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Wirtschaft: Existenzgründer als Allheilmittel

MÜNCHEN .Gut 50 Jahre nach den Anfängen des Wiederaufbaus in Deutschland stehen Unternehmensgründer wieder hoch im Kurs.

MÜNCHEN .Gut 50 Jahre nach den Anfängen des Wiederaufbaus in Deutschland stehen Unternehmensgründer wieder hoch im Kurs.Sie gelten zumindest in den Spitzen von Politik und Wirtschaft als Allzweckwaffe zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit."Existenzgründer haben für den Arbeitsmarkt des 21.Jahrhunderts eine Schlüsselrolle," formulierte folglich Bundespräsident Roman Herzog auf dem Gründerkongreß in München vor fast 2000 Vertretern dieser hochgelobten Spezies.Allein 1997 haben Gründer hierzulande über 200 000 Arbeitsplätze neu geschaffen.In das Hohe Lied der Existenzgründer stimmten die Veranstalter des Kongresses, die Berliner Daimler-Tochter Debis AG und die Münchner Unternehmensberatung Roland Berger & Partner GmbH ein."Wir stehen vor einer neuen Gründerzeit", meinte Debis-Chef Klaus Mangold beschwörend.Bei dieser Einschätzung beruft er sich auf aktuelle Daten.Im ersten Quartal 1998 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamts in Deutschland etwa 60 000 Unternehmen neu gegründet.Das sind gut fünf Prozent mehr als im Jahr zuvor.Binnen fünf Jahren wird jede dieser Neugründungen im Schnitt zwölf Arbeitsplätze geschaffen haben.Heute ist jeder zehnte Erwerbstätige hierzulande sein eigner Chef.Die Chancen, ein Unternehmen zu gründen, waren trotz aller bestehenden Hindernisse noch nie so gut wie heute, ermutigte Mangold die versammelten Wirtschaftspioniere.Das gelte vor allem für Dienstleistungen.Auf diesen Sektor entfallen heute neun von zehn Firmengründungen.Diese Sicht unterstrich einer, der es geschafft hat.Vor acht Jahren hatte Robert Schneider mit 250 000 DM Eigenkapital in einem Münchner Keller die SCM Microsystems aus der Taufe gehoben."Kein Gehalt, kein Risikokapital, kein Geschäftsplan." Es war kein Bilderbuchstart, räumt Schneider heute ein.Mittlerweile ist sein Unternehmen, das Steckkarten für digitale TV-Empfänger baut, mit einem Wert von rund einer Mrd.DM an der Börse von New York gelistet und setzt mit 230 Mitarbeitern 100 Mill.DM um.Dafür sei nicht eine Idee entscheidend gewesen, berichtet Schneider.Moderne Erfolgsfaktoren seien vielmehr qualifizierte Mitarbeiter, Engagement und Kapital.Mit der Einführung des Neuen Marktes an der Frankfurter Börse habe sich für Gründer hierzulande Fundamentales geändert, lobte Scheider.Zugleich beklagte er das in Deutschland schlechte Image von Pionieren."Kirch wäre in den USA ein Held", urteilte der SCM-Gründer über den umstrittenen Münchner Medienkaufmann.Auch für Mangold ist Kapitalmangel in Deutschland heute keine unüberwindbare Hürde zur Unternehmensgründung mehr.Die heimischen Finanzierungsmöglichkeiten "sind weit besser als ihr Ruf".So stellt das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung mittlerweile fest, daß Deutschland auf dem Weg ist, zu einem "der interessantesten Märkte der Welt" für Risikokapital zu werden.Einen großen Vorsprung haben allerdings nach Einschätzung aller Experten die USA.So wurden allein im kalifornischen Hightech-Zentrum Silicon Valley 1997 wöchentlich elf neue Firmen gegründet.Alle fünf Tage ging im Schnitt eine Valley-Firma an die Börse, und jeden Tag wurden dort 60 Personen zu Millionären.Unter dem Strich entstehen in den USA derzeit monatlich 200 000 Stellen, von denen der größere Teil auf Neugründungen entfällt.

Deutschlands Gründeraktivität ist von solchen Dimensionen noch weit entfernt.Die Potentiale dazu sind aber da, schätzt Roland Berger.Wachstumstreiber und damit auch Hoffnungsträger für den Arbeitsmarkt seien mit durchschnittlichen Zuwächsen von zuletzt jährlich 6,6 Prozent Spitzentechniken wie Mikroelektronik oder Biotechnologie.Selbst hochwertige Branchen wie die Kfz-Industrie sind nur auf ein Jahreswachstum von 2,5 Prozent gekommen.Mit einem Anteil von gut elf Prozent der Hightech-Firmen an der gesamten industriellen Wertschöpfung lag Deutschland im internationalen Vergleich 1997 aber noch zurück, kritisierte Berger.Die Statistik gibt ihm recht.In den USA beträgt diese Rate knapp 16 Prozent, in Japan 14,5 Prozent, und auch in Großbritannien liegt sie mit fast 14 Prozent höher.Auf Hightech-Patente entfielen hierzulande ferner nur 21 Prozent aller Schutzrechte.In den USA seien es 24 Prozent.Als Folge sind in Deutschland erst neun Prozent aller Beschäftigten in Hightech-Sektoren tätig, gegenüber gut zwölf Prozent in Großbritannien.Mit Gründern kann die deutsche Wirtschaft diese Rückstände aufholen, schätzt Berger.Für ihn gibt es auch keine gesättigten Märkte, nur fehlende unternehmerische Innovationskraft.

THOMAS MAGENHEIM-HÖRMANN

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