersten Mal als neuer Direktor den European Film Market (EFM), einen der wichtigsten Handelsplätze für Produzenten und Film-Verleiher.

„Es gibt viel zu tun“, sagt Knol wenige Tage vor der Berlinale. Aber von Stress keine Spur. Die Tatsache, dass die Großen der Branche aus Hollywood, Asien und anderswo in Berlin sein werden und dass es auf dem EFM mit rund 500 Ausstellern und 8000 Besuchern aus 100 Ländern wieder um einige hundert Millionen Euro Umsatz beim Verkauf von rund 800 Filmen und Filmrechten gehen wird, macht Knol offenkundig kein bisschen nervös.

Entspannt, konzentriert, ernsthaft gibt der 37-Jährige, der am 1. Juni 2014 seine Arbeit aufnahm, Einblick in das bislang größte Projekt seiner Karriere. Ein Projekt, das rasant an Größe und Bedeutung gewonnen hat. „Der EFM in Berlin ist der erste Marktplatz des Jahres und international neben dem Marché du film in Cannes und dem American Film Market in Los Angeles einer der drei wichtigsten“, sagt Knol. Seitdem die Amerikaner vor zwölf Jahren ihren Messe-Termin vom Frühjahr in den Herbst verschoben, ist der EFM eine Art Stimmungsindikator für das neue Filmjahr. Mit gewissem Stolz ist sich Knol seiner Rolle bewusst.

Matthijs Wouter Knol. Der Niederländer leitete seit 2008 das „Berlinale Talents“-Programm. Seit 2015 ist er für den EFM verantwortlich.
Matthijs Wouter Knol. Der Niederländer leitete seit 2008 das „Berlinale Talents“-Programm. Seit 2015 ist er für den EFM verantwortlich.

© promo

Matthijs Wouter Knol? Wer?

Mancher Gast mag in diesem Jahr erstaunt feststellen, dass an der Spitze des EFM eine Ära zu Ende gegangen ist: Die Ära von Beki Probst, die ein Vierteljahrhundert lang die Geschäfte des Marktplatzes führte. 2014 gab die „Herzdame der Berlinale“, wie das „Handelsblatt“ Probst nannte, das Amt als operativ tätige Messechefin ab. Nun ist sie EFM-Präsidentin, und ihr Netzwerk an Kontakten dürfte auch für Knol hilfreich sein.

Die Industrie schätzt das direkte Feedback des Publikums

Auch er kennt den Festival-Betrieb bestens. Seit 2008 leitete Knol das „Berlinale Talents“-Programm, eine Plattform für junge Nachwuchs-Produzenten, Autoren, Schauspieler und Verleiher. Berlinale-Leiter Dieter Kosslick begrüßte Knol im vergangenen Jahr als „festivalerfahrenen Profi, der die Synergien aus der engen Verknüpfung von Festival und EFM strategisch ausbauen wird“. Business-Deutsch, das man von Dieter Kosslick eher selten hört. Aber der Berlinale- Direktor, der – anders als Knol – das Scheinwerferlicht und den roten Teppich sucht, formuliert damit, was die Berlinale besonders macht: eine Mischung aus Kunst, Kommerz und Publikum.

Kommt der neue EFM-Chef noch dazu, während des Film-Festivals ins Kino zu gehen? „Natürlich schaue ich mir auch selbst Filme auf der Berlinale an“, versichert Knol. „Schön am EFM ist, dass er tagsüber stattfindet. Abends kann man dann das ein oder andere Mal auch ins Kino gehen.“ Das gelte auch für die Industrievertreter, die es reizvoll fänden, dass Geschäft und Entertainment in Berlin so nah beieinander liegen. Ein direkteres Feedback des Publikums auf neue Filme gebe es bei keinem anderen Festival.

