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Mindestens so modern wie Leverkusen. Allein in Schanghai, wo am Mittwoch diese Kunststofffabrik eingeweiht wurde, will Bayer in den kommenden Jahren eine Milliarde Euro investieren. Der Konzern rechnet sich enorme Marktchancen aus.

© Bayer

Expansion ins Ausland: Bayer: Zu Hause in Asien

Der Pharma- und Chemiekonzern will den Umsatz in China auf sechs Milliarden Euro verdoppeln

Schanghai - Nur an den chinesischen Schriftzeichen auf Wegweisern und Warnschildern lässt sich erkennen, dass man nicht in einem deutschen Bayer-Werk steht. Die Anlagen sind mindestens so modern wie in Leverkusen: In einem Industriepark in Schanghai betreibt der Konzern eine 1,5 Quadratkilometer große Produktionsstätte seiner Kunststoffsparte mit einer Kapazität von mehr als einer Million Tonnen pro Jahr. Bayer-Chef Marijn Dekkers hat dort am Mittwoch eine Anlage eingeweiht, vor allem aber deutlich gemacht, wie konsequent er auf China setzt.

Allein in Schanghai will der Konzern in den kommenden Jahren eine Milliarde Euro investieren. In ganz Asien soll der Umsatz bis 2015 von derzeit knapp sieben auf mehr als elf Milliarden Euro steigen. Bereits jetzt steht die Region für ein Fünftel der gesamten Erlöse. Die Zahl der Mitarbeiter in Asien soll von derzeit 23700 auf bis zu 30 000 steigen. Damit macht Dekkers Bayer noch internationaler. Die Belegschaft in Deutschland hatte er schon zu Beginn seiner Amtszeit vor einem Jahr mit seinem Effizienz- und Sparprogramm aufgeschreckt. Bis Ende 2012 sollen 1700 Stellen in Deutschland wegfallen, und noch immer ist nicht klar, welche Standorte wie stark betroffen sein werden. Im gleichen Atemzug kündigte Dekkers, der zuvor in den USA den Laborgerätehersteller Thermo Fisher geleitet hatte, 2500 neue Stellen in den Schwellenländern an. „Wir müssen die Kapazitäten da aufbauen, wo sie gebraucht werden, und das ist hier in Asien“, sagt Dekkers jetzt in Schanghai. „Das verstehen auch die deutschen Beschäftigten.“ Die Dynamik in Asien sei enorm, und Bayer könne hier von globalen Megatrends profitieren, etwa von der steigenden Lebenserwartung und dem höheren Bedarf an Lebensmitteln. „Wir brauchen in Asien mehr Ressourcen, um unsere Produkte verkaufen zu können.“

Das größte Wachstum erwartet Bayer im chinesischen Raum. Hier soll sich der Konzernumsatz bis 2015 von derzeit knapp drei auf sechs Milliarden Euro mehr als verdoppeln. China – mit Taiwan und Hongkong – ist für Bayer mittlerweile der größte Markt in Asien und nach den USA und Deutschland der drittgrößte weltweit. Besonders stark ist die Nachfrage in der Volksrepublik im Kunststoffgeschäft. Der Anteil dieser Sparte am Gesamtumsatz in China lag 2010 bei fast 60 Prozent. „China ist der weltweit größte Markt für die Bauwirtschaft, für Automobile und für die Elektro- und Elektronikindustrie“, sagt Dekkers. In den nächsten zehn bis zwanzig Jahren wolle das Land 50 000 Wolkenkratzer bauen. Bayer setzt vor allem auf den steigenden Bedarf an Energieeffizienz. Große Absatzchancen sieht der Konzern bei Dämmstoffen und leichten Werkstoffen für Autos. Im Jahr 2015 könne China der wichtigste Markt für die Kunststoffsparte sein.

Aber auch von den zweistelligen Wachstumsraten im chinesischen Pharmageschäft will Bayer profitieren. Bis 2020 will die Volksrepublik allen 1,3 Milliarden Menschen einen Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversorgung ermöglichen. „Wir wollen unsere Aktivitäten in die mittleren Städte und ländlichen Regionen ausweiten“, sagt Dekkers. Besonders Vertrieb und Entwicklung sollen gestärkt werden. Allein in diesem Jahr hat der Konzern, der in der Gesundheitssparte 6500 Mitarbeiter in China beschäftigt, 1000 neue Stellen geschaffen. Noch macht Bayer in China den größten Teil des Umsatzes der Sparte von 926 Millionen Euro mit Mitteln der Grundversorgung, etwa gegen Diabetes oder Bluthochdruck. Teure Präparate etwa gegen Krebs oder Multiple Sklerose machen nur einen geringen Teil aus, weil sie für weite Teile der Bevölkerung unerschwinglich sind.

In der Pflanzenschutzsparte bemüht sich Bayer, seinen noch geringen Umsatz in China auszubauen. Gerade einmal 130 Millionen Euro erlöste der Konzern hiermit, der Marktanteil liegt bei rund fünf Prozent. Auch hier setzt Bayer auf die Regierung: China will die Getreideproduktion im nächsten Jahr auf mehr als 540 Millionen Tonnen ausdehnen.

Der Bayer-Chef sieht zwar in China auch Risiken wie die zunehmende Kluft zwischen arm und reich, aber Kritik übt er vor allem an Deutschland. „Die Rahmenbedingungen für neue Investitionen in Deutschland stimmen mich nachdenklich“, sagte der Niederländer, der fast seine gesamte Karriere in den USA verbracht hat. Deutschland müsse seine wirtschaftlichen Potenziale nutzen, statt nur noch auf Vermeidung selbst kleinster Risiken zu pochen. „Nur dann haben Industriearbeitsplätze in Deutschland eine Zukunft.“ Auch die Euro-Krise sorge derzeit für große Unsicherheit. „Unternehmen brauchen stabile Marktbedingungen.“

Trotz aller Umwälzungen bei Bayer habe er sich selbst im vergangenen Jahr mehr verändert als das Unternehmen, sagt Dekkers. „Zum Beispiel ist mein Deutsch besser geworden“, flachst er. Er habe sich umstellen müssen vom amerikanischen auf das deutsche System. In den USA zähle in der Öffentlichkeit in erster Linie der Aktienkurs. „In Deutschland muss man nicht nur die Aktionäre, sondern auch die Kommunen und die Beschäftigten stark einbinden“, hat Dekkers gelernt. Und er fügt hinzu: „Ich finde das deutsche System besser, darum bin ich auch hier.“

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