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Faire Produkte: Gutes tun zahlt sich aus

Firmen wie Starbucks oder Nike engagieren sich öffentlichkeitswirksam für faire Produkte – und verdienen damit Geld.

Durch den Raum weht der Duft von frisch gerösteten Kaffeebohnen. Einige der Bohnen kommen von Geoffrey Ngulumbi, einem Kaffeebauern aus Tansania. Ngulumbi, Chef eines Verbundes von 12 000 Kaffeefarmern seines Landes, ist nach Berlin gekommen, um über fairen Handel zu sprechen – und über Starbucks. „Seit wir an Starbucks verkaufen, bekommen wir bessere Preise für den Kaffee“, sagt er.

Seit Anfang März serviert die US-Kette in ihren europäischen Läden nur noch Espressogetränke, die aus fair gehandelten Bohnen hergestellt werden und das Fairtrade-Siegel tragen. Damit sie das Siegel bekommen, müssen die Kaffeefarmer soziale, ökonomische und ökologische Auflagen erfüllen. Unternehmen, die Fairtrade-Kaffee einkaufen, müssen dafür mehr zahlen als auf dem Weltmarkt. Derzeit beträgt der Mindesteinkaufspreis für den fairen Kaffee 1,25 US-Dollar pro Pfund. Liegt der Weltmarktpreis darüber, bekommen die Kaffeebauern entsprechend mehr. Das ist im Moment der Fall. An der New Yorker Kaffeebörse kostete ein Pfund Arabica in dieser Woche rund 1,58 US-Dollar. Von 2000 bis 2004 waren es dagegen nur 60 bis 80 US-Cent gewesen. Zusätzlich zum Kaffeepreis bekommen die Fair-Trade-Bauern noch eine Investitionsprämie.

Starbucks entstehen durch die Kooperation mit Fairtrade kaum Extrakosten. „Starbucks hat schon immer höhere Preise für hochwertigen Kaffee bezahlt“, sagt Hans van Bochove, bei Starbucks Leiter der Abteilung für Corporate Social Responsibility (CSR). Die Kunden lassen sich von den hohen Preisen offenbar nicht abschrecken. Mit der neuen Kooperation wolle Starbucks „kleine Kaffeebauern und ihre Gemeinden sowie den Schutz der Umwelt unterstützen“, betont van Bochove.

Starbucks ist nicht das einzige Unternehmen, das mit seinem sozialen Engagement wirbt. Im Februar veröffentlichte der Stahlkonzern Salzgitter seinen Bericht „Beständigkeit durch Fortschritt“. Auf der Internationalen Tourismus-Börse ist ein kompletter Tag mit über 20 Vorträgen dem Thema Nachhaltigkeit gewidmet. Der Sportartikelkonzern Nike wies im Vorfeld der Fußball-WM darauf hin, dass die für die Nationalteams von Brasilien, Portugal oder Holland gefertigten Trikots aus recycelten Plastikflaschen hergestellt werden.

Glaubt man dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), engagieren sich in Deutschland 96 Prozent aller Unternehmen über das gesetzlich geforderte Maß hinaus für gesellschaftliche Belange. Allerdings lässt der BDI bei dieser Schätzung auch schon Biokartoffeln in der Kantine oder die Verwendung von Stromsparlampen gelten.

International hat sich für ein solches Engagement das Schlagwort Corporate Social Responsibility (CSR) durchgesetzt. Das erste Mal tauchte der Begriff, der sich auf Deutsch ungefähr mit nachhaltigem und sozial-engagiertem Wirtschaften übersetzen lässt, in den siebziger Jahren beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos auf. Die EU definiert CSR als „Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, um auf freiwilliger Basis soziale und ökologische Belange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Beziehungen zu den Stakeholdern zu integrieren.“ Knapp gesagt ist CSR also eine Möglichkeit, soziales Engagement und Profitmaximierung in Einklang zu bringen.

Vielfach müssen sich Firmen deshalb des Vorwurfs erwehren, ihr soziales Engagement sei vor allem eine Werbemaßnahme. So zu denken, sei eine antiquierte Einstellung, sagt Hannah Jones. Die Engländerin kümmert sich bei Nike um das Thema Nachhaltigkeit und 140 Angestellte. Allerdings habe CSR mit selbstloser Wohltätigkeit nichts zu tun. „Es ist eine Win-Win-Situation. Je besser man die Arbeiter behandelt, desto höher ist auch die Produktivität.“ Den Imagegewinn gibt es als Bonus obendrauf. Tatsächlich engagiert sich Nike schon seit ein paar Jahren öffentlichkeitswirksam gegen Kinderarbeit, Lohndumping und für ökologischere Arbeitsbedingungen. Nike sieht sich selbst als Vorreiter einer Bewegung. „Wir erleben gerade das Äquivalent der Internetrevolution“, glaubt Jones und schwärmt von „einer Nachhaltigkeitsrevolution“.

Allerdings hatte der weltgrößte Sportartikelhersteller mit Sitz in Oregon auch reichlich Nachholbedarf. In den neunziger Jahren galt Nike Globalisierungskritikern wegen nachgewiesener Ausbeutung von Arbeitern als das personifizierte Böse. Die Unternehmensführung wagte die Flucht nach vorn, veröffentlichte erstmals eine Liste aller Zuliefererbetriebe und machte Verstöße öffentlich. Trotzdem fiel Nike kürzlich bei Stiftung Warentest durch. In den Kategorien Transparenz und Umgang mit Beschäftigten wurden dem Konzern nur „bescheidende Ansätze“ bescheinigt.

Insgesamt aber sei die Sportartikelbranche sehr weit, und bei anderen Tests habe Nike gut abgeschnitten, räumt Holger Brackemann von der Stiftung Warentest ein. Seit 2004 überprüft er das soziale und ökologische Engagement von Unternehmen. „Wir halten das für notwendig, weil heute fast alle Produkte Teil einer globalen Produktionskette sind“, erklärt er. Die größten Defizite sieht Brackemann in der Spielwaren- und der Kaffeebranche. 90 Prozent der gehandelten Bohnen würden anonym auf dem Weltmarkt eingekauft, und es lasse sich nicht zurückverfolgen, wie sie hergestellt wurden.

Das gibt auch Starbucks als Grund an, warum das Unternehmen nicht alle Filialen auf Fairtrade-Espressogetränke umstellt. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können nicht alle zertifizierten Kooperativen unseren bestehenden Bedarf decken“, sagt van Bochove. Dass Starbucks bei seinen Konsumenten Interesse für die Lage der Kaffeebauern wecken kann, glaubt Brackemann von der Stiftung Warentest nicht. „Für Deutschland muss man leider sagen, dass es den meisten Leuten reichlich egal ist, wo ihr Kaffee herkommt.“

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