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Durchschnittlich jeder dritte Beschäftigte macht weniger Urlaub als ihm zusteht

© Jens Schierenbeck/dpa

Update

Europäischer Gerichtshof: Neue Urlaubsregeln für Beschäftigte

Der EuGH hat die Rechte von Arbeitnehmern für die Auszahlung nicht genommener freier Tage gestärkt. Urlaub lässt sich außerdem vererben

Von Laurin Meyer

Wenn es um freie Tage geht, kommt es nicht selten zum Streit zwischen Angestellten und ihren Chefs. Kein Wunder, schließlich passen die Wünsche der Mitarbeiter nicht immer mit den Interessen des Unternehmens zusammen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat in einigen Punkten nun die Rechte von Arbeitnehmern gestärkt. So erlischt etwa der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht allein dadurch, dass ein Arbeitnehmer keinen Urlaub beantragt hat. Das war nach deutscher Rechtsprechung bislang der Fall.

Zwei Fälle aus Deutschland

Hintergrund sind zwei Klagen aus Deutschland, die die nationalen Gerichte nach Luxemburg verwiesen haben. Ein ehemaliger Rechtsreferendar des Landes Berlin hatte in den letzten fünf Monaten seines Referendariats keinen Urlaub mehr beantragt. Vor dem Oberverwaltungsgericht forderte er deshalb einen finanziellen Ausgleich. Sein Arbeitgeber argumentierte jedoch, dass der Referendar nicht daran gehindert worden sei, den Urlaub zu nehmen. In einem anderen Fall forderte ein Angestellter der Max- Planck-Gesellschaft eine Auszahlung für nicht genommenen Urlaub aus zwei Jahren.

Die EuGH-Richter betonten, dass der Arbeitnehmer im Verhältnis zu seinem Chef die schwächere Partei sei. Deshalb könne er davon abgeschreckt werden, auf sein Urlaubsrecht zu bestehen. Die Ausnahme: Kann der Arbeitgeber beweisen, dass sein Mitarbeiter aus freien Stücken verzichtet hat, dürfe der Urlaubsanspruch oder eine Ausgleichszahlung nach EU-Recht verfallen. Das gelte sowohl für öffentliche als auch für private Arbeitgeber.

Beschäftigte verzichten häufig

Immer wieder zeigen Studien, dass ein beträchtlicher Teil der Arbeitnehmer seine Urlaubstage nicht voll in Anspruch nimmt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kam in einer repräsentativen Umfrage im Jahr 2016 zu dem Ergebnis, dass jeder dritte Beschäftigte zugunsten der Arbeit auf freie Zeit verzichtet hat. Besonders häufig stecken der DGB-Umfrage zufolge Beschäftigte aus der Reinigungsbranche (47 Prozent) zurück, gefolgt von Arbeitnehmern aus Bauplanungs-, Architektur-, sowie Hoch- und Tiefbauberufen (45 Prozent).

Der DGB begrüßte den Richterspruch aus Luxemburg. „Das ist eine wichtige Grundsatzentscheidung zum Schutz der Arbeitnehmerrechte“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach am Dienstag. So habe die bisher in Deutschland geltende Rechtsprechung viele Unternehmen bisher bevorteilt. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) widerspricht. Es könne nicht die Pflicht der Arbeitgeber sein, die Mitarbeiter bevormundend auf ihren restlichen Urlaubsanspruch hinzuweisen.

Wer zu wenig genommene Urlaubstage mit ins nächste Jahr nehmen möchte, brauchte dafür bislang gute Gründe. Der Beschäftigte musste die angesammelten Tage dann zudem bis Ende März abgefeiert haben. Nach dem EuGH-Urteil gilt hier jedoch, was auch bei Ausgleichszahlungen zum Tragen kommt: Nur wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass sein Mitarbeiter auf Urlaub verzichtet hat, obwohl dieser die Möglichkeit dazu hatte, dürfen die Tage verfallen.

Berliner arbeiten überdurchschnittlich viel

In Deutschland hat jeder Arbeitnehmer einen gesetzlichen Urlaubsanspruch. Bei einer Fünftagewoche gewährleistet das Bundesurlaubsgesetz 20 freie Arbeitstage, bei einer Sechstagewoche 24 Tage. Umgerechnet sind das also für jeden Arbeitnehmer vier Wochen im Jahr. Mit seinem Arbeitgeber kann der Beschäftigte aber auch mehr als nur den gesetzlich garantierten Mindesturlaub vereinbart haben. Aufschluss darüber gibt der Arbeitsvertrag.

Im Durchschnitt haben deutsche Arbeitnehmer 28,9 Urlaubstage im Jahr. Das hat das Beratungshaus Compensation Partner anhand von über 200000 Datensätzen ausgewertet. Berliner arbeiten mit durchschnittlich nur 27,8 freien Tagen im Ländervergleich überdurchschnittlich viel. Den Anspruch auf den vollen Jahresurlaub haben Arbeitnehmer übrigens nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis im laufenden Kalenderjahr schon mindestens sechs Monate besteht. Vorher berechnet sich der Urlaubsanspruch anteilig.

Urlaub ist vererbbar

Der EuGH beschäftigte sich am Dienstag auch mit einem etwas kurioseren Fall. Geklagt hatten zwei Witwen vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Sie forderten einen finanziellen Ausgleich für bezahlten Jahresurlaub, den ihre Ehemänner vor deren Tod nicht mehr genommen hatten. Das Bundesarbeitsgericht rief daraufhin den EuGH an und wollte wissen, ob Erben diese Zahlungen nach EU-Recht zustehen, obwohl das nationale Recht dies ausschließt. Die europäischen Richter gaben den beiden Witwen recht. So urteilte der EuGH, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nicht mit seinem Tod erlischt. Die Erben von Verstorbenen können also einen finanziellen Ausgleich für den nicht genommenen Urlaub verlangen.

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