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Wirtschaft: EZB: Zinsschritte lassen Börse kalt

Die Regel ist schlicht und hat sich in der Vergangenheit bewährt: Wenn die Zinsen fallen, steigen früher oder später die Aktienkurse. Und die Europäische Zentralbank wird die Leitzinsen - auch nach der jüngsten Senkung um 0,25 Prozentpunkte - wohl noch weiter herunterschrauben.

Die Regel ist schlicht und hat sich in der Vergangenheit bewährt: Wenn die Zinsen fallen, steigen früher oder später die Aktienkurse. Und die Europäische Zentralbank wird die Leitzinsen - auch nach der jüngsten Senkung um 0,25 Prozentpunkte - wohl noch weiter herunterschrauben. Das erwarten die meisten Volkswirte. Was liegt also näher, als jetzt Aktien zu kaufen und auf die positive Wirkung künftiger Zinsschritte zu setzen? "Ganz so einfach funktioniert die Börse leider nicht", bremst James Sweeney, bei Credit Suisse First Boston (CSFB) in London mitverantwortlich für die weltweite Anlagestrategie. Er warnt - wie viele seiner Kollegen - vor Belastungsfaktoren, die den positiven Zinseinfluss derzeit überlagern: "Die Notenbanken senken die Zinsen ja gerade deshalb, weil die Konjunktur weltweit schlecht läuft", sagt Sweeney, "und das drückt auf die Aktienkurse". Hinzu kommt, dass Zinssenkungen kurzfristig nichts an den schlechten Gewinnaussichten der Unternehmen ändern. Erst wenn die Gewinnwarnungen nachlassen, werde das Zins-Argument stärker durchschlagen, erwartet Werner Braun, Chefanalyst der Münchner Privatbank Reuschel.

Die Kurse springen ohnehin nur heftig, wenn eine Notenbankentscheidung die Märkte überrascht. Doch die Zinssenkung vom Donnerstag hatten die meisten Investoren bereits einkalkuliert. Auch nochmals fallende EZB-Geldsätze sind nach Experteneinschätzung bereits berücksichtigt. Strittig ist unter Volkswirten, wie weit die Europäische Zentralbank und die US-Notenbank die Leitzinsen noch drücken werden. "Wir erwarten weit aggressivere Zinsschritte als die meisten Marktteilnehmer", sagt Sweeney. Angesichts der weltweit prekären Konjunkturlage hält er einen Rückgang um weitere 100 bis 125 Basispunkte für möglich. 100 Basispunkte entsprechen einem Prozentpunkt.

Tamiko Bayliss, Volkswirtin der Commerzbank in London, meint dagegen, dass die US-Leitzinsen ihren Tiefpunkt bereits erreicht haben. Sie rechnet mit einer baldigen Konjunkturerholung in den USA, die weitere Zinssenkungen unnötig macht. Von der EZB erwartet Bayliss in diesem Jahr noch eine Senkung der Geldsätze um 25 Basispunkte.

Einig sind sich die vom Handelsblatt befragten Experten aber darin, dass Leitzinsen und Konjunktur sich in nächster Zeit parallel entwickeln werden: Entweder stürzen beide weiter ab, oder sie schaffen endlich die Trendwende nach oben. In jedem Fall dürften sich Zinshoffnung und Konjunktursorge in etwa ausgleichen - so dass weder nach oben, noch nach unten große Kurssprünge zu erwarten sind.

Reuschel-Analyst Braun sieht es positiv: Zwar könne die Zinspolitik die Aktienmärkte derzeit nicht beflügeln, aber immerhin stabilisieren. "Das Risiko weiterer Kursverluste ist inzwischen begrenzt", sagt Braun, "wir raten Kunden daher, jetzt keine Aktien mehr abzustoßen". CSFB-Stratege Sweeney weist darauf hin, dass der Konjunkturzyklus vor allem in den USA schon weit vorangeschritten sei. "Wer jetzt verkauft, könnte genau im falschen Moment verkaufen", gibt er zu Bedenken.

tmo

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