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Noch ist viel los im Hafen von Seattle an der Nordwestküste der USA. Sollten Zollschranken entstehen, wird man das hier mit als erstes merken.

© Getty Images/Art Wager - iStockphoto

Faktencheck zum Freihandel: Welche Optionen Trump hat - und welche nicht

Donald Trump will hohe Zölle auf Waren aus dem Ausland einführen. Ist das realistisch? Ein Faktencheck.

Von Carla Neuhaus

Donald Trump verliert keine Zeit. Gerade einmal drei Tage ist er im Amt, als er die Transpazifische Partnerschaft (TPP) aufkündigt. Ein solches Freihandelsabkommen mit elf anderen Staaten hält er für schädlich. Auch das Nafta-Abkommen mit Kanada und Mexiko will er neu verhandeln. Die Interessen der USA gingen dabei unter, argumentiert er. Zu viel wird Trumps Ansicht nach im Ausland hergestellt, zu wenig in den Vereinigten Staaten. Handelspartner wie China oder Mexiko sind für den neuen US-Präsidenten Feinde: „Sie wollen unsere Waren produzieren, unsere Firmen stehlen und unsere Jobs vernichten.“ Deshalb will Trump die US-Wirtschaft abschotten, sie mit Zöllen schützen. Die Frage ist: Wie weit wird, wie weit kann er dabei gehen?

Eigentlich darf nur der Kongress Zölle beschließen

Die Drohung ist angekommen, mehrfach. Einen Zoll von 35 Prozent will Trump für Waren verlangen, die aus Mexiko in die USA gehen. Zum Beispiel auf Autos, die deutsche oder auch amerikanische Konzerne in ihren Werken in Mexiko für den US-Markt bauen. Dabei ist aber fraglich, ob Trump überhaupt neue Zölle einführen kann. Denn eigentlich ist das Aufgabe des Kongresses. So sieht es die amerikanische Verfassung vor. In Artikel 1, Abschnitt 8, steht dort: „Der Kongress hat das Recht, Steuern, Zölle, Abgaben und Akzisen aufzuerlegen und einzuziehen.“ Der Kongress hat also das Recht dazu – nicht der Präsident. Zwar wird auch der Kongress von den Republikaner dominiert, dennoch dürften sie bei diesem Vorhaben nicht mitziehen. Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhauses, hat bereits vorsorglich erklärt, der Kongress habe nicht vor, Zölle einzuführen.

Der Haken: Als Präsident hat Trump Sonderbefugnisse – zum Beispiel im Fall eines nationalen Notstands. Dass Trump den ausrufen könnte, um Zölle einzuführen, klingt unwahrscheinlich. Doch: Um den nationalen Notstand auszurufen, müssen die Amerikaner sich nicht erst im Krieg befinden. In der Vergangenheit haben US-Präsidenten den Notstand auch schon aus wirtschaftlichen Gründen ausgerufen. So nutzte Richard Nixon den Notstand in den siebziger Jahren zum Beispiel, um einen Zoll von zehn Prozent auf alle Importe einzuführen.

Warum ein Veto der WTO kurzfristig wenig bringt

Doch selbst wenn Trump im Alleingang Zölle einführen würde, sind die Vereinigten Staaten immer noch an die Vorgaben der Welthandelsorganisation (WTO) gebunden. Bei ihr hat jedes der 163 Mitgliedsländer eine Liste mit Maximal-Zöllen für einzelne Branchen hinterlegt – und zugesagt, sie einzuhalten. Demnach dürfen die USA zum Beispiel auf Autos aus dem Ausland höchstens einen Zoll von 2,5 Prozent verlangen. Höhere Importabgaben erlaubt die Handelsorganisation den Vereinigten Staaten nur in Ausnahmefällen. Zum Beispiel im Kampf gegen Dumping: Wenn also ein anderes Land seine Produkte weit unter Herstellungskosten verkauft – und so den Wettbewerb ausschaltet. Über diese Ausnahme hat Barack Obama zum Beispiel zuletzt Strafzölle auf Stahl aus China eingeführt. Der Vorwurf an die Chinesen lautete: Sie würden ihren Stahl viel zu billig anbieten. Was Trump nun aber plant, ist etwas anderes, sagt Hans-Michael Wolffgang, Direktor des Instituts für Zoll- und Außenwirtschaftsrecht an der Universität Münster. Schließlich bieten die Autobauer die Wagen, die sie in Mexiko fertigen, nicht zu Dumping-Preisen an. „Führen die USA Zölle auf Importe aus Mexiko ein, verstößt das klar gegen die WTO-Regeln“, sagt Wolffgang.

