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Allein der Wert des von Mark Zuckerberg gegründeten Unternehmens Facebook wird momentan auf etwa 50 Milliarden Dollar geschätzt.

© AFP

Facebook-Ökonomie: Der neue Internet-Hype

Vor gut zehn Jahren platzte die Spekulationsblase der New Economy – heute werden in Unternehmen wie Facebook, Twitter, Groupon und anderen Onlinefirmen wieder Milliarden investiert. Was ist diesmal anders?

Seit dem Börsengang vor zwei Jahren ist der Aktienkurs um 17 000 Prozent gestiegen. Das Unternehmen erzielt einen mageren Gewinn von 40 Millionen Euro, wird an der Börse aber mit fast zehn Milliarden Euro bewertet. Zwischenzeitlich ist die Firma wertvoller als Siemens. Es heißt, das Geschäftsmodell sei revolutionär. "Ich verfolge eine klare Aufgabe: Profit erwirtschaften", sagt Thomas Haffa, Chef der Medienfirma EM.TV, Ende 1999 im Tagesspiegel-Interview. "Ich verlasse mich auf meinen Bauch." Doch das Geschäftsmodell scheitert – am Größenwahn Haffas. EM.TV stürzt ab, genauso wie der Neue Markt und die New Economy.

Gut zehn Jahre nach dem ersten Hype um Medien- und Internetfirmen ist die Aufregung wieder groß: Facebook, Twitter, Groupon und andere Onlinefirmen elektrisieren milliardenschwere Investoren und Millionen Nutzer weltweit. Der neue Hype findet (noch) nicht an der Börse statt, sondern auf privaten Handelsplattformen. Facebook wird dort mit 50 Milliarden Dollar bewertet, der Schnäppchenmarkt Groupon mit 15 Milliarden Dollar. Die Sache fühle sich "ein bisschen wie 1999 an", sagte ein Kunde der Investmentbank Goldman Sachs, die unlängst 450 Millionen Dollar in Facebook investierte. Baut sich eine neue Blase auf? Oder ist heute alles anders?

Leistungsfähige Technik

"Das Internet ist erwachsen geworden", sagt Nikolaus Mohr, Geschäftsführer der Managementberatung Accenture. Die Darstellungsformen, die Verfügbarkeit und die Leistungsfähigkeit des Netzes haben sich deutlich verbessert. Das mache andere Angebote im Netz möglich als noch vor zehn Jahren, sagt der Internetexperte. Zugleich hat sich die Technik auf der Seite der Internetanschlüsse extrem weiterentwickelt. Breitbandzugänge, die es im Jahr 2000 für Privatkunden so gut wie noch nicht gab, seien heute fast überall verfügbar. "Früher war die Abbruchquote beim Laden von Internetseiten unheimlich hoch, weil es einfach zu lang gedauert hat", sagt Mohr.

Die Technik lässt es heute zu, komplexere Seiten schneller auf den Schirm zu bringen. Zugleich verweilt der Nutzer länger in einer solchen Umgebung." Hinzu komme, dass Technik und Endgeräte einfacher zu bedienen seien. Heute sei es leicht, Anwendungen oder Inhalte auf ein Handy oder Smartphone zu laden. "Die Hemmschwelle, das Netz auch mobil zu nutzen, ist gesunken", sagt Mohr. Schließlich seien die Produkte und Dienste besser an die digitale Welt angepasst. So finde man etwa im Internetangebot einer Tageszeitung nicht mehr nur die Inhalte des gedruckten Exemplars, sondern weiterführende Informationen und bewegte Bilder. Durch die Integration des Navigationssystems GPS in vielen Endgeräten steige auch die Nutzung von "location based services", Diensten also, die auf der Information über den Aufenthaltsort des Nutzers aufbauen.

Besonders spannend findet Mohr die Verknüpfung von Angeboten der sozialen Netzwerke mit der Lokalisierung. Über die Angebote für Privatnutzer hinaus bietet die Verbindung von Internet und Navigation weitreichende Möglichkeiten im Geschäftsbereich, etwa in der Logistik, im Gesundheitswesen, im Banking und im Versicherungsbereich. So werde an Kfz-Policen gearbeitet, die die Versicherten nach dem tatsächlichen Fahrverhalten in Risikoklassen einordnen. "Da gibt es eine Menge neuer Möglichkeiten", sagt Mohr. Die allerdings werfen auch viele neue Fragen zum Datenschutz auf.

