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Europäischer Gerichtshof: Keine Chance für Apothekenketten?

Apotheken dürfen nach Ansicht des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof nur von zugelassenen Apothekern geführt werden. Wird es in Deutschland nun doch keine Apothekenketten geben?

Bei den deutschen Apothekern dürften am Dienstag schon mal die Sektkorken geknallt haben. Motto der Party: Alles bleibt, wie es ist. Apothekenketten, die es in Ländern wie den USA, der Schweiz oder Norwegen schon länger gibt und die mehr Wettbewerb ermöglichen, sollen in Deutschland voraussichtlich auch in Zukunft verboten bleiben. Inhaber einer Apotheke darf hierzulande wohl auch künftig nur ein Apotheker sein und keine Kapitalgesellschaft.

Zu verdanken haben die Apotheker das Yves Bot, dem Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Bot vertrat am Dienstag in seinem Schlussantrag für viele überraschend die Meinung, dass Apotheken nur von zugelassenen Apothekern besessen und betrieben werden dürfen. Entsprechende Rechtsvorschriften in Deutschland und Italien seien gerechtfertigt. Das endgültige Urteil wird zwar erst im kommenden Jahr erwartet, in 80 Prozent der Fälle folgt der EuGH aber der Stellungnahme des Generalanwalts. Viele Experten hatten zuvor mit einer Liberalisierung des Apothekenmarktes gerechnet.

Das ist ein herber Rückschlag für die niederländische Versandapotheke Doc Morris. Das Unternehmen, das inzwischen dem Pharmagroßhändler Celesio gehört, hatte im Juli 2006 versucht, das traditionelle deutsche System aus den Angeln zu heben, als es in Saarbrücken eine eigene Filialapotheke mit angestellten Apothekern eröffnete. Gegen die vom Saarland erteilte Zulassung klagten die saarländische Apothekerkammer und der Deutsche Apothekerverband, die Konkurrenz für die rund 21 500 Apotheken befürchteten. Die Standesvertreter sahen in der Filialgründung eine Verletzung des deutschen Fremdbesitzverbotes. Dieses schreibt vor, dass ein zugelassener Apotheker nur maximal vier Filialen betreiben darf. Doc Morris und das Land Saarland beriefen sich dagegen auf die von der Europäischen Union garantierte Niederlassungsfreiheit. Das Verwaltungsgericht des Saarlandes hatte die Frage zur Klärung an den EuGH weitergereicht.

Generalanwalt Bot konnte nun „in der festgestellten Beeinträchtigung keinen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht“ erkennen. Das deutsche Fremdbesitzverbot beschränke zwar die Niederlassungsfreiheit der EU, sei aber „durch das Ziel des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt“. Jeder Mitgliedstaat könne selbst bestimmen, wie er den Schutz der Gesundheit seiner Bevölkerung gewährleisten wolle. Bot wies ausdrücklich auf den Zusammenhang zwischen einem unabhängigen Apothekenbetrieb und der Qualität der medizinischen Versorgung hin: Bei angestellten Apothekern bestehe die Gefahr, dass sie von ihrem Arbeitgeber dazu gebracht werden, wirtschaftliche Interessen über den Gesundheitsschutz zu stellen.

Apotheker, Pharmaindustrie und Bundesgesundheitsministerium begrüßten die Einschätzung. „Damit setzt sich der Generalanwalt auch für die besonderen Interessen und das Schutzbedürfnis der Patienten ein“, teilte die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände mit. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) meinte am Rande eines Treffens mit Amtskollegen in Brüssel: „Wir haben immer gesagt, dass die Organisation des Gesundheitswesens in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fällt.“

Doc-Morris-Besitzer Celesio, der bereits in sieben Ländern Apothekenketten betreibt, hielt sich mit einer Einschätzung noch zurück. „Wir warten erst mal das Urteil ab“, sagte ein Sprecher. Sehr deutlich fiel dagegen die Reaktion der Börse aus: Der Kurs der Celesio-Aktie sank um 15 Prozent.

Für deutsche Verbraucher bleibt im Prinzip alles beim Alten. Sparen können sie ohnehin nur bei frei verkäuflichen Medikamenten, die – anders als rezeptpflichtige Mittel – nicht preisgebunden sind. Vor allem Versandapotheken liefern sich bei Hustensaft oder Kopfschmerztabletten einen starken Preiswettbewerb, von dem Internetkunden mit zum Teil hohen Rabatten profitieren können. Inzwischen kooperieren auch große Drogerieketten wie dm oder Rossmann mit Versandapothekern. Sie dürfen in ihren Filialen aber nur Service-Schalter anbieten, in denen Rezepte abgegeben und die Arzneimittel später abgeholt werden können. Schlecker dagegen hat sogar eine eigene Versandapotheke im niederländischen Heerlen aufgebaut und will von 2009 an auch Eigenmarken verkaufen. Das ist neu in Deutschland und könnte den Markt für frei verkäufliche Arzneimittel nach Meinung von Experten deutlich aufmischen.

Spielraum nach unten gibt es noch reichlich, meint Susanne Mauersberg vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Die Arzneimittelpreise in Deutschland sind hoch“, sagt sie. „Das ist nicht im Interesse der Verbraucher.“

Maren Peters

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