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Wirtschaft: Fachkräfte, verzweifelt gesucht

Trotz der hohen Arbeitslosigkeit klagt die Wirtschaft über einen Mangel an Spezialisten – vor allem in der Industrie

Berlin - Trotz der hohen Arbeitslosigkeit klagt die Wirtschaft bereits wieder über einen Mangel an Fachkräften. Vor allem hoch qualifizierte Experten seien angesichts der besseren Wirtschaftslage gesucht, sagten Branchenvertreter dem Tagesspiegel. Die Bundesagentur für Arbeit sieht aber noch keinen Handlungsbedarf.

Im Mai waren laut Bundesagentur für Arbeit 4,535 Millionen Menschen ohne Job, die Juni-Zahlen verkündet die Bundesagentur für Arbeit an diesem Donnerstag. Nach einer Erhebung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) klagen aber 25 Prozent der Firmen in der Auto- und Maschinenbaubranche über einen Mangel an geeigneten Kandidaten, in der Pharmabranche seien es 30 Prozent. „Im Verarbeitenden Gewerbe sind die Probleme am größten“, sagt DIHK-Arbeitsmarktexperte Achim Dercks. „Die meisten Arbeitslosen sind schlicht nicht genügend qualifiziert – auch deshalb denken Unternehmen darüber nach, ins Ausland zu gehen.“

Es fehlen vor allem Ingenieure. Rund 18 000 Stellen seien bundesweit unbesetzt, ein Drittel mehr als vor einem Jahr, heißt es beim Verband deutscher Ingenieure (VDI). Vor allem im Bereich Luft- und Raumfahrt, Elektrotechnik und Maschinenbau gebe es Engpässe. Zugleich sind allerdings 47 000 Ingenieure arbeitslos gemeldet. Dabei handele es sich aber um nicht gefragte Fachrichtungen, sagt VDI-Sprecher Sven Renkel. „Der größte Teil sind Bauingenieure – die kann man nicht zu Spezialisten für Laseroptik oder Mikrosystemtechnik umschulen.“ Außerdem lehnten viele Firmen noch immer die Einstellung älterer Ingenieure ab und wünschten sich „einen 35-Jährigen mit Top-Abschluss, Fremdsprachenkenntnis und zehn Jahren Berufspraxis“. Hier müsse die Wirtschaft umdenken.

Die Hightech-Branche fürchtet, dass der Mangel wächst. „Die Lage wird sich angesichts der guten Konjunkturaussichten unserer Branche weiter verschärfen“, warnt Bernhard Rohleder vom Branchenverband Bitkom. Auch die Personalberater sehen weiteren Bedarf. „Ärzte etwa werden händeringend gesucht, Berufseinsteiger ebenso wie Chefärzte“, befindet Anke Hoffmann, Geschäftsführerin Berlin bei der Personalberatung Kienbaum. Daneben fehlten Experten für die Produktion, vor allem durch die gestiegenen Firmen-Investitionen. „CNC-Programmierer oder Fachleute für die Produktionsvorbereitung sind Mangelware, auch in Berlin.“ Gesucht sind auch Vertriebskräfte für Deutschland und Europa. Der Personalmangel habe mitunter schon zu Gehaltssprüngen geführt. „Ingenieure können durch einen Stellenwechsel ihren Lohn um zehn bis 20 Prozent aufbessern.“ Der Fach- und Führungskräftevermittler DIS berichtet von freien Stellen im Fremdsprachenbereich. „Kenner asiatischer Sprachen sind derzeit kaum zu finden“, sagt Sprecherin Sylvia Knecht.

Burkhard Hohn von der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung, die zur BA gehört und sich um Akademiker kümmert, findet die Lage noch nicht dramatisch. Erst einmal müssten die Firmen bei ihren Anforderungen flexibler sein – Älteren eine Chance geben, verstärkt Frauen einstellen oder Qualifikationslücken durch Schulungen schließen. Hohn: „Viele Unternehmen verlangen heute von Mitarbeitern Fähigkeiten, die kaum jemand erfüllen kann.“

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