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Gerhard Schröder.

© dpa

Fachkräftemangel: Arbeitserlaubnis: Viel Wirbel, wenig Erfolg

Mit der Arbeitserlaubnis wollte Gerhard Schröder den Fachkräftemangel in der IT-Branche bekämpfen. Doch die Erwartungen wurden nicht erfüllt. 2010 steht die Branche vor ähnlichen Problemen wie im Jahr 2000

Von Anna Sauerbrey

Eine Arbeitserlaubnis für Harianto Wijaya zu bekommen könne schwierig werden, sagte man Martin Steppler Anfang 2000 im Ausländeramt Aachen. Der Ingenieur hatte gerade eine IT-Firma mitgegründet und wollte einen jungen Indonesier einstellen, einen Absolventen der Technischen Hochschule. Steppler solle lieber noch ein paar Monate warten, riet der Sachbearbeiter. Die Regierung plane da etwas.

Und tatsächlich. Im März verkündete Gerhard Schröder publikumswirksam auf der Cebit, tausende ausländische IT-Spezialisten nach Deutschland holen zu wollen. Es war der Höhepunkt des Dotcom-Booms und die Branchenverbände beklagten lautstark den Mangel an Fachkräften. Ende Juli reisten der Ingenieur Steppler und sein Mitarbeiter Wijaya nach Nürnberg. Dort überreichte der damalige Arbeitsminister Walter Riester dem tapfer in die Kameras lächelnden Indonesier die erste deutsche Green Card. Das Medieninteresse war riesig. „An dem Tag waren wir häufiger im Fernsehen zu sehen als der Bundeskanzler“, erinnert sich Steppler heute. Harianto Wijaya wurde Mr. Green Card. Seine Arbeitsgenehmigung, ein ziemlich profaner DIN-A4-Bogen Papier, liegt heute im Haus der Geschichte.

20 000 Spezialisten sollten Wijaya nach dem Willen der Regierung Schröder folgen. Zu viele, meinte die CSU. Zu wenige, sagten die Branchenverbände. Doch weder die Erwartungen der einen noch die Befürchtungen der anderen trafen ein. Die Nachfrage blieb insgesamt gering. Bis zum Auslaufen der Regelung Ende 2004 vergab die Arbeitsagentur 17 931 Green Cards, rund 11 000 davon in den ersten beiden Jahren. Dann platze die Dotcom-Blase. 2003 ergab eine Studie in der Green-Card-Hauptstadt München, dass fast neun Prozent der Inhaber arbeitslos waren.

Doch die Sonderregelung für Computer-Spezialisten hatte eine Debatte über die Einwanderung angestoßen. Bereits ein Jahr nach Verleihung der Arbeitserlaubnis an Wijaya beschloss das rot- grüne Kabinett ein Zuwanderungsgesetz. Der Entwurf verhakte sich allerdings im Bundesrat, erst zum 1. Januar 2005 ging die Green-Card-Regelung in dem Gesetz auf, das ganz allgemein hoch qualifizierten Zuwanderern das Arbeiten in Deutschland ermöglichen sollte.

Ihre Zahl bleibt allerdings bis heute gering. 2008, dem Jahr, für das die aktuellsten Daten vorliegen, kamen rund 6600 Akademiker nach Deutschland, davon etwa 3900 IT-Spezialisten. Zusätzlich erhielten circa 6000 ausländische Absolventen deutscher Hochschulen eine Arbeitsgenehmigung. Insgesamt lag die Zahl der Einwander bei 682 000.

Dabei werden Fachkräfte aktuell gebraucht. Die Konjunktur zieht an und der Bedarf an Mitarbeitern wächst. „Wir sind aus dem Tal der Tränen heraus“, sagt Sven Breipohl, Personalchef bei Capgemini. Das internationale Unternehmen entwickelt Software und berät in IT-Fragen. „Wir suchen allein dieses Jahr in Deutschland 300 neue Kräfte und unsere Wettbewerber stehen vor ähnlichen Herausforderungen.“ Auch regional wird wieder eingestellt. Der Berliner IT-Fachverband hat Unternehmen in Berlin und Brandenburg nach ihrer Personalplanung befragt. Für 2010 rechnen alle mit einem deutlichem Zuwachs. „Wir haben große Schwierigkeiten, Spezialisten zu finden. Auf die Dauer werden wir den Bedarf nicht mit Absolventen aus dem Inland decken können“, sagt Ortwin Wohlrab, Vorsitzender des Verbands. Wie viele offene Stellen es in Deutschland insgesamt gibt, ist schwer zu sagen, gerade hoch qualifizierte Mitarbeiter suchen Unternehmen nicht über die Arbeitsagentur. Der Verband Bitkom schätzt die Zahl auf rund 20 000.

Für diese Lücke macht dessen Präsident, August-Wilhelm Scheer, auch mangelhafte gesetzliche Regelungen verantwortlich. Das aktuelle Zuwanderungsgesetz sei für den Zuzug von Hochqualifizierten immer noch zu restriktiv. Viele Firmen geben allerdings an, dass die gesetzlichen Regelungen ausreichen, wenn man dringend einen Mitarbeiter suche. Für global agierende Unternehmen wie SAP, die Telekom oder Capgemini ist es ohnehin unwichtig geworden, wo ein Mitarbeiter sich aufhält. Sie lassen Aufträge dort bearbeiten, wo sie das passende Personal bereits haben. „Fast ein Drittel unserer weltweit 90 000 Mitarbeiter arbeitet in Asien, viele in Indien. Dort haben wir eigene Entwicklungszentren. Mit diesen Mitarbeitern arbeiten wir virtuell zusammen, sie unterstützen unsere Projekte vor Ort. Dafür müssen wir die Kollegen nicht nach Deutschland holen“, sagt Sven Breipohl von Capgemini.

Ohnehin bleiben sprachliche und kulturelle Barrieren bestehen. Die Rekrutierung im Ausland habe ihre Grenzen, sagt Erika Schaknowski, Personalverantwortliche bei dem Berliner IT-Mittelständler Infopark. Das Unternehmen berät Kunden im Online-Marketing und entwickelt Software für entsprechende Plattformen. Da die Infopark-Mitarbeiter oft direkt mit dem Kunden sprechen, ist Deutsch Voraussetzung. Die meisten Mitarbeiter ohne deutschen Pass kommen daher aus EU-Ländern und aus den östlichen Nachbarländern der Union, in denen Deutsch als Fremdsprache relativ verbreitet ist. „Wir bekommen auch viele qualifizierte Bewerbungen aus Indien und dem asiatischen Raum, da fehlen aber oft die Sprachkenntnisse“, sagt Schaknowski.

Mr. Green Card, Harianto Wijaya, hätte mit Deutsch keine Probleme gehabt. Er kam direkt nach der Schule nach Deutschland und absolvierte sein gesamtes Studium in Deutschland. Parallel zu seiner Arbeit promovierte er an der RWTH Aachen. Kurz vor Ablauf seiner Green Card hat er Deutschland allerdings verlassen. Ihn zog es zunächst in die USA. Heute baut der Spezialist für schnelle Internetverbindungen ein UMTS-Netz aus – in seinem Heimatland Indonesien.

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