Weitsicht? US-Präsident Donald Trump (hier bei einer Veranstaltung seiner republikanischen Partei am 26. Januar 2017 in Philadelphia) hat in seiner ersten Woche zahlreiche Dekrete zur Wirtschaft unterschrieben.
Weitsicht? US-Präsident Donald Trump (hier bei einer Veranstaltung seiner republikanischen Partei am 26. Januar 2017 in Philadelphia) hat in seiner ersten Woche zahlreiche Dekrete zur Wirtschaft unterschrieben.

© Pablo Martinez Monsivais/AP/dpa

Möglich ist, dass Trump diesen Verstoß bewusst in Kauf nimmt. Denn bis die Handelsorganisation Konsequenzen zieht, dauert es. Dafür muss erst ein anderer Staat ein Schiedsgericht anrufen. Bis ein Urteil fällt, vergehen schnell zwei Jahre. Und selbst wenn das Gericht die US-Zölle für unrechtmäßig erklären würde: Eine Strafzahlung kann es den USA nicht aufbrummen. Vielmehr stünde es anderen Staaten frei, auf Waren aus den USA Strafzölle zu erheben. „Die Folge ist ein Handelskrieg“, sagt Wolffgang. Es könnte ein Wettstreit entstehen, wer welche Zölle erhebt. Die Leidtragenden wären die Verbraucher: Produkte würden sehr viel teurer, dies- wie jenseits des Atlantiks. „Ein solcher Handelskrieg schadet der Wirtschaft in allen beteiligten Ländern“, sagt Wolffgang.

Nun hat Trump bereits in den Raum geworfen, im Zweifel könnten die USA die WTO auch einfach verlassen. Dann müsste er die Regeln der Handelsorganisation nicht mehr einhalten. Experten halten das allerdings für unrealistisch. „Das ist ein Bluff“, glaubt Gabriel Felbermayr, Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft am Ifo Institut. Würde Trump Ernst machen und die WTO verlassen, wären die Konsequenzen für die USA viel zu groß. „Was den Handel mit Waren und Dienstleistungen angeht, wären die Vereinigten Staaten dann ein regelloser Raum“, sagt Rechtsexperte Wolffgang. Auch Ausländer müssten sich gegenüber den Amerikanern dann nicht mehr an WTO-Regeln halten und könnten beliebig hohe Zölle auf US-Produkte erheben. Das dürfte Trump kaum darunter verstehen, wenn er sagt, er wolle den Freihandel so umgestalten, dass die Amerikaner profitieren.

Trumps Hintertür: Handelsbeschränkung über das Steuerrecht

Allerdings gibt es noch eine zweite Möglichkeit, wie Trump Handelsbeschränkungen einführen könnte: nämlich indem er die Steuerregeln für die Konzerne geschickt anpasst. Ein solches Vorhaben dürften auch die Republikaner im Kongress mittragen. Zwei von ihnen, Paul Ryan und Kevin Brady, haben das Konzept der sogenannten „Border Tax Adjustments“ selbst ins Spiel gebracht. (Lesen Sie hier einen Artikel der Trump-freundlichen Breitbart-News, auf Englisch). Dahinter verbergen sich Steuervergünstigungen für US-Unternehmen, die in der Heimat produzieren. Die Unternehmensbesteuerung würde so geändert, dass amerikanische Firmen ihre Gewinne aus Exporten in andere Länder nicht mehr besteuern müssten. Wer Güter in die USA einführt, zahlt weiterhin den vollen Steuersatz. Der liegt für Unternehmen in den USA bei 35 Prozent – was genau der Prozentsatz ist, den Trump sich als Strafzoll wünscht. Die Folge wäre: Je weniger eine Firma in den USA produziert, desto mehr Steuern müsste sie zahlen.

