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Wirtschaft: EZB denkt nicht an Zinssenkung

Europäische Zentralbank hält Niveau für angemessen und fordert von der Politik vertrauensbildende Maßnahmen

Brüssel/Berlin (jh/HB/hop). Die Europäische Zentralbank (EZB) erwägt derzeit keine Änderung der Leitzinsen. Das aktuelle Niveau sei „angemessen", sagte EZB-Präsident Wim Duisenberg am Dienstag vor dem Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments in Brüssel. An den Finanzmärkten reagierten die Festverzinslichen zunächst mit Kursverlusten. Auch der deutsche Aktienmarkt drehte nach einem freundlichen Auftakt ins Minus. Der Dax verlor bis zum frühen Abend 0,56 Prozent auf 2652,33 Punkte.

Duisenberg zufolge hat der Inflationsdruck in den vergangenen Monaten nachgelassen. Höhere Lohnabschlüsse, die steigende Geldmenge sowie der anziehende Ölpreis seien aber Risikofaktoren, die aufmerksam beobachtet werden müssten. Sollten diese Negativfaktoren nicht zum Tragen kommen, werde die Inflationsrate 2003 unter zwei Prozent sinken. Derzeit pendelt sie um diese Marke. Eine Anhebung des maximal zulässigen Inflationsziels der EZB von derzeit zwei Prozent lehnte Duisenberg entschieden ab. Eine größere Marge würde das Vertrauen in die Geldpolitik beschädigen.

Ebenfalls 2003 erwartet Duisenberg eine langsame Belebung der Konjunktur. Die erste Nachfragebelebung werde von den privaten Haushalten ausgehen, deren Realeinkommen in Folge der nachgebenden Inflation steigen würden. Die EZB könne ihrerseits mit der Geldpolitik keine Wachstumsimpulse geben, sagte er. Angesichts ihrer Verpflichtung zur Preisstabilität dürfe die EZB nicht mit weiteren Zielen überfrachtet werden. In der aktuellen Lage, die durch eine hohe Verunsicherung von Konsumenten und Investoren gekennzeichnet sei, könne weder die Geld- noch die Steuerpolitik Impulse liefern. Der EZB-Präsident forderte die Politik auf, alles daran zu setzen, um das Vertrauen wieder herzustellen.

Die Regierungen der EU-Staaten ermahnte er nachdrücklich, die erforderlichen Strukturreformen umzusetzen, um die hohe Arbeitslosigkeit einzudämmen. Das Reformtempo habe signifikant nachgelassen, kritisierte er. Die Ergebnisse der Steuerreformen, die mehrere Mitgliedstaaten beschlossen hätten, nannte er enttäuschend.

Export gibt kaum Impulse

Unterdessen dämpfte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) die Hoffnung, die Ausfuhren könnten die Rolle des Wachstumsmotors für die deutsche Konjunktur übernehmen. „Die Stimmung in der deutschen Exportwirtschaft ist so schlecht wie selten“, sagte Ludolf von Wartenberg, Hauptgeschäftsführer des BDI, am Dienstag in Berlin. Ursache sei die „schlechte Welt- und vor allem US-Konjunktur“. Die deutschen Exporte werden in diesem Jahr voraussichtlich nur um 1,5 Prozent wachsen. Und auch für das nächste Jahr sind die Unternehmen eher skeptisch und erwarten nur bei einer leichten Erholung der Weltkonjunktur etwa vier Prozent Wachstum. Das ergab das aktuelle BDI-Außenwirtschaftsbarometer, das jedes Jahr im Herbst vorgestellt wird. An der Umfrage nahmen 23 Verbände teil, die für 90 Prozent der deutschen Ausfuhren stehen. 35 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes steuere die Exportwirtschaft bei, sagte von Wartenberg. Knapp ein Viertel der Arbeitsplätze hänge vom Export ab.

„Von einer wirklich optimistischen Bewertung der Lage sind wir weit entfernt“, sagte von Wartenberg. Für 2003 sei kein kräftiger Beitrag der Außenwirtschaft zum deutschen Wachstum zu erwarten. „Die Regierung muss deshalb die Weichen für mehr Binnenwachstum stellen“, forderte er. Der Ausblick für die Weltwirtschaft sei weiter trübe. Die größte Belastung sei die Unsicherheit beim Öl und weiter hohe Preise für den Rohstoff.

Auch nach Berechnungen des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) legen die deutschen Exporte im nächsten Jahr auch bei einer Erholung an den Aktienmärkten und einem stabilen Ölpreis höchstens um fünf Prozent und damit deutlich schwächer als der Welthandel zu. Das reale Bruttoinlandsprodukt werde in diesem Jahr nur um 0,5 Prozent wachsen. Für 2003 sei zwar wieder eine lebhaftere Weltkonjunktur zu erwarten. Deutschland werde jedoch nach wie vor mit dem aus IW-Sicht starken Lohnkostendruck, dem unflexiblen Arbeitsmarkt sowie der hohen Steuer- und Abgabenlast zu kämpfen haben. Deshalb dürfte das Wachstum 2003 allenfalls 1,75 Prozent betragen.

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