Das schätzen auch die Produzenten – vor allem die aus Berlin. „Es ist für die Berliner und die deutschen Produzenten bestimmt ein Vorteil, dass ihre Wege zum EFM so kurz sind: Sie treffen auf potenzielle Partner, die nicht zuletzt deshalb am EFM teilnehmen, weil sie den Kontakt zu hiesigen Produzenten suchen, die Projekte in und aus Deutschland und Berlin in der Pipeline haben“, sagt Mathias Schwarz, der bei der Produzentenallianz die Sektion Kino leitet. „Und weil das Geschäft ja sehr vielfältig ist, erstreckt sich die Bandbreite auf alle Größenordnungen und Genres.“

Dieses Jahr werden auf dem EFM erstmals TV-Serien verkauft

Marktplatz der Filmleute. Im Walter-Gropius-Bau werden sich auch auf der diesjährigen Berlinale Produzenten, Verleiher, TV-Sender und Online-Plattformen tummeln.
Marktplatz der Filmleute. Im Walter-Gropius-Bau werden sich auch auf der diesjährigen Berlinale Produzenten, Verleiher, TV-Sender und Online-Plattformen tummeln.

© promo

Auch in diesem Jahr wird es wieder eng werden auf den Fluren des Martin-Gropius-Baus und des Marriott Hotels, wo der EFM seine rund 200 Stände und Lounges aufgebaut hat. Beim ersten internationalen Branchentreff des Jahres will niemand fehlen. Vom kleinen Independent-Filmemacher bis zum großen US-Majorstudio haben sich alle angemeldet. Auch aus China, Japan und Korea sind viele Gäste da. Asien bildet wie schon in den Vorjahren einen Schwerpunkt etwa im Rahmen des 2014 gegründeten Netzwerks „Bridging the Dragon“, das die Zusammenarbeit europäischer und chinesischer Produzenten fördert. Neu ist eine Initiative, die gezielt Start-up-Unternehmen aus der Berliner Kreativwirtschaft ansprechen soll.

Stark vertreten sind dieses Jahr auch internationale TV-Anstalten. Denn Matthijs Wouter Knol hat eine noch kleine, aber vielversprechende Sektion für Serien-Produzenten eingeführt, die „Drama­Series Days“. Partner ist die Film- und Medienstiftung NRW, präsentiert werden zwölf Serien aus aller Welt, die noch nie gezeigt wurden. „Als Marktplatz möchten wir mit der Zeit gehen und das präsentieren, was vom Publikum tatsächlich gewollt und gesehen wird“, erklärt der Holländer, der an der Universität Leiden und in Rom Neuere Geschichte studiert hat. „Serien sind kein vorübergehender Hype, sie werden von immer mehr Menschen gesehen.“ Abstriche bei der Qualität müsse man im Vergleich zu Kinofilmen nicht machen. „Die Qualität ist häufig genauso gut wie bei Filmen, die im Programm der Berlinale gezeigt werden“, glaubt Knol. Auch sind es nicht mehr nur die Fernsehanstalten, die als Co-Produzenten auftreten. Onlinefirmen wie Netflix oder gigantische, im Westen kaum bekannte chinesische Internet- Plattformen treten inzwischen ebenfalls als Serien-Hersteller auf.

Produzenten finden in Berlin einfacher Partner

Neue Verbreitungswege wie die Youtube-Channels „bieten auch für kleinere und mit den Medien experimentierende Produzenten besondere Chancen“, glaubt Mathias Schwarz von der Produzentenallianz. Daher sei es nur folgerichtig, dass sich der EFM in diese Richtung öffne. „Dass es für die hiesigen Produzenten einfacher ist, hier nach Partnern zu suchen, anstatt nach Cannes oder in die USA reisen zu müssen, liegt auf der Hand.“ Hier sei der Ruf Berlins, ein „kreativer Hub“ zu sein, sicher gerade für Berliner Produzenten von Vorteil.

„Ein Filmmarkt ist kein Selbstläufer“, gibt EFM-Chef Knol zu bedenken. „Die Industrie, das Angebot, die Nachfrage und die Finanzierungsmodelle ändern sich mit den Nutzungsmöglichkeiten und Vorlieben des Publikums.“ Dass es bei der Berlinale neben der Kunst auch um Kommerz gehe, sei dem Großteil der Filmfans gar nicht bewusst. Daran möchte das EFM- Management auch nichts ändern. „Wir sind für die Industrie da, für das breite Publikum ist es nicht so relevant, dass in den Kulissen der Berlinale eines der größten Geschäfte der ­Filmbranche stattfindet.“

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