Weil Unternehmen die Mehrbelastung wieder auf die Preise draufschlagen würden, würde eine solche Strafsteuer ähnlich wirken wie ein Importzoll. Weil sie aber weniger offensichtlich ist, wäre unklar, ob die WTO einschreitet. Zumal es das erste Mal wäre, dass ein Land einen solchen Weg geht, um Handelshemmnisse aufzubauen. „Bislang gibt es keine Präzedenzfälle“, sagt Wolffgang. Das heißt: Selbst wenn die WTO am Ende zu dem Schluss kommen sollte, dass eine solche Besteuerung ihren Regeln widerspricht, hätten die USA bis dahin ein paar Jahre Zeit gehabt, die eigene Wirtschaft erfolgreich abzuschotten.

Was die USA nicht (mehr) produzieren können

Nimmt man Trumps Forderungen ernst, müssten die USA die Globalisierung zurückdrehen und künftig wieder alles im Inland produzieren. Dass das wirklich gelingt, ist unrealistisch. Autokonzerne kann Trump womöglich noch dazu bringen, ihre Wagen in den USA zu fertigen. Doch auch wenn sie in den USA zusammengefügt werden, kommen die einzelnen Teile immer noch aus aller Welt: die Scheiben aus Italien, die Scheinwerfer aus Kanada, die Räder aus Deutschland, die Stoßstangen aus Schweden. Natürlich kann man für die US-Autos auch nur Teile verwenden, die in den USA hergestellt wurden. Doch das würde die Preise enorm in die Höhe treiben – mit der Folge, dass sich weniger Amerikaner die Autos „Made in USA“ leisten könnten. (Hier gibt es ein Video über die Sorgen der Autoindustrie in Mexiko.)

Stark ansteigen würden auch die Preise für Produkte, die die Amerikaner inzwischen so gut wir gar nicht mehr selbst herstellen. Gummistiefel zum Beispiel, Deckenventilatoren oder Lichterketten für Weihnachten: Von ihnen importieren die Amerikaner mehr als 90 Prozent. Dazu kommt, dass US-Konzerne gar nicht darum herumkommen, bestimmte Rohstoffe zu importieren: Seltene Erden zum Beispiel, die in China abgebaut werden, und die für die Produktion von Handys oder Batterien benötigt werden. Sperren sich die Amerikaner gegen Importe aus China, könnte das Land ihnen als Gegenmaßnahme den Zugang zu Seltenen Erden verbieten.

Warum Abschottung kaum neue Jobs schaffen wird

Trump verspricht, dass durch seine Abschottungspolitik neue Jobs entstehen. Er setzt darauf, dass Konzerne ihre Fabriken im Ausland schließen und neue in den USA aufmachen. Experten halten es allerdings für einen Trugschluss, dass dadurch langfristig tatsächlich mehr Arbeitsplätze geschaffen würden. Zunächst einmal dürften kaum so viele neue Jobs entstehen, wie einst verloren gegangen sind. Dafür setzen die Betriebe viel zu stark auf die Automatisierung: Vieles was früher noch Arbeiter übernommen haben, erledigen heute Maschinen.

Gleichzeitig ist die Produktion vieler Produkte in den USA sehr viel teurer als im Ausland. Das beste Beispiel dafür ist die Bekleidungsindustrie. Während eine Firma in den USA ihren Näherinnen 17,71 Dollar die Stunde zahlen muss, sind es in Bangladesch nur gut 60 Cent. Kleidung würde also teurer. Doch steigen die Preise, können sich die Menschen weniger leisten. Die Folge: Die Konzerne verkaufen weniger – und müssen schließlich Mitarbeiter entlassen. Unterm Strich könnten auf diese Weise mehr Jobs verloren gehen, als durch Trumps „America first“-Politik geschaffen werden.

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