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Zu wenige helfende Hände. Gerade in der Altenpflege gibt es Personalmangel.

© dpa

Fachkräftemangel: Hilfe aus Bosnien

In Deutschland fehlen 30 000 Pflegekräfte. Deshalb wirbt Deutschland verstärkt im Ausland um Kranken- und Altenpfleger. Der Bosnier Emir Kurahovic berichtet über seine Erfahrungen.

Emir Kurahovic kennt Deutschland schon, seit er ein kleiner Junge ist. Seine Familie flüchtete 1992 vor dem Krieg aus Bosnien in die Bundesrepublik. Vier Jahre blieb Kurahovic in Esslingen, dann musste er zurück in die Heimat. Das Deutsch, was er damals lernte, hat ihm nun eine neue Chance eröffnet. Bei der Jobsuche stieß der gelernte Krankenpfleger auf ein Angebot der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ): Als Pflegekraft in einem deutschen Krankenhaus oder Heim arbeiten, samt Sprachkurs und Weiterbildung für die Anerkennung des Abschlusses. Kurahovic überlegte nicht lange. „In Bosnien gibt es 5000 arbeitslose Krankenpfleger“, erzählt der 24-Jährige. Gemeinsam mit einem Freund bewarb er sich und kam in die Unfallchirurgie im Krankenhaus Nordwest in Frankfurt am Main, wo er ein halbes Jahr weitergebildet wurde. Denn die bosnische Pflegerausbildung wird nur mit Zusatzkurs in Deutschland anerkannt.

80 Pflegekräfte aus Bosnien hat die GIZ im Rahmen ihres Programms „Triple Win“ mittlerweile nach Deutschland geholt. „Wir konnten alle Fachkräfte problemlos an Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen vermitteln“, erzählt GIZ-Projektleiter Dominik Ziller. Einige von ihnen seien sogar schon befördert worden. Bis Ende 2014 sollen weitere 2000 Pflegekräfte nach Deutschland kommen, aus Bosnien, Serbien und den Philippinen. 350 davon stehen bereits im Bewerbungsverfahren. Bisher beschränkt sich das Projekt auf die Regionen München und Frankfurt am Main, bald soll aber auch Berlin dabei sein. „Die jungen Leute wollen am liebsten in Städte, und gerade nach Berlin wird häufig gefragt“, erzählt Ziller. Zudem sei der Bedarf in der Hauptstadt groß.

Die Fachkräfte können in Deutschland zum Teil deutlich mehr verdienen, als in ihren Heimatländern. Denn die Bezahlung muss mindestens der der einheimischen Beschäftigten entsprechen. Zudem werden sie hier dringend gebraucht. 30 000 Pflegekräfte fehlen Schätzungen des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) zufolge hierzulande. Und wegen der weiter steigenden Zahl von Pflegebedürftigen werden bis 2020 rund 220000 Kräfte zusätzlich gebraucht, erwartet der Verband. Die Bundesregierung wirbt daher über verschiedenste Initiativen neben Bosnien, Serbien und den Philippinen auch in Spanien, Italien, Portugal, Griechenland und Tunesien um Pflegekräfte. Deren Zahl in Deutschland legte in den vergangenen zwei Jahren deutlich zu – von 15 000 auf heute rund 21 000.

Verbände wie der bpa kritisieren jedoch immer wieder die Hürden, etwa bei der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen. Verbandspräsident Bernd Meurer sprach kürzlich von deutscher Arroganz gegenüber den vielfach hervorragend ausgebildeten Kräften. Neben dem hohen bürokratischen Aufwand gebe es sprachliche Mindeststandards, „mit denen man ein Germanistikstudium beginnen könnte“. Im Juli erleichterte die Regierung aber den Zugang für ausländische Fachkräfte ohne Universitätsabschluss zum deutschen Arbeitsmarkt, sofern sie eine Qualifikation in einem Mangelberuf haben.

Emir Kurahovic will auf jeden Fall in Deutschland bleiben. „Mir gefällt es hier sehr gut“, erzählt der Krankenpfleger. „Im Krankenhaus und auch in der Stadt“. Trotzdem fährt er alle paar Monate nach Bosnien, um seine Familie zu besuchen. „Ich vermisse besonders das Essen meiner Mutter“, erzählt er. „Und meine Nichten.“

AUF DER SUCHE

Der Fachkräftemangel in Deutschland treibt einer Umfrage zufolge vor allem größere Firmen zur Suche nach Beschäftigten im Ausland. Drei Viertel der Großunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und knapp die Hälfte der Mittelständler suchten im Ausland Mitarbeiter, wie aus einer Untersuchung des IT-Branchenverbandes Bitkom und dem Online-Netzwerk LinkedIn hervorgeht. Im Schnitt beschäftigen 13 Prozent der deutschen Firmen ausländische Fach- oder Führungskräfte, bei Großunternehmen seien es 58 Prozent. Mehr als die Hälfte der Großunternehmen plant zudem, 2014 weitere ausländische Arbeitskräfte einzustellen.

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