Profitable Geschäftsmodelle

Die Geschäftsmodelle im Internet haben sich seit 2000 nicht stark gewandelt, sagt Internetexperte Nikolaus Mohr von der Managementberatung Accenture. Er unterscheidet drei Varianten. "Sie haben im Gegensatz zu damals bewiesen, dass sie funktionieren", sagt Mohr. Da ist erstens das Abo-Modell. Der Nutzer zahlt regelmäßig einen festen Beitrag für den Zugriff auf Songs, Filme oder Spiele. Das zweite Modell ist das transaktionsbasierte, bei dem Produkte oder Dienstleistungen einzeln über das Netz verkauft werden. Während die Nutzer bisher gewöhnt waren, viele Inhalte im Netz kostenlos zu bekommen, geben sie heute immer mehr Geld für Anwendungen (Apps) aus, die man auf das iPhone oder andere mobile Geräte herunterladen kann. Unter das Modell fallen auch Onlinehändler wie Amazon oder Ebay, aber auch Otto. Das dritte Modell ist das werbefinanzierte Angebot, von dem zum Beispiel Google lebt.

"Dazwischen entwickeln sich eine Reihe von Mischformen dieser Geschäftsmodelle", sagt Mohr. So kann man Online-Spiele einfach mit Geld bezahlen oder alternativ einen Fragebogen zu Marktforschungszwecken ausfüllen. Der Anbieter kann diese Daten verkaufen oder für gezielte Werbung einsetzen. Die Analyse solcher Daten werde immer wichtiger, sagt Mohr. Die Daten, die 500 Millionen Facebook-Nutzer produzierten, seien immens wertvoll. "Die Vermarktung von Daten ist ein viertes Geschäftsmodell, das an Bedeutung gewinnt", sagt Mohr. Dass unter den großen Playern im Netz keine deutschen vertreten seien, liege nicht daran, dass die Geschäftsmodelle nicht stimmten. "Wir sind in Deutschland stark, was Angebote für Geschäftskunden betrifft", meint Mohr.

Macher mit Erfahrung

Die meisten Start-up-Pioniere und Internetinvestoren von einst sind von der Bildfläche verschwunden. Einige aber haben es geschafft und Erfahrungen gesammelt, die sich heute bezahlt machen. "Wir haben zehn Jahre lang gelernt, welche Geschäftsmodelle funktionieren und welche nicht", sagt Thomas Heilmann. Der Berliner CDU-Politiker ist Anteilseigner und Aufsichtsrat von Econa, einem "Inkubator", der seit seiner Gründung im Jahr 1999 mehr als 100 junge, meist im Internet tätige Firmen finanziert und gefördert hat, unter anderem Pixelpark, Smava oder MyToys.

Das Geschäftsmodell hat sich nicht verändert: Econa ist nach eigener Auskunft "auf der Suche nach profitablen Websites, die wir mehrheitlich oder vollständig erwerben und weiterbetreiben können". Die Macher um Finanzvorstand und Gründer Bernd Hardes haben dabei nicht nur Ertragsperlen gefunden. Es geht ihnen wie vielen Investoren: "Jedes zweite Unternehmen dümpelt vor sich hin, jedes dritte Unternehmen geht pleite - aber der kleine Rest hat Erfolg und verdient richtig Geld", sagt Thomas Heilmann.

So kalkulieren auch die Großen, wie der Facebook-Anteilseigner Peter Thiel. Der Multimilliardär ist im kalifornischen Silicon Valley seit mehr als zehn Jahren engagiert, seit 2002 mit seinem Hedge-Fonds Clarium Capital. Auch die aus New-Economy-Zeiten bekannte Venture-Capital-Firma Kleiner Perkins Caufield & Byers ist noch dabei. Im Oktober legte sie einen 250 Millionen Dollar schweren Fonds auf. "Große internationale Investoren sind wieder unterwegs", sagt Heilmann. "Auch in Berlin."

Mehr Geld für Wenige

Zur Blütezeit des Neuen Marktes an der Frankfurter Börse, im März 2000, waren alle 229 im Nemax-All-Share-Index notierten Firmen gut 234 Milliarden Euro Wert. Die damals gigantisch erscheinende Summe beeindruckt heute weit weniger. Allein Google kommt aktuell auf eine Marktkapitalisierung von umgerechnet 112 Milliarden Euro. Das liegt auch daran, dass Investoren große Summen  in einzelne Internetfirmen stecken und deren Bewertung damit in die Höhe treiben. Vor zehn Jahren wurde hingegen flächendeckend in alles investiert, was irgendwie mit dem Internet zu tun hatte. Die professionellen Anleger sind nach der Finanzkrise zudem in einen beispiellosen Anlagenotstand geraten. Angesichts historisch niedriger Zinsen und unsicherer Märkte suchen sie lukrative Investments. Sie finden sie zum Beispiel auf den Rohstoffmärkten oder eben im Internet.

Weil Facebook, Twitter & Co. aber nicht an der Börse notiert sind, greifen die Investoren auf private Online-Handelsplätze wie Sharepost zurück. Hier läuft die Multimilliarden-Wette auf das Web 3.0. Dabei findet eine gnadenlose Auslese statt: "Das Internetgeschäft kennt wie die Modebranche schnell verglühende Sterne genauso wie langfristig erfolgreiche Marken", sagt der ehemalige Facebook-Investor Thomas Heilmann. Die User und Investoren könnten heute besser einschätzen, was einen echten Nutzen biete und mit Innovationen ständig neu untermauert werde und was nur Hype und schnell wieder out sei. Jüngstes Beispiel: MySpace. Gut fünf Jahre nach seinem Einstieg (580 Millionen Dollar) bei dem Social Network will der Murdoch-Konzern News Corp. den Facebook-Rivalen möglichst schnell wieder loswerden.

Stärkere Konzentration

Gab es in der Gründerzeit der New Economy noch eine fast unüberschaubare Zahl von Unternehmen, die im Netz aktiv wurden, zeigt sich zehn Jahre danach ein anderer Trend. Auf dem Markt konzentrieren sich einige große Spieler: Amazon als dominanter E-Commerce-Retailer, Ebay als das führende Online-Auktionshaus, Google als die meistgenutzte Suchmaschine, Youtube als erste Anlaufstelle für Online-Videos und Facebook als das größte soziale Netzwerk der westlichen Welt. "Diese Firmen profitieren vom Volumeneffekt des Internets", sagt Roman Friedrich von der Unternehmensberatung Booz & Company.

Je mehr Mitglieder Facebook beispielsweise hat, desto attraktiver wird es für andere. Bei Ebay etwa steigt die Chance, einen Geschäftspartner zu finden, proportional mit jedem weiteren Teilnehmer. Neben den großen Unternehmen gibt es jedoch auch eine Vielfalt, die im Kleinen blüht. "Viele Firmen sind erfolgreiche Nischenplayer auf Spezialmärkten", sagt Friedrich. Gewährleistet ist die Vormachtstellung der Großen aber nicht. "Google etwa muss immer neue Innovationen bringen, um seine Position zu halten", so Friedrich. Der Konzern profitiere aber auch von der Loyalität seiner Nutzer.

Strengere Regulierung

Das Platzen der Dot.com-Blase hat viele Anleger und die Weltwirtschaft nach 2000 verunsichert. Weil viele Menschen viel Geld verloren haben, hat die Regierung unter anderem das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz beschlossen, das den Anlegerschutz verbessert. Im Rahmen des Gesetzes können die Anleger Schadenersatzansprüche geltend machen, wenn sie etwa mit falschen Pflichtmitteilungen (Ad-hoc-Meldungen) eines börsennotierten Unternehmens zum Kauf von Aktien verleitet wurden. Allerdings kann nur das betreffende Unternehmen, nicht aber das Management selbst haftbar gemacht werden.

Im Lichte des Zusammenbruchs des Neuen Marktes wurden auch die Regeln für eine gute Unternehmensführung (Corporate Governance) verschärft. So wurden etwa die Vergütungsmodelle für Vorstände und Aufsichtsräte transparenter. Die Finanzaufsichten sind insgesamt aufmerksamer geworden. Jüngst forderte die US-Börsenaufsicht SEC Informationen von Firmen wie Facebook über die Bewertung ihrer Anteile an. Diese Unternehmen sind nicht börsennotiert und deshalb nicht verpflichtet, Informationen über Gewinn und Umsatz zu veröffentlichen.

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