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Fahrzeugtechnik: Autoland vor der Elektro-Revolution

Die deutsche Autoindustrie hat nach Meinung von Experten die Chance, bei der Produktion von Elektrofahrzeugen die Führung zu übernehmen. Ex-SAP-Vorstand und Netzwerk-Gründer Shai Agassi warnt Hersteller vor halbherzigen Experimenten.

Berlin - Die deutsche Autoindustrie hat nach Meinung von Experten die Chance, bei der Produktion von Elektrofahrzeugen die Führung zu übernehmen. „Deutschland hat das Potenzial, der weltweit am schnellsten wachsende Markt für Elektrofahrzeuge zu werden“, sagte Shai Agassi, früherer SAP-Vorstand und Gründer des Projekts Better Place, dem Tagesspiegel am Donnerstag.

Agassi baut zusammen mit Renault-Nissan und Investoren, die 200 Millionen Dollar zur Verfügung stellen, ein Netzwerk für Elektroautos auf. Das Modell wird erstmals 2009 in Israel getestet. Dabei werden, ähnlich wie auf dem Handymarkt, Autos kostenlos an Kunden abgegeben, die einen vier Jahre laufenden Vertrag zur Abnahme einer bestimmten Strommenge unterschreiben. Über ein landesweites Netz von Ladestationen sollen die Fahrzeuge mit Energie versorgt werden. Auch in Dänemark ist Better Place aktiv.

An diesem Freitag will Daimler zusammen mit dem Stromversorger RWE und im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel sein „E-mobility“-Projekt in Berlin vorstellen. Der Autokonzern will den Test mit 100 Elektro-Smarts in London 2009 auf die deutsche Hauptstadt ausweiten und RWE rund 500 Ladestationen einrichten. Andere europäische Städte sollen folgen.

Die drei großen deutschen Hersteller VW, Daimler und BMW laufen nach Meinung von Shai Agassi trotz solcher Großversuche Gefahr, die „Revolution zu verpassen“, wenn sie innovative Elektroprojekte weiter nur als Experiment betrachteten. Abschreckendes Beispiel seien Hybridautos, die zuerst von japanischen Herstellern auf den Markt gebracht worden seien. „Wenn die Deutschen Elektrofahrzeuge weiter nur als Nischenprodukt ansehen, werden sie aus dem Markt fliegen.“

Agassi appellierte an die Bundesregierung, die Entwicklung durch eine entsprechende Steuer- und Förderpolitik voranzutreiben. Diese müsse Herstellern Anreize für Investitionen bieten und Verbrauchern den Umstieg auf Elektrofahrzeuge finanziell erleichtern. „Dann können Elektrofahrzeuge in den kommenden fünf bis zehn Jahren einen großen Anteil am deutschen Automarkt haben.“ Laut „Handelsblatt“ plant die FDP einen Vorstoß, der eine Steuerbefreiung von Fahrzeugen mit Batteriebetrieb für die Dauer von mindestens zehn Jahren vorsehe.

Shai Agassi will sein Projekt Better Place künftig auch auf Deutschland ausdehnen. Dafür sucht ein Entwicklungsteam unter der Leitung von Amit Yudan Kooperationspartner. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir in Deutschland Unternehmen finden, die mit uns zusammenarbeiten wollen. Unsere natürlichen Partner sind Mineralölfirmen und Stromversorger“, sagte Yudan dem Tagesspiegel, ohne Namen zu nennen. „Wir bemühen uns in jeder Region Deutschlands um Partner, um später eine landesweite Infrastruktur aufbauen zu können.“

Agassi und Yudan betrachten Großprojekte wie das von Daimler und RWE nicht als Konkurrenz. „Die Zukunft des Autos ist elektrisch“, sagte Agassi. „Je mehr Autokonzerne das verstehen, desto besser für uns alle.“ Verschiedene Projekte dienten demselben Ziel: die Abhängigkeit vom Rohstoff Öl zu beenden. „Das ist eine Bewegung des gesamten Marktes“, sagte Agassi. „Es ist großartig, dass Deutschland sich in diesem Markt voranbewegt.“

Ob deutsche Unternehmen künftig eine führende Wettbewerbsposition einnehmen werden, sei aber nicht ausgemacht. „Das Spiel ist noch nicht entschieden“, sagte Agassi. Das Know-how bei der Entwicklung von Wasserstoff- und Brennstoffzellenantrieben, in die deutsche Hersteller viel investiert hätten, müsse für den Bau von Elektrofahrzeugen genutzt werden. Dann habe der Autostandort große Chancen. Mit seinen hohen Spritpreisen, der großen Zahl zugelassener Autos und einer vergleichsweise hohen durchschnittlichen Fahrleistung der Verbraucher seien die Rahmenbedingungen günstig, um die Vorteile von Elektroautos zu realisieren. „Das ist einzigartig in der Welt“, sagte Agassi.

Unterdessen liebäugelt der japanische Autobauer Mitsubishi Motors mit einer Teilnahme an der Elektroauto-Offensive von Daimler und RWE. Nach Informationen aus Branchenkreisen will RWE nach Daimler später auch den Japanern den Zugang zu dem System von elektrischen Ladestationen öffnen. Daimler hat mit RWE für ein Jahr die exklusive Nutzung der Infrastruktur in Berlin vereinbart. Ein Sprecher von Mitsubishi Deutschland bestätigte Gespräche mit RWE, betonte aber, es gebe keine Ergebnisse. mit